Interview mit Gitarrist Sad Sir und Bassist Rainier Sicone di Hampez von End Of Green

Ein Interview von Stormrider vom 08.04.2012 (22033 mal gelesen)
END OF GREEN feiern ihr 20-jähriges Bestehen in 2012 mit einer ausgedehnten Jubiläumstour. Vor dem Konzert am 16.03. im Colos-Saal in Aschaffenburg (Hier geht's zum Livereview) standen uns Bassist Rainier Sicone di Hampez und Gitarrist Sad Sir für ein ausführliches Interview zur Verfügung. Neben interessanten Rückblicken und Ausblicken, gaben sie auch Einblicke in das Bandleben und das Thema Professionalität und Schonille.

imgcenter

Hallo ihr Zwei! Euer letztes Album "High Hopes In Low Places" wurde ja bereits 2010 veröffentlicht, Ihr stellt also auf dieser Konzertreise keinen neuen Rundling vor, sondern feiert das 20-jährige Bandjubiläum. Die Tour steht unter dem Motto "20 Years Of Selfdestruction", und ihr habt angekündigt, hierfür spezielle Sets zu spielen. Auf welcher Basis habt Ihr die Songs ausgewählt?

Sad Sir: Hier gehen wir einmal quer durch unsere 20 Jahre. Wir haben dabei neben den Fans auch ein wenig an uns gedacht, also spielen wir auch Stücke, die wir schon lange nicht mehr gespielt haben, Fanwünsche die uns gegenüber immer mal wieder geäußert wurden und Songs, die uns vielleicht auch ein wenig selbst überraschen. Ich denke, da haben wir einen sehr guten Kompromiss gefunden.

Wie viele Songs spielt ihr im Schnitt?

Rainier Sicone di Hampez: 30, 31, 32 - in Summe so um die drei Stunden.

Sad Sir: In Berlin haben wir nur zwei Stunden gespielt, was aber nicht an uns, sondern am Veranstalter gelegen hat, der nach uns noch ein Konzert gebucht hatte und wir konnten ja nicht um 17 Uhr anfangen. So waren es dort "nur" zwei Stunden.

Zwei Stunden ist ja immernoch eine stattliche Spielzeit, wo heutzutage viele Bands kaum noch 90 Minuten schaffen. Habt ihr denn irgendwelche Gimmicks, die Ihr in die Konzerte einbaut? Drei Stunden wollen ja auch showtechnisch gefüllt sein.

Rainier Sicone di Hampez: Songs haben wir.

Sad Sir: Ja, das hat sich die letzten 20 Jahre bei uns so ergeben, dass wir Songs spielen, und das hat sich auch ganz gut bewährt. Unsere Gimmicks sind ... Songs (allgemeines Lachen). Nein, es wird keine Explosionen geben und kein Monster über die Bühne laufen oder ähnliches.

Rainier Sicone di Hampez: Die letzten paar Lieder sind ein Akustik-Set, das ist quasi das Gimmick. Dann können wir alle zusammen wieder ein wenig runterkommen.

Ihr seid ja nicht nur für die Jubiläumstour, sondern allgemein viel unterwegs. Wie reist Ihr denn mittlerweile durch die Republik? Im Van oder in einem Tourbus?

Sad Sir: Wir fahren in einem Van. Mercedes Sprinter mit Anhänger und damit geht es ab auf die Autobahnen.

Ab auf die Autobahn ist ein gutes Stichwort. Ihr spielt ja regelmäßig in ganz Deutschland. Da verbringt man schon mal ein paar Stunden auf der Piste. Wie vertreibt Ihr Euch die Zeit auf den langen Fahrten?

Rainier Sicone di Hampez: Puuuuuuuuh...

Sad Sir: Was auf der Straße passiert, bleibt auf der Straße (allgemeines Lachen)

Rainier Sicone di Hampez: Bücher lesen, uns weiterbilden!!

Sad Sir: Ja, Du kannst Dir uns wie einen Bücherclub vorstellen. Es gibt eine Bücherliste, die wir alle lesen müssen, und dann reden und diskutieren wir darüber.

Rainier Sicone di Hampez: Wir müssen auch jeder ein Referat über ein Kapitel halten.

END OF GREEN sind also in Wirklichkeit eine mehr weiterbildende Maßnahme als eine Band?

Rainier Sicone di Hampez: Ja, von der Arbeitsagentur gefördert, sind wir quasi eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Nein, im Ernst, Mucke hören, Playstation spielen, Filme gucken - zumindest wenn der ganze High-Tech-Kram mal funktioniert. Und ansonsten... langweilen wir uns.

Sad Sir: Schiffe versenken auf dem iphone!!

Das iphone hat folglich die Fahrten in den letzten Jahren verbessert?

Sad Sir: Verbessert? Naja, sagen wir verändert. Außerdem machen wir noch viele Pausen. Tankstellen gucken. Wir könnten nebenbei auch für den ADAC Raststättentester sein, denn es gibt wohl auch kaum eine Autobahn in Deutschland, die wir noch nicht befahren haben.

Rainier Sicone di Hampez: Wir kennen da mittlerweile unsere Pappenheimer und wissen schon, wo wir anhalten oder doch lieber noch eine Raststätte weiter fahren.

Gibt es neben den Raststätten, die Ihr alle im Gedächtnis gespeichert habt, auch einen Gig, der Euch in 20 Jahren besonders im Kopf geblieben ist? Sowohl positiver, als auch negativer Natur.

Rainier Sicone di Hampez: Auch wenn es eigentlich komplett bescheuert ist, dass man sich immer zuerst an einen schlechten Gig erinnert. Aber der Schlechteste dürfte damals in Augen, direkt an der Schweizer Grenze, in der Nähe von Freiburg gewesen sein. Der war richtig beschissen!

(Sad Sir bestätigt diesen Gig ebenfalls kopfnickend) Was hat ausgerechnet diesen denn zum Schlechtesten in 20 Jahren gemacht, so dass Ihr Euch da so einig seid?

Sad Sir: Das fragen wir uns heute noch, was es genau war. Aber es war definitiv im Glas was Falsches drin.

Rainier Sicone di Hampez: Es begann schon mit totalem Backstage-Chaos. Alles offen und ziemlich seltsam. Dann wurde während unseres Auftrittes Geldbeutel und Handy vom Sad Sir geklaut.

Sad Sir: Ja, und es wurde wirklich etwas in das Glas von einem von uns gemischt. Die Wirkung... solche Drogen kauft man sich normalerweise absichtlich und sollte sie nicht vor dem Auftritt nehmen. Der Gig war einfach irgendwie beschissen durch und durch. Und das schönste Konzert war... (überlegt)

Rainier Sicone di Hampez: Für mich war das emotionalste unser SICKFEST. Hier haben wir ein Open-Air Festival zu unserer "The Sicks Sense"-Platte veranstaltet. Das war für mich ein absoluter emotionaler Höhepunkt bisher. Wir hatten vorher viele Probleme und das war für uns wie ein Neustart und total überwältigend. Ich bin unter Tränen von der Bühne. Das hört sich jetzt zwar ein bisschen doof an, aber das war einfach hochemotional. Wenn ich daran denke, bekomme ich sofort wieder Gänsehaut.

Schön, dass es auch einen guten Gig gibt, an den Ihr Euch gerne erinnert.

Rainier Sicone di Hampez: Ja nee, da gibt es ganz viele. Also eigentlich sind ja alle gut, deswegen ist es schwer, sich da festzulegen.

Sad Sir: Es gibt wirklich wahnsinnig viele Konzerte bei denen wir im Anschluss zusammensitzen und sagen "Boah, das war geil!!". Deswegen ist es auch leichter für uns, das Beschissenste rauszupicken, denn das eine war so schlecht, das wird vermutlich nicht mehr unterboten. Da sind wir uns relativ sicher. Für mich war es aber etwas Besonderes, als meine Eltern zum ersten Mal auf einem Konzert von uns waren. Das war übrigens erst vor zwei Jahren. Vorher hat es irgendwie nicht geklappt. Wir haben dann mal einen "Elternabend" gemacht, bei dem fast alle Eltern von uns anwesend waren und zu einem Club gekommen sind. Das war ganz witzig, weil man sich dann plötzlich doch etwas anders auf der Bühne verhält - "Oh, meine Mutter ist da!".( allgemeines Schmunzeln und Grinsen).

Rainier Sicone di Hampez: Wenn ich so darüber nachdenke, dann sind wirklich fast alle schön. Einfach mit den Leuten rumzuhängen, zu spielen usw.. Wir sind sowieso nicht so die Band die sich gegenseitig zusammenscheißt, wenn mal einer einen Fehler macht. Es passiert sowieso immer irgendwas. Fehler oder Blackout - egal, das ist einfach so und es macht uns generell einfach immer Spaß, auf der Bühne zu stehen.

Wo würdet Ihr denn dann gerne noch einmal spielen?

Sad Sir: Ach, eigentlich an jeder Steckdose, an der man uns lässt.

Rainier Sicone di Hampez: Rock am Ring oder bei Rock im Park. Das wäre wirklich nochmal so ein Traum von mir.

Wie sieht es denn bei Euch mit der Aufregung vor einem Gig aus. Ist das unterschiedlich je nach Größe des Gigs, wenn ich jetzt mal das Summer Breeze und einen kleinen Club wie den Colos-Saal heute Abend hier in Aschaffenburg vergleichen würde? Und sieht das Warm-Up dabei immer gleich aus?

Sad Sir: Also bei mir ist es so, dass ich manchmal in einem kleinen Laden wirklich nervöser bin. Bei so einem großen Festival sieht man eh nicht, wo es anfängt oder aufhört und ob die sich wirklich alle für uns interessieren. In so einem kleinen Laden ist das was anderes. Die kommen wegen uns und gucken alle zur Bühne. Da bin ich am Anfang wirklich nervöser, als auf einem riesigem Festival, was einfach viel anonymer ist und sich erst nach einer Weile herauskristallisiert, wer sich überhaupt für uns interessiert. Dazu hat sich herausgestellt, dass ein Festival häufig einfach ein willkommener Grund ist, um sich zum Bier trinken an der frischen Luft zu treffen, bei der dann eben auch manchmal egal ist, was für eine Band spielt. Aus diesem Grund gefällt mir ein Club auch besser. Da denke ich dann schon mal, "oh, die sind echt wegen uns da". Dass die Fans auch da Bier trinken, ist natürlich vollkommen klar, aber da bin ich schon etwas nervöser, wenn alle Leute wegen uns gekommen sind.

Und was macht Dir/Euch vor einem Gig am meisten, ich nenne es mal, "Angst"? Technische Probleme, totaler Verzocker, akutes Vergessen wie der Songstruktur?

Sad Sir: Auf dem Summer Breeze habe ich mal mit offenem Hosenladen gespielt und habe es leider erst nach dem Konzert gemerkt.

Rainier Sicone di Hampez: Das würde mir auch Angst machen ( allgemeines Gelächter) Nein, also Dinge passieren einfach. Wir haben eine tolle Crew und da hat immer jemand die Lösung auf der Bühne parat. Letztens fiel mein Sender aus, das hat etwas länger gedauert, da habe ich einen kompletten Song nicht mitgespielt, weil sich unsere technischen Gerätschaften eben auch mal eine Auszeit genommen haben. Aber das passiert, und ich habe da auch nicht den Anspruch, dass immer alles absolut perfekt sein muss. Dafür ist es live.

Sad Sir: Auf der Tour mit SUBWAY TO SALLY damals sind mir an einem Abend drei Mal Saiten gerissen. Da denkst man dann irgendwann "na gut, ist eben so, was soll jetzt noch passieren?". Zum Glück ist immer die Crew da, die uns hilft. Das ist gut zu wissen und nimmt einfach eine Menge der Nervosität bereits weg.

Rainier Sicone di Hampez: Wobei, einmal, da war ich doch etwas mehr aufgeregt. Das war, als wir bei dem Biker-Club gespielt haben. Wir haben da eigentlich nur gespielt, weil dort sonst keiner auftreten wollte.

Sad Sir: Oh ja stimmt. Das war etwas seltsam. Das war so eine Art Homecoming-Party für einen, der aus dem Knast wieder zurückkam. Die saßen also einfach so da rum und wir standen vor ihnen und haben halt gespielt. Das war irgendwie richtