Voivod - Morgöth Tales | |
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Review von Rockmaster vom 22.07.2023 (8108 mal gelesen) | |
Wenn einem 'Condemned To The Gallows', der Opener der "Morgöth Tales" aus den Lautsprechern gleich dem Alien-Panzer vom "Rrröööaaarrr"-Cover unaufhaltsam entgegenrumpelt, hört der VOIVOD-Fan der frühen Jahre ganz klar und umgehend auch den Stil eben dieser heraus. Nicht zuletzt scheint das kurze Drum-Intro dem Sound nach von der Originalaufnahme zu stammen, damit bloß keine Fragezeichen bleiben. Nicht jeder wird sich an die Nummer erinnern, die bislang nicht in der VOIVOD-Diskographie vertreten war, sondern die auf dem "Metal Massacre V" wohl als erste offizielle VOIVOD-Veröffentlichung gezählt werden darf, die das ganze VOIVOD- und Morgöth-Universum nach sich zog. So gesehen eine Pflichtübung in einer nahezu umfassenden Retrospektive der ersten gut zwanzig Jahre - oder der Piggy-Years - der kanadischen Prog-Metaller. Dieser stand - wie Drummer Michel "Away" Langevin im Interview mit Jimmy Kay von "The Metal Voice" erklärte - lediglich das Problem im Wege, dass keiner in der Band mehr die Lyrics kannte. Schriftliche Aufzeichnungen - Fehlanzeige. Auch beim Versuch, aus der vierzig Jahre alten Aufnahme die Texte herauszuhören, scheiterte. Schließlich lieferte eine KI, die die Gesangsstimme isolieren sollte, unverständliches Alien-Gekreische, was irgendwie in die Erzählungen von Morgöth und dem Voivoden passen würde. Dankenswerterweise fand aber Denis "Snake" Bélangers Schwester eine Aufzeichnung des Originaltextes und mailte umgehend einen Scan davon. Auch 'Thrashing Rage' vertritt noch den Stil der frühen Jahre, in denen die Band "ihre Instrumente schneller zu spielen versuchte, als die Musiker sie beherrschten", und in denen man sie durchaus noch im Thrash Metal verorten drufte. Die schrägen Harmonien im Gitarrenspiel und Basspiel - in den Originalaufnahmen eingespielt von Denis "Piggy" D'Amour (R.I.P.) und Jean-Yves "Blacky" Thériault - sind schon deutlich erkennbar, aber lange nicht so ausgefeilt wie in den folgenden Jahren. Snake schafft es auch vierzig Jahre später noch, die gleiche Aggressivität in die Stimme zu legen und mit bewusster Falsch-Intonation um Achteltöne und mehr auf den Punkt danebenzusingen. Und um das klarzustellen: Das möchte ich als großes Lob verstanden wissen! Wer die alten Aufnahmen kennt, dürfte den aus heutiger Sicht doch recht rumpeligen Sound vermissen, der einerseits dieses tolle Underground-Flair versprühte und andererseits oft verdeckte, was sich hinter Speed und Thrash für musikalische Perlen versteckten. Ich muss gestehen, es dauert lange, sich an den alten Stil im neuen Soundgewand zu gewöhnen, aber nur so lässt sich das großartige Potenzial der damals jungen Musiker noch einmal verdeutlichen. Der VOIVOD-Maniac weiß, dass 'Killing Technology', 'Macrosolutions To Megaproblems' (die bei der Tour mit TESTAMENT auch zum Repertoire gehörten) sowie 'Pre-Ignition' die Wende ins progressive Genre, geprägt von den dissonanten "Piggy chords" (natürlich benannt nach Gitarrist Piggy) und häufigen Rhythmuswechseln, repräsentieren. Gleichzeitig war "Nothingface", von dem der Titel 'Pre-Ignition' stammt, das bis dato kommerziell erfolgreichste Album von VOIVOD und ein markanter Wendepunkt in der Bandgeschichte. Schon vielen Fans der alten Zeit war "Nothingface" zu glatt produziert, und die Stiländerungen nach dem Album führten zu Verwerfungen in der Band und zum Absprung vieler Fans. 'Nuage Fractal' und 'Fix My Heart' illustrieren diese Übergangszeit. Zwischen den Alben "Angel Rat" und "The Outer Limits" verließ Blacky die Band, und einige Zeit später ging auch Snake. Einen erneuten stilistischen Wandel in die Richtung Industrial erlebte die Band mit Eric "E-Force" Forrest, der beide Abgänge an Mikro und Bass ersetzte. Auf "Morgöth Tales" beehrt er uns als Gastsänger auf 'Rise' von der Scheibe "Phobos". Der Re-Launch, der von Kritikern und Fans durchaus positiv aufgenommen worden war, dauerte leider nur zwei Alben lang. 'Rebel Robot' vom Album "Voivod" indes bescherte den Fans einen weiteren Neuanfang. Snake war zurück, und der Bass wurde (und wird als Gastmusiker auf "Morgöth Tales") von Jason "Jasonic" Newsted bedient. Ja, genau. Von dem Bassisten, der für sich als einer der wenigen verbuchen kann, dass er in seiner Musikerkarriere drei großartige Bands aus den unterschiedlichsten Gründen verlassen hat: FLOTSAM AND JETSAM, METALLICA und VOIVOD. VOIVODs Piggy-Years fanden 2005 durch Piggys Tod ein tragische Ende. Zwar reichten die Samples und Aufnahmen auf seinem Notebook, die er seinen Bandkollegen hinterlassen hatte, noch für "Kartorz" und "Infini", die ich persönlich in der VOIVOD-Diskographie absolut wertschätze. Ich finde es aber überaus ehrlich, dass VOIVOD hier für die "Morgöth Tales" einen Cut machen, da der kreative Prozess hier einen der kreativsten Köpfe der Band verloren hatte. Nun vergisst man bei soviel Schwärmerei über die gute alte Zeit fast, dass ja VOIVOD eigentlich die "Morgöth Tales" nur aufnehmen konnten, da der zunächst als Live-Musiker engagierte Gitarrist Dan "Chewy" Mongrain der Band nach dem schrecklichsten vorstellbaren Verlust und der vorübergehenden Auflösung neues Leben eingehaucht hat. Seit einigen Jahren ist zudem Dominique "Rocky" Laroche dabei und ersetzt Abgänger, Wiederkehrer und Wiederabgänger Blacky. Beide bekunden, dass sie die Musik von VOIVOD in ihren jungen Jahren aufgesogen haben wie Muttermilch. Und mit dem Juno-Award-prämierten "Synchro Anarchy" haben sie deutlich belegt, dass sie nicht der Nostalgie frönen, sondern mit ihrem Beitrag VOIVOD auf ein neues Level gehoben haben. Einige Male denkt man bei "Morgöth Tales", dass - im Vergleich zu den Originalaufnahmen - Chewy hier und da einen Akkord minimal verschoben hat, um seine eigene, persönliche Note zu hinterlassen. Den heutigen Stil und die grandiosen Qualitäten aller vier Musiker zeigt der Titeltrack, der viele Textzeilen aus alten Zeiten zitiert und musikalisch alle Limits sprengt. Heute wie damals widersetzen sich VOIVOD gängigen Stilen und Klischees und sind damit erfolgreich wie nie zuvor. Und - wenngleich 40 Jahre Bandgeschichte der perfekte Anlass sind - scheinen sie mit den Neuaufnahmen der alten Titel belegen zu wollen: "Wir waren damals schon so gut, aber ihr habt nicht alle zugehört." Mit dem Bonustrack 'Home' legen sie noch ein P.I.L.-Cover nach. Das fällt stilistisch aus dem Rahmen, aber das galt auch 1989 für das PINK FLOYD-Cover 'Astronomy Domine'. Away betont, was der Titel für ihn bedeutet, in dem Sinne hat das durchaus einen persönlichen Bezug. Eine Bewertung im Vergleich zu den alten Aufnahmen fällt naturgemäß schwer. Irgendwie klingen die Neuaufnahmen ein wenig zu perfekt, und irgendwie zeichnet das das neue Lineup auch aus. Die Gesamtschau auf eine Band, die nie wirklich in eine Schublade passte, erschließt sich erst, wenn man die ganze Historie kennt. Und ich hoffe von tiefstem Herzen, dass mich VOIVOD mit der nächsten Scheibe erneut überraschen. Das Interview mit Away von "The Metal Voice" findet ihr hier: Gesamtwertung: 9.5 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Condemned To The Gallows (4:34) 02. Thrashing Rage (4:16) 03. Killing Technology (6:32) 04. Macrosolutions To Megaproblems (5:20) 05. Pre-Ignition (5:08) 06. Nuage Fractal (3:42) 07. Fix My Heart (4:37) 08. Rise (5:01) 09. Rebel Robot (4:51) 10. Morgöth Tales (4:58) 11. Home (4:39) | Band Website: www.voivod.com Medium: CD Spieldauer: 53:38 Minuten VÖ: 23.07.2023 |
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