Livebericht Symphony X (mit Savage Messiah )

Ein Livebericht von Rockmaster aus München (Backstage) - 15.05.2019 (28474 mal gelesen)
Vier Jahre nach ihrem letzten Album "Underworld" und knapp drei Jahre nach der letzten Tour sind SYMPHONY X mit ihrem umfassenden Gesamtwerk im Gepäck on the road. Da wird schon das ein oder andere Schmankerl dabei sein. Alles dauert heute ein wenig länger, der Einlass beginnt mit fast einer Stunde Verspätung, und die Zugfahrer aus dem Umland spekulieren schon, sie werden die Zugabe verpassen. Als Support engagiert sind heute die britischen Metaller

SAVAGE MESSIAH


imgcenter


Mit kaum bemerkbarem Akzent stellt Bandgründer/Sänger/Gitarrist Dave Silver die Band vor, und schon geht's los mit 'Virtue Signal' vom aktuellen Album "Demons". Es braucht nur wenige Takte, um herauszuhören, dass hier eine Band auf hohem technischen Niveau unterwegs ist. Weiter geht's mit dem überzeugenden Titel 'Heretic In The Modern World', der aber auch den zweiten Eindruck der Band vertieft: Geboten bekommt man hier einen bunten Blumenstrauß aus Stilrichtungen, was sich schon in den Bleeding4Metal-Rezensionen der SAVAGE MESSIAH-Alben wiederspiegelt. Heute höre ich als stärkste Tendenz (eher US als Euro) Power Metal heraus, mit dezenten Ausflügen in den Thrash und True Metal.

imgleftAn den Instrumenten überzeugen David Hruska (Lead-Gitarre), Mira Slama (Bass) und Charly Carretón (Schlagzeug), und auch ein Gast-Keyboarder ist dabei. Das ist aber heute nicht sein Tag, denn die Keyboards sind heute nur kaum sichtbare Dekoration in der hinteren Bühnenecke, und zu hören sind sie nicht ansatzweise. David hingegen fühlt sich am vorderen Bühnenrand wohler als hinter seinem Backing Vocal-Mikrofon, und im Vergleich zum Rest der Band geht Mira ziemlich ab und macht eine gute Show.

imgrightIn Mark und Bein erschüttert bin ich zu dem Zeitpunkt, als Dave dem Publikum gnadenlos die ungeschminkte Wahrheit verkündet - und das trifft mich in etwa so hart und vernichtend, wie es vor einigen Jahrzehnten die Fans schockiert haben muss, den wahren Gesichtern der Bandmitglieder von KISS ins Antlitz zu schauen. Bei der Ankündigung des Titels 'What Dreams May Come' erklärt er unvermittelt: "The heavy metal facade is a great illusion, I'm a very sentimental indiviual." Was? Wir sind nicht ALLE böse? MARILYN MANSON womöglich ein total lieber Kerl? Mein Weltbild ist zerstört! Na ja, Spaß beiseite, den Titel widmet er seiner zweijährigen Tochter, und die hat sich sicher drüber gefreut.

Der Stil-Mix wird durch das CHRIS STAPLETON-Cover 'Parachute' noch ergänzt um Country And Western Heavy Metal. Schlecht ist der Titel nicht, aber so richtig zünden mag er auch nicht. Zwar haben die Jungs den Titel schon in eine Metal-Nummer verwandelt, die hängt den selbst komponierten Titeln in Sachen Power und Tempo aber weit hinterher. Auch sonst fällt ein bisschen auf, dass trotz aller Qualität der Funke nicht so recht überspringen mag, und dass das Publikum nicht richtig in Fahrt kommt. Da ist ständig eine gefühlte Distanz. Wenn Sänger Dave das Publikum animiert, gibt es wohlwollende Reaktionen, aber die große Masse macht nicht oder nur verhalten mit. Beim etwas härteren Titel 'The Fateful Dark' kurz vor Schluss des Auftritts lässt Dave das auch mal raus mit den Worten, "Das ist scheiße, meine Freunde", und wenn's schon mal nicht läuft, damit überzeugt man das Münchner Publikum bestimmt. Immerhin gibt es nach der Show durchaus unterschiedliche Reaktionen. Einerseits bestätigt ein Freund meinen Eindruck, auf der anderen Seite bekundet ein Zuschauer, er habe die Band zwar schon vorher gekannt, aber jetzt sei er ihr Fan.

SYMPHONY X


imgcenter


Ei, nach meinem letzten SYMPHONY X Konzert auf der "Iconoclast"-Tour bin ich echt gespannt, welches Programm die Progressive Metaller für uns zusammengeschnürt haben. Das letzte Album "Underworld" liegt etwa vier Jahre zurück und wurde auch schon ausreichend betourt. Es ist zu erwarten, dass dieses Mal nicht vorwiegend das Album vorgestellt wird, das ja sicher fast alle schon kennen, sondern ein Querschnitt des Schaffens aus über zwei Dekaden.

imgleftZuerst gesichtet werden Michael Romeo & Co. auf dem Freigang über dem Publikumssaal, der als Verbindung zwischen Bühne und Backstage-Bereich dient, und schon gibt es den ersten lauten Jubel. Los geht es dann, während die Band noch oben wartet, mit einem Intro vom Band, bevor die Band dann auftritt und 'Iconoclast' mit seinem langen Intro voller eingemischter Chöre und Bombast-Effekte anstimmt, das es Sänger Russell Allen erlaubt, sich ein wenig Zeit zu lassen, bis er auf der Bühne erscheint. In schnellen Schritten sprintet der schließlich hinter sein Mikrofon - und ich bin erst einmal überrascht: Mit Sonnenbrille und zusammengebundenen Haaren und einem ganz anderen Auftreten als bei der Tour zum eher düsteren Album "Iconoclast" könnte man fast glauben, hier hätte Bono den Vocal-Part übernommen. Lediglich Russells unverkennbare Stimme zerstreut alle Zweifel.

Der Sound ist heute nicht ganz perfekt, so übertönt Michael Romeos Gitarre die geniale Keyboardarbeit von Michael Pinnella weitestgehend. Mit 'Evolution (The Grand Design)' geht es in alte Zeiten zurück, verglichen mit den teils sehr verschwurbelten Kunstwerken aus der "Frühzeit" der Band ist der Titel erstaunlich hart. Ansonsten werden nicht viele, aber hauptsächlich Titel der letzten drei Alben gespielt, von denen "Paradise Lost" immerhin auch schon zwölf Jahre auf dem Buckel hat. 'Serpent's Kiss' und 'Domination' kommen klasse rüber. Muss man eigentlich noch was zu imgrightJason Rullo am Schlagzeug und Mike LePond am Bass sagen? Blasmichweg! Die kongeniale Rhythmusarbeit der beiden treibt die anderen permanent an, und es macht irre Spaß, ihnen zuzuschauen. Natürlich geht bei SYMPHONY X nichts ohne Mastermind und Gitarrenvirtuose Michael Romeo, der sich um Leib und Leben fiedelt, rifft und tappt. Was ich ein wenig vermisse, weil es beim Konzert 2011 echt eine Schau war, ist die Gruppe beinharter Fans vor seiner Ecke der Bühne, die ihm immer wieder mit tiefen Verneigungen huldigte.

imgcenter
Ein bewegender Moment ist, als Russell vor dem Titel 'Without You' davon berichtet, wie er Freunde bei einem Unfall mit dem Tourbus verloren hatte, woraufhin er von tiefen Selbstzweifeln geplagt wurde. Um so mehr, sagt er, freut er sich über diesen Moment, hier und jetzt, auf der Bühne. Vielleicht ist das ja einer der Gründe, warum sei Auftritt so anders wirkt als vor acht Jahren - aber seine Bühnenpräsenz ist nach wie überwältigend, und mit seiner variablen Stimme verleiht er gleichermaßen den melodiösen und den härteren Passagen der Titel Ausdruck.

Nach 'Run With The Devil' kommt dann mit 'Sea Of Lies' endlich auch ein Titel vom frühen Meisterwerk "The Divine Wings Of Tragedy", bevor dann mit 'Set The World On Fire' erst einmal Schluss ist. Nur neun Songs auf der regulären Setlist sei kurz, könnte man mäkeln, aber immerhin haben sie damit schon über eine Stunde Auftritt absolviert. Die Band verlässt unter Klatschen und Zugabe-Rufen die Bühne und lässt sich danach einige Minuten bitten, während derer der Applaus nie abreißt.

Erst als Russell Allen wieder am Mikrofon steht und die über zwanzig Jahre Bandgeschichte rekapituliert - woraufhin ihm ein "You are fucking old" aus dem Publikum entgegenschallt (was er charmant locker retourniert) - ist erst einmal wieder Ruhe. Während der Ansage wird irgendwann klar, es wird vermutlich nur eine Zugabe geben. Enttäuschend? Nein, denn diese ist das fast halbstündige Werk 'The Odyssey', das "Magnus Opus" der Band vom gleichnamigen Album. Hier bekommt Michael Pinnella, der wie auch Mike LePond leicht ergraut ist, deutlich prominentere Keyboard-Parts. Auch wenn ich persönlich eher Anhänger der düstereren Alben "Paradise Lost" und "Iconoclast" bin - für Werke wie 'The Odyssey' werden SYMPHONY X von ihren Fans geliebt bis vergöttert. Während einer Pause im letzten Teil des Titels stellt Russell noch einmal Michael Romeo vor, der sich beinahe schüchtern ziert, seinen überbordenden Applaus zu genießen. "Enjoy this, Michael, enjoy this", fordert Russell ihn auf. Michaels Vergnügen, ist klar, ist es, uns mit seinen sechs Saiten zu unterhalten. Es kommen noch einige humoristische Kommentare, bevor es musikalisch weitergeht und das Publikum die Textzeile "I have returned to make my dream" mit einem zu frühen "come true" komplett vergeigt. Um das ganze zu toppen, geht's kurz darauf auch im zweiten Versuch beim Zusammenspiel zwischen Russell und Michael schief. "Epic fail" bekundet Russell lachend, das Publikum ist bestens amüsiert. Mit dem finalen Akkord geht ein grandioser Auftritt zu Ende, und die Band verlässt ein zweites mal unter anhaltendem Beifall die Bühne.

Mehr Fotos in der Galerie


Setlists


SAVAGE MESSIAH


Virtue Signal
Heretic In The Modern World
The Bitter Truth
The Lights Are Going Out
Under No Illusions
What Dreams May Come
Parachute
The Fateful Dark
Down And Out

SYMPHONY X


Iconoclast
Evolution (The Grand Design)
Serpent's Kiss
Nevermore
Without You
Domination
Run With The Devil
Sea Of Lies
Set The World On Fire
Encore:
The Odyssey
Location Details
Backstage in München (Deutschland)
Website:https://www.backstage.info/
Adresse:Reitknechtstr. 6 (ehemals Wilhelm-Hale-Str. 38)
80639 München
Anfahrt:Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln:
1. Das neue Backstage findet Ihr direkt an der Friedenheimer Brücke (Reitknechtstraße 6, ehemals Wilhelm-Hale-Straße 38), nähe Hirschgarten.
2. Trambahnen 16/17 beziehungsweise Nachtlinie N17 bis Steubenplatz
3. Trambahnen 18/19 beziehungsweise Nachtlinie N19 bis zur Elsenheimer Straße
4. Bus 183 (U1/7 Rotkreuzplatz - Steubenplatz)

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten