Interview mit Ronald von Old Mother Hell

Ein Interview von Damage Case vom 05.10.2021 (21601 mal gelesen)
OLD MOTHER HELL - das sind Basser Ronny, Sänger/Gitarrist Bernd und Schlagzeuger Michi. Zwei Alben haben die Kurpfälzer bereits veröffentlicht und sich nicht nur mit Ihrem umjubelten Gig beim Hell Over Hammaburg 2018 in die Herzen vieler Metaller gespielt. Die Kurpfälzer haben zwar keine neue Platte in der Pipeline, von einer Tour ganz zu schweigen. Aber die drei Sympaticos hatten Lust auf ein Themeninterview zu ihren musikalischen Einflüssen. Und so verabredeten wir uns Ende August zu einem geselligen Zoom-Plausch über die musikalischen Einflüsse der drei Bandmitglieder. Aber lest selbst, welches ungewöhnliche KREATOR-Album allen Interviewbeteiligten gefällt, welche Drummer Michi beeinflusst haben und warum Bernd durch Bayern 1 nachhaltig einen schlimmen Ohrwurm hatte.

Hallo ihr drei, eine Frage vorweg, bevor wir zum geplanten Interviewthema kommen: Wo seht ihr OLD MOTHER HELL beheimatet? In Mannheim, der Kurpfalz als Region, oder seid ihr etwa eine Pfälzer Band? Für mich als gebürtigen Mannheimer mit immer noch starker Verbundenheit zu meiner Heimat ist das eine spannende Frage. Erzählt unseren Lesern doch mal ganz kurz, wie alt ihr seid wo ihr aufgewachsen seid.

Bernd: Wir sehen uns in erster Linie aus einem simplen Grund als Mannheimer Band, weil wir dort proben. Ich bin ursprünglich aus Oberfranken und habe bis vor ein paar Jahren noch in Mannheim gewohnt und lebe seit drei Jahren in Köln. Ich bin 42, Jahrgang 1978.

Ronald : (schmunzelt) Ich bin derselbe Jahrgang.

Ronny: Ich bin auch Baujahr 1978 und in Ludwigshafen, ein wenig außerhalb der Stadt, aufgewachsen. Ich hatte dort immer schon Kontakt zu lokalen Metalbands und kannte auch das seit Ende der 1990er jährlich stattfindende Metal Meeting. Das war mein Einstieg in die Metal-Szene und so habe ich auch Metaller aus Mannheim kennengelernt. Das war meine Jugend. Meine Stammkneipe damals war das Climax in Ludwigshafen, ein richtiger Bikerladen, wo immer Metal lief. Später machte in Mannheim das Inferno auf, das es mittlerweile aber auch leider nicht mehr gibt. Und für uns als Band sehr wichtig ist der 7er-Club in der Mannheimer Neckarstadt, da wir dort gerne live auftreten. Auch im MS Connexion haben wir schon gespielt. An dieser Stelle auch viele Grüße an alle Veranstalter aus unserer Ecke. Ihnen gehts ja derzeit nicht so gut und wir hoffen, dass es sich demnächst wieder bessern wird. Wir als Band drücken allen Betreibern und Veranstaltern die Daumen, dass sie die Corona-Zeit überstehen.

Michi: (lacht) Ich bin 36, in Hannover und Göttingen aufgewachsen. Ich wohne hier in der Ecke seit circa 15 Jahren, derzeit in Heppenheim. In Mannheim ist szenemäßig jedenfalls mehr los als hier an der Bergstraße oder im Odenwald. (alle lachen)

Ronny: Ich sehe mich auch eher als Pfälzer, ich lebe sehr gerne hier. Die klare Abgrenzung findet hier durch den Wein statt. Auf unserer Seite des Rheins kriegt man ihn in Schoppen, auf der badischen Seite in Sektgläsern. Aber eigentlich ist das als Kurpfalz sowieso alles eins. Und was ich hier sehr empfehlen kann sind die Wanderhütten. Ich bin gerne im Wald und dort kann man sehr gut einkehren.

Wann und durch wen seid ihr mit Musik in Berührung gekommen und wie verlief dann der Weg zum Rock und Metal?

Ronny: Wo fange ich da an? Während der Schulzeit, Anfang der 1990er, wurde ein Bassist gesucht. Die Schulband hatte allerdings bereits eine Bassistin und so ging mein erster Gig mit zwei Bassisten über die Bühne. Daraus bildete sich eine Band heraus, die Progressive Rock in Stil von DREAM THEATER, FATES WARNING und PINK FLOYD spielte. Parallel dazu war ich auch großer Grunge-Fan und höre zum Beispiel ALICE IN CHAINS immer noch sehr gerne. Deren letzten Alben kann ich sehr empfehlen. Was mir an Grunge besonders gefällt, ist, dass man dort auch einen Bass hört, was im Metal allgemein immer weniger wurde. Hardrock habe ich eh schon immer gehört. Extremen Metal höre ich seit 1999, DEATH mit "The Sound Of Perserverance" war für mich eine Initialzündung, gefolgt von der selbstbetitelten HYPOCRISY, "Rebel Extravaganza" von SATYRICON, TYPE ON NEGATIVE mit "World Coming Down" und "Bloodthirst" von CANNIBAL CORPSE. Seitdem entwickelte sich mein Geschmack in alle Richtungen aus. Das war meine kurze Lebensgeschichte. (Alle lachen)

Bernd: So gut vorbereitet wie Ronny bin ich nicht. Meine Initialzündung fand 1992 im Münchner Olympiastadion zu GUNS'N'ROSES statt. Ich war 14 und ein Kumpel und ich konnten unsere Eltern überzeugen, uns Karten zu kaufen. Rein kamen wir nur durch Zufall durch den Vater einer Mitfahrgelegenheit, denn unter 16 hätten wir alleine nicht reingedurft. Wir waren echt naiv. Im Tischtennisverein habe ich dann den Zenz von Zenz-Art kennengelernt und mit ihm dann die erste Band gegründet. Zufälligerweise spielte ich auch am Bass. Wir haben als Trio exakt einmal geprobt, dann hatte der Gitarrist keine Zeit mehr und dann bin ich auf Gitarre umgestiegen. Ich wollte aber schon immer singen, denn ich habe mich nie als Gitarrist gesehen. Das Instrument war für mich immer nur Mittel zum Zweck, um Lieder zu singen. Über den Zenz bin ich dann an unfassbar viel Musik gekommen. Zum Beispiel METAL CHURCH und LEFAY. Wir waren viel in der Umgebung auf Konzerten. Bei diesen Gelegenheiten habe ich DEPRESSIVE AGE kennen und lieben gelernt und ich habe EDGUY gesehen, als sie noch cool waren. Anfang der 2000er habe ich die Lust am Metal ziemlich verloren, da mir alles zu glatt und laut wurde. Es musste alles noch exakter und perfekter produziert werden - so zumindest meine Wahrnehmung. Ich bin dann erst wieder später reingekommen und der Rest ist Geschichte. Irgendwann bin ich dann in Mannheim und bei OLD MOTHER HELL gelandet.

Michi: Ich habe irgendwann mit fünf oder sechs bei meinem Cousin angefangen, Platten zu hören, weil die Cover geil aussehen. Vor allem HELLOWEEN und SCORPIONS. Während der Schulzeit haben wir dann die erste Band gegründet, bei der es aber mehr ums Biertrinken ging. Ich habe eigentlich immer Gitarre in Bands gespielt und ab und zu gesungen. Irgendwann habe ich Bernd und Ronny kennengelernt, als ich ihre Musik gemischt habe. Das ist so der ganz kurze Abriss.

Ronald : Mit fünf, sechs Jahren warst du ja dann doch vor uns allen dran.

Michi: Ja, ich höre gewissermaßen immer noch meine Kinderkassetten. Über Ronny habe ich in letzter Zeit noch ENSLAVED entdeckt. Hätte ich aber auch schon vor 20 entdecken können. (schmunzelt)

Bernd: Zum Glück muss ich meine Kinderkassetten nicht mehr hören. Die musikalische Prägung zuhause war eher suboptimal. Bei uns live zum Frühstück immer Bayern 1. Gefühlt lief jeden Morgen 'Morning Has Broken' von CAT STEVENS, was mich nachhaltig negativ geprägt hat.

Wen würdet ihr als eure musikalischen Idole oder Einflüsse an eurem jeweiligen Instrument bezeichnen?

Michi: Jörg Michael, Ingo Schwichtenberg und Uli Kusch. Michael hat ja in tausenden von Bands gespielt und live hat er mich mit seiner knackigen und akkuraten Spielweise sehr beeinflusst. Ihn aber als Einfluss zu nennen ... er ist ja im Vergleich zu mir doch sehr weit hoch hinaus. Es wäre zwar schön, einmal in solche spielerischen Regionen zu kommen, aber es wird wahrscheinlich nicht passieren. Nicht zu vergessen Danny Schuler von BIOHAZARD.

Ronny: Bei mir ist es definitiv Geezer Butler von BLACK SABBATH. Rein optisch haben mich auch damals die Duelle von Paul Gilbert und Billy Sheehan bei MR.BIG komplett weggehauen. Unglaublich, was Sheehan am Bass kann. Aber rein vom Einfluss her ist es Geezer Butler mit seinem Fingerspiel in der Mitte vom Griffbrett - beides hat mich sehr geprägt. Und die Band BLACK SABBATH ist sowieso meine absolute Lieblingsband. Wenn ich mir einen bunt gemischten USB-Stick mache ist immer ein Ordner "BLACK SABBATH" mit dabei.

Bernd: Bei mir waren es gesanglich bereits ganz früh Charles Rytkönen (LEFAY) und Jan Lubitzki (DEPRESSIVE AGE). Beim Gitarrenspiel ganz klar Daniel Gildenlöw von PAIN OF SALVATION, wobei ich mich da meinen Bandkollegen anschließe, mich nie mit ihm zu vergleichen. Gildenlöw schreibt die Songs und singt sie, während er sie spielt. Er ist quasi mein Beethoven und ich bin heilfroh, zur selben Zeit wie er leben zu dürfen - auch wenn mich das aktuelle Album von PAIN OF SALVATION nicht ganz so sehr abholt.

Ronny: Sie sind auch eine geile Liveband. Ich habe sie schon zweimal live sehen dürfen und es war echt der Hammer!

Bernd: Absolut, mit welcher Inbrunst sie spielen, auch wenn sie viele Besetzungswechsel hatten.

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich lange keinen Zugang zu eurer Musik gefunden habe. Ich habe mich auch nicht wirklich damit beschäftigt, was ich aber in letzter Zeit nachgeholt habe, seitdem ich Ronny kenne. Mich erinnert der Song 'Old Mother Hell' ab der fünften Minute total an ganz alte IRON MAIDEN mit Paul Di'Anno. Welche eurer musikalischen Einflüsse hört ihr selbst aus OLD MOTHER HELL heraus?

Ronny: Der Maiden-Vergleich kommt durch unseren damaligen Schlagzeuger Ruben André, der zuhause einen IRON MAIDEN-Schrein hat und dessen absolutes Idol Nicko McBrain ist. Da musste ich als Basser mithoppeln. Auch BLACK SABBATH, sowohl die Ozzy- als auch die Dio-Phase, fließen in unseren Sound ein. Gerade das zweite Album ist etwas hardrockiger. Michi nennt einige Teile gerne triolische Wohfühlparts, in denen sich Metaller einfach wohlfühlen. Wobei unsere Musik nie auf dem Reißbrett entsteht, sondern wir uns alle gemeinsam einbringen. Bernd bringt einen rockigeren Einfluss ein, Michi sein sehr präzises "German-Metal-Schlagzeug" um einen schönen Hardrock-Beat.

Bernd: (lächelt) Spannend, wie bei solchen Interviews die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Bandmitglieder ans Tageslicht kommen. Wir hatten ja vor dem ersten Album einen anderen Gitarristen, ich bin damals als Sänger zu OLD MOTHER HELL gestoßen. Als ich nach dessen Ausstieg die Gitarre mit übernahm und wir als Trio weitermachten, musste ich seine Songs spielen, die ich ganz organisch interpretiert habe. Zum zweiten Album kam dann Michi dazu. Prinzipiell fällt es mir aber schwer, Einflüsse heraus zu hören. Meine Prämisse ist, Musik zu machen, die mir gefällt, und von der ich glaube, dass es sie so noch nicht gibt. Das sind im Prinzip dann Songs mit eingängigen Melodien, die auf den Punkt kommen. Der von dir genannte Titelsong ist da die große Ausnahme.

Gestern ist leider ehemalige TROUBLE-Sänger Eric Wagner an Covid verstorben. Wie viel klassischen Doom der Sorte TROUBLE, SOLITUDE AETURNUS, CANDLEMASS und SAINT VITUS hört ihr selbst bei Eurer Musik heraus?

Ronny: Ja, leider mit erst 62 Jahren.

Michi: Gerade TROUBLE sind ja eine echt geile Band gewesen. Es gibt schlimmere Vergleiche. (schmunzelt)

Ronny: Ich höre sehr gerne Doom, mehr als meine Bandkollegen. Diese doomigen und epischen Sachen mit wechselnden Dynamiken gefallen mir sehr. Für mich persönlich ist Doom, gerifft von Tony Iommi, die härteste Musik und wahre Essenz des Metals. Mehr noch, Doom ist fast so etwas wie das gute Gewissen des Metals, weil die letzten Jahre immer im Underground und nie so sehr totproduziert. Nicht zu vergessen die DIY-Attitüde, zum Beispiel durch frühe Verbindungen von SAINT VITUS zum Hardcore. Das soll man bei uns schon heraushören, auch wenn wir alle nicht die Doom-Experten sind. Und eine Schnittmenge mit CANDLEMASS kann man definitiv bei OLD MOTHER HELL heraushören.

Welche drei Bands würde jeder von euch als seine Lieblingsbands bezeichnen? Und wie hat sich das im Lauf der Jahrzehnte entwickelt?

Michi: Das ändert sich irgendwie andauernd.

Je nachdem, wo Jörg Michael gerade spielt? (grinst)

Michi: Der war gut! (lacht) RUNNING WILD bis 1998 höre ich schon seit vielen Jahren gerne. Man entdeckt aber auch immer wieder Neues. Seit einiger Zeit höre ich viel BATHORY und ENSLAVED. NEW MODEL ARMY finde ich auch schon immer ziemlich gut. Und die SCORPIONS waren bis 1995 immer gut.

Bernd: Schwierig. Während meiner Jugend war Fantasy sehr angesagt, BLIND GUARDIAN oder RHAPSODY. Frühe BLIND GUARDIAN höre ich immer noch gerne. Die meisten Alben beschert haben mir PAIN OF SALVATION. Drei Bands ad hoc zu nennen, ist gar nicht so leicht. Selbst bei LEFAY gab es für mich musikalisch immer mal Ausfälle, auch wenn die Jungs supersympathisch sind. Komm' Ronny, du hast bestimmt schon die Liste im Kopf. (grinst)

Ronny: Das ändert sich ja ständig. Drei beste Bands, das hängt schon von Genres ab. Wenn ich mich heute festnageln müsste, wäre es auf jeden Fall BLACK SABBATH. MOTÖRHEAD haben mich auch sehr geprägt, wären aber nicht in der Top 3. SAVATAGE höre ich schon sehr lange, die kriege ich bei mir nicht mehr raus, auch wenn mir das Symphonische später nicht mehr so gefiel. Dennoch habe ich einen Backpatch von "Handful Of Rain" auf der Kutte - sie sind einfach meine Metal-Band.

Bernd: Plus eins.

Plus zwei, das Album ist einfach gigantisch!

Ronny: Auch das Schicksal von Jon Oliva ist echt der Hammer. Als letztes dann THIN LIZZY. Zwar etwas hardrockiger. Aber ohne sie gäbe es heute nicht IRON MAIDEN.

Bitte nennt jeder von euch ein Albumcover, das ihn in seiner Jugend besonders beeindruckt oder geprägt hat. Beim Anblick welches Covers kribbelt es bei euch, weil so viele tolle Erinnerungen daran hängen?

Ronny: "Somewhere In Time" von IRON MAIDEN. Das hat für mich diesen Science-Fiction-Western-Touch. Ich stehe eh auf "Star Wars"? und die "Mad Max"-Reihe.

Bernd: "Dead Winter Dead". Immer wenn ich dieses Cover sehe, habe ich die Musik im Ohr.

Michi: "Imaginations From The Other Side" von BLIND GUARDIAN. Das letzte geile Album von ihnen. Ich habe es ein Dreivierteljahr jeden Tag gehört. Da kann ich dir sogar sagen, an welchen Stellen Becken abgeschnitten wurden beziehungsweise kleine Soundfehler sind. Auf die "Death Or Glory" von RUNNING WILD trifft das übrigens auch zu, obwohl das Cover eigentlich nicht geil aussieht.

Michi, gute Überleitung zu meiner nächsten Frage. Auf welchem Album deiner Lieblingsalben ist das Schlagzeugspiel oder sein Sound so schlecht, dass du es gerne neu einspielen würdest?

Michi: Es ist eigentlich gut, dass ich sie nicht eingespielt habe, dadurch sind sie ja besser geworden. (lacht) Da gibt es eine ganze Menge und ist eigentlich ziemlich deckungsgleich mit den vorgenannten Schlagzeugern. Die "Imaginations From The Other Side" ist jetzt zwar nicht so anspruchsvoll, dass sich Schlagzeuger Videos davon auf YouTube anschauen oder kommentieren, aber schon geil. Oder vieles von IRON MAIDEN, auch wenn ich das nicht so reproduzieren könnte.

Bernd, wer ist der eine Rock-/Metalsänger, dem du sofort und neidlos das Mikrofon deiner Band überlassen würdest?

Bernd: Charles Rytkönen von Lefay.

Ronny, wenn du Teil einer Wunschband sein könntest, wer wären deine Bandkollegen?

Ronny: Da würde ich mir Phil Lynott am Mikro wünschen. An der Gitarre Chris Oliva. Ich finde ihn grandios, und so wie er bin ich auch vollkommener Autodidakt, der weder Theorie oder Noten lesen kann. Er spielte für Metal eine sehr ungewöhnliche Gitarre, die man immer heraus hört. Und an seine Seite Randy Rhoads, zwei Leadgitarristen. Und am Schlagzeug gefallen mir viele. (überlegt) Als Experiment würde ich mir vorstellen, ganz Old School, Bonzo von LED ZEPPELIN.

Welche Bands beeinflussen euch, zum Beispiel in Form ihrer Arbeitseinstellung der Art wie sie Songs schreiben oder ihr Image gestalten, ohne dass man sie aus dem Sound von OLD MOTHER HELL heraushören würde?

Bernd: Wie sie Songs schreiben, dazu fehlt mir der Einblick.

Denkt mal an Steve Harris. Sein Arbeitsethos ist legendär und für ihn war immer klar, dass er es bis ganz nach oben schaffen will.

Michi: Da eine einzelne Person zu nennen, wäre vielleicht zu kurz gegriffen. Es ist eher ein Prozess aus mehreren Beteiligten. Die Songs von Steve Harris sind zwar schön und nett, klingen aber dann doch irgendwie gleich, je neuer sie werden - wobei man aufpassen muss, dass man damit keinem vor den Kopf stößt. (lacht) Am besten waren IRON MAIDEN doch eigentlich immer, wenn Smith und Dickinson sich am Songwriting beteiligt haben. Dann passiert auch immer mal was anderes.

Bernd: : Ich habe wahrscheinlich auch Schwierigkeiten mit einer Antwort auf diese Frage, weil ich so nicht über Musik nachdenke. Musik ist für mich immer ein Ausgleich. Da stellt sich für mich nicht Frage, wer den perfekten Masterplan hat oder wer verfolgt seine Karriere beruflich am erfolgreichsten. Das war nie mein Ansporn. Ich fand die QUEEN-Dokumentation ziemlich krass und wie dargestellt wurde, welchen Plan Freddie Mercury verfolgte.

Ronny: Es ist immer schwierig, jemanden dann auch am kommerziellem Erfolg festzumachen. Es gab auch eine Menge Bands, die richtig gut waren, aber nicht erfolgreich. Die meisten Guten kennt man heute vielleicht nicht mehr. Ganz platt gesagt: Jede Band, die mehr als zehn Jahre durchhält, verdient großen Respekt. Man muss in dieser Zeit durch viele Täler der Tränen und Rückschläge hinnehmen. Ganz allgemein beeindrucken mich Bands, die gemeinsam Songs schreiben. Um beim Beispiel QUEEN zu bleiben: Brian May und Freddie Mercury haben zwar Ideen mitgebracht aber dann als Band ausgearbeitet. Oder die BEATLES, als sie noch wirklich gute Freunde waren, hatten im Studio bestimmt einen Riesenspaß miteinander. Was dann später zur absoluten Legende wurde. Mir gefallen einfach Bands, die sich weiter entwickeln. Denk an LED ZEPPELIN, bei denen kein Album, teilweise kein Song auf den Alben, gleich klingt. Das macht eine Band aus, dass sie etwas gemeinsam hinbekommt. Man hört es auch oft raus, ob eine Band gemeinsam schreibt, dann ist es oft geil. Oder ob es einen Chef gibt, dann ist es oft okay. Das merkt man auch auf der Bühne, wenn alle Musiker es gemeinsam überzeugend rüberbringen können, dann ist es beinahe magisch. Unser Ansatz ist, organisch zu klingen.

Welche musikalischen Jugendsünden sind euch heute, wenn nicht peinlich, so zumindest nicht mehr zugänglich? Bei mir sind es zum Beispiel SNOW oder DR. ALBAN.

Bernd: Wie, du hast da keinen Zugang mehr? Ich feiere es immer total ab, wenn in meiner Playlist mal wieder DR. ALBAN dran ist - ernsthaft. Und ich bin immer noch für ein Eurodance-Revival. Dazu stehe ich. (lacht) Ich habe eher Probleme mit Fantasy-Klischeeschinken im Metal und Rock. Mir ist Authentizität wichtig, und die kann es da leider nicht geben. MANOWAR sind für mich einfach nicht glaubhaft, wenn sie die ganze Zeit von Saufen, Stahl und Brüdern singen und dann im Backstagebereich Energydrinks pumpen. Da sind mir Eurodance-Musiker fast lieber, weil sie nichts vorgeben zu sein, was sie nicht sind.

Michi: So viel gibt es da eigentlich gar nicht. Was ich damals schon scheiße fand, habe ich mittlerweile schon wieder bei Ebay verkauft. Als dann Ende der 1990er das Metal-Revival rund um HAMMERFALL kam, dachte ich mir: Cool, da ich altersbedingt die besten Jahre von HELLOWEEN ja verpasst hatte. Deshalb probierte ich mich in HAMMERFALL reinzuhören, merkte aber schnell, dass es nicht wie alte HELLOWEEN klingt, und habe es dann wieder schnell verkauft. Das ist ja aber nur eine Geschmacksfrage. Schämen tu ich mich für gar nix.

Ronny: Ohnehin sollte sich niemand für seinen Geschmack rechtfertigen müssen. Okay, auf dem KIT sollte man vielleicht DR.ALBAN laufen lassen, sage ich mal. (grinst) Dort gibt es mit Sicherheit Leute, die das etwas engstirniger sehen. Ich war auch mal so drauf, aber jeder entwickelt sich weiter. Ich hatte auch mal eine richtige Power-Metal-Phase und kann das heute auch nicht mehr wirklich hören, weil es mir zu viel Trallala ist.

Michi: Da gebe ich dir recht, 'Dr. Stein' kann schon ziemlich anstrengend sein. (alle lachen)

Ronny: Ich hatte ein wenig das Glück, dass mir elektronische Sachen noch nie so sehr gefallen haben. Bei mir müssen immer Gitarren dabei sein. Ich habe früher auch viel BOB MARLEY gehört und heute fast gar nicht mehr. Aber wir waren letztens in Worms in der Strandbar und dort lief Reggae - ein total geiler Tag. Das hat mich ein meine Jugend erinnert.

Bernd: Wir sind auch zu alt und zu zufrieden mit uns selbst, um uns für irgendeine musikalische Vorliebe zu schämen. (lächelt)

Ronny: Man weiß mittlerweile einfach auch, was einem gefällt und man will auch gar nicht mehr cool sein. Da kann auch jeder gerne hören, was er möchte.

Das Stichwort "alt" ist gar nicht schlecht. Ihr steht ja vor eurem dritten Album, das ja bekanntlich das "Make-It-Or-Break-It"-Album ist. Welches dritte Album einer Band, auf das diese Devise am besten zutrifft, fällt euch spontan ein?

Ronny: Das muss der Michi beantworten. Ich zähle da nicht durch und habe echt Probleme, mir zu merken, das wievielte Album einer Band welches ist.

Michi: Ich finde fast jede Band, die beim dritten Album richtig geliefert hat, ist bis zum fünften, sechsten Album noch besser geworden. Zum Beispiel IRON MAIDEN: Die haben nach "The Number Of The Beast" auch nochmal ordentlich abgeliefert und sich bis zum siebten Album weitergesteigert. Oder auch RUNNING WILD und BLIND GUARDIAN. Bei anderen, nimm CHILDREN OF BODOM, waren die ersten beiden Alben geil, und ab dem dritten Album gefielen sie mir nicht mehr.

Ronny: Ich habe diese "Make-It-Or-Break-It"-Regel noch nie verstanden. Die ersten Alben, bestehend aus ausgereiften Songs, die im Proberaum x-fach gespielt wurden, sind aus meiner Sicht oft hervorragend. Und dann kommt man in die Mühlen aus dem Album-Tour-Zyklus. Wir müssen uns mit unseren limitierten Fähigkeiten ein Liveset draufschaufeln und gleichzeitig neue Songs schreiben. Ich glaube dieser, Mythos wurde von Journalisten erfunden und beschreibt eher, dass Musiker sich erst an dieses Tourleben gewöhnen müssen, wenn das zweite Album etwas schwächer wird, und mit dem dritten Album wieder besser. Anders kann ich es mir nicht erklären, denn ich kenne eine Menge Bands, die erst mit dem fünften oder sechsten Album ihren Frühling erleben. Oder unglaublicher Weise auch mit ganz späten Alben.

Bernd: Ich finde oft das Album einer Band am besten, das ich als erstes kennenlerne. Ich komme häufig darüber hinweg und es wird selten von einem späteren Bandalbum als mein liebstes abgelöst. Das mag ein persönliches Phänomen sein.

Ronny: Wir sind ja auch keine Band, die jedes Jahr ein Album rausbringt, das geht bei uns überhaupt nicht. Aber ich muss an dieser Stelle mal LORD VIGO aus Kaiserslautern erwähnen, gute Freunde von uns, die das beinahe schaffen. Sie haben mit Doom angefangen, entwickeln sich immer weiter und werden immer besser.

Kommt, wir machen mal ein paar Kurzfragerunden zu euren Vorlieben: Stichwort Proto-Metal: BLACK SABBATH, DEEP PURPLE, MOTÖRHEAD oder VENOM?

Michi: VENOM.

Ronny: DEEP PURPLE. Eine essenzielle Band, die den Boom mit ausgelöst hat. Damals gab es nichts Härteres. Geiler Schlagzeuger, übrigens.

Bernd: Ich muss passen, da ich mich mit der Zeit nie wirklich auseinander gesetzt habe.

Michi: Sag einfach VENOM. (alle lachen)

Stichwort klassischer Heavy Metal von der Insel: IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST, SAXON oder frühe DEF LEPPARD? Bernd, wird's schon wärmer?

Bernd: lächelt) Nee, wird's noch nicht. Ich bin tatsächlich einer der wenigen Metal-Menschen, der mit IRON MAIDEN nicht viel anfangen kann. Mit SAXON hatte ich mal ein ganz gruseliges Liveerlebnis.

Ronny: Bei mir definitiv SAXON, 'Princess Of The Night', mein absolutes Lieblingslied von ihnen. Biff habe während eines Gigs vorne im Graben sogar schon einmal die Hand geschüttelt. IRON MAIDEN zähle ich nicht dazu, da sie, wie JUDAS PRIEST, im Vergleich zu den anderen NWOBHM-Bands irgendwann der Bewegung zu sehr entwachsen sind. Da könnte man eher noch aus der zweiten Reihe die TYGERS OF PAN TANG und deren Album "Spellbound" oder SATAN nennen.

Michi: Ich hätte früher IRON MAIDEN gesagt. Momentan dank Ronny eher JUDAS PRIEST.

Ronny: Die Biografie von Rob Halford ist auch echt gut. Ich habe zwischen SAXON und PRIEST geschwankt.

Okay. Stichwort Teutonenstahl: Eher die traditionellen Vertreter RUNNING WILD, RAGE, HELLOWEEN und BLIND GUARDIAN oder die Thrash-Keule der Sorte KREATOR, SODOM, DESTRUCTION und TANKARD?

Michi: Das ist schwierig. Boah. Wer ist denn früher schlecht geworden? Dann RUNNING WILD, auch wenn das neue Album zu hundert Prozent nichts taugen wird.

Bernd: Jetzt wird es schon eher meine Zeit. Aus heutiger Sicht ganz klar RAGE. Aber wenn ich es historisch betrachte und wie viele Alben ich kenne, müssten BLIND GUARDIAN den größeren Stellenwert bei mir haben. Von RAGE höre ich mir jedoch heute noch ältere Sachen an. Auch weil sie nicht so sehr in den Fantasy-Bereich abgedriftet sind. Du weißt, was ich meine. (lächelt)

Ronny: Da tue ich mich auch schwer, weil alles, was in den späten Jahren passiert, die Alben davor ein wenig überschattet. Ich würde daher auch RAGE sagen, obwohl Peavy nicht mehr so gut singen kann wie früher. Vor ein paar Jahren hier bei Baden In Blut haben sie einen supergeilen Gig inklusive Moshpit hingelegt. RUNNING WILD sind für mich keine Band mehr, auch wenn Rolf sicher sein bestes gibt und seine Fans hat. HELLOWEEN sind mir zu fröhlich.

Dann lasst uns mal in Richtung Süddeutschland und Ruhrgebiet blicken. Wie sieht es mit der Thrash-Keule der Sorte KREATOR, SODOM, DESTRUCTION und TANKARD aus?

Ronny: Definitiv DESTRUCTION. Mike, der gerade vor kurzem ausgestiegen ist oder rausgeworfen wurde, hat mir immer am besten gefallen. Ich bin mal gespannt, ob Schmier das kompensieren kann. Zu dritt mit Mikes geilem Gitarrenspiel haben sie mir am besten gefallen. Keine Thrash-Band hat diesen Boogie-Anschlag, den man von Mikes Einflüssen wie STATUS QUO heraushört. Auch mit Schmiers Stimme kann ich eine Menge anfangen. Nur die letzten Alben waren mir immer zu modern zu produziert.

Michi: Auf jeden Fall SODOM. Geil und stumpf - was willst du mehr? (lacht) Auch, dass die Musik nicht zu glatt gebügelt ist.

Bernd: Ich schwanke extrem zwischen KREATOR und TANKARD, weil ich beide mit sehr geilen Liveerlebnissen verbinde. Im Sinne der Ernsthaftigkeit würde ich mich dann doch für KREATOR entscheiden.

Wie stehst du zu "Endorama"?

Bernd: Ich fand sie tatsächlich sehr spannend, weil ich keine Probleme mit Weiterentwicklungen von Bands habe.

Ronny: Ich kann mit der Stimme von Mille nix anfangen, weshalb ich mir die "Endorama" gut anhören kann.

Michi: "Endorama" ist geil.

Stichwort Thrash Metal: Was könnt ihr mit METALLICA, SLAYER, MEGADETH und EXODUS anfangen?

Michi: MEGADETH wahrscheinlich. METALLICA bis zum "Black Album" auch sehr geil. MEGADETH sind aber so abwechslungsreich, auch wenn ich die letzten Alben nicht mehr verfolgt habe.

Ronny: Definitiv EXODUS. Für mich ist die "Bonded By Blood" mit die beste Platte, die alles hat, was ein Thrash-Album braucht. Bei 'Piranha' drehe ich live durch. Schade nur, dass sie aktuell so einen Pro-Tools-Safety-Sound haben

Bernd: Ich bin ja einer der wenigen Menschen, die das schwarze Album von METALLICA ziemlich gut finden. Aber ich stimme Michi hinsichtlich der Abwechslung zu, was mir bei MEGADETH sehr gefällt.

Ronny: Mir gefallen von SLAYER die groovigen Songs am besten. 'Reign In Blood' ist mir einfach zu schnell. "South Of Heaven" dagegen hat für mich eine Menge Ohrwürmer. Vielleicht gibt es da draußen ja noch mehr Leute, die das so sehen wie ich? (lacht)

Okay. Blicken wir zum Ende des Interviews mal in die Gegenwart. Wie ist der aktuelle Stand bei OLD MOTHER HELL? Man hört auch Gerüchte, dass sich im Lineup etwas tun könnte.(alle lachen)

Bernd: Was, wer sagt denn sowas? Ja, dafür bin ich der ausschlaggebende Faktor. Ich habe mich nie als Gitarrist gesehen und wollte nicht mehr die Doppelbelastung mit Gesang. Aber mit den immer größer werdenden Gigs von OLD MOTHER HELL und dem zunehmenden Aufwand fürs Gitarrenüben, um das Level erreichen, das ich abliefern möchte, habe ich ein wenig den Spaß verloren. Und wie ich zuvor ja schon sagte, ist für mich der Spaß an der Sache das wichtigste. Daraus ist die Idee geboren in einer Viererbesetzung zu spielen.

Michi: Wir proben derzeit mit jemanden und das funktioniert auch ganz gut.

Ronny: Das kann ich nur bestätigen. Ich habe Bernd auch immer dafür bewundert, da ich schon froh bin, mich nicht zu verspielen, wenn ich meine drei Brocken als Background ins Mikro nöle. Bernd dagegen singt Texte und spielt dazu, was ich überhaupt nicht kann. Und ich kann seinen Schritt auch gut nachvollziehen. Den Namen der neuen Person nennen wir noch nicht, das soll eine kleine Überraschung sein, auch wenn wir ihn schon länger kennen. Für uns ist wichtig, dass wir mit jemanden spielen, der aus dem engeren Kreis kommt.

Bernd: Es muss auch menschlich passen.

Ronny: Genau. Er ist jemand, der Bock hat, Doom gut findet und einfach gut reinpasst. Wir sind zwar ambitioniert und proben regelmäßig, sehen uns dennoch weiterhin als Hobby-Band. Deshalb steht der gemeinsame Spaß im Vordergrund und es ist gut, dass Bernd uns Bescheid gegeben hat. Corona hat uns in gewisser Weise tatsächlich auch ein wenig in die Karten gespielt, da Michi seine Sehnenscheidenentzündung in Ruhe ausheilen konnte. Wir sind ja nicht mehr die Jüngsten. (lacht) Und wir konnten an neuem Material schreiben.

Männers, ich danke euch sehr für den kurzweiligen Plausch. Die berühmten letzten Worte gehören euch.

Michi: Daniel, danke für deine Zeit und die coolen Fragen.

Bernd: Danke dir, es war sehr kurzweilig. Die letzten Worte gehören Ronny, da das Interview thematisch in seiner Welt spielte. (lächelt)

Ronny: Vielen Dank für das ungewöhliche Interview, gerade weil in letzter Zeit bei uns nicht viel los war. Wir bleiben am Ball, uns wird es weitergeben. Wir versuchen für alle, die uns nächstes Jahr live erleben wollen, noch ein Pfund drauf zu legen. Vielleicht auch schon mit einem neuen Song. Alles Gute auch für euer Fanzine und alle, die sich dafür interessieren.

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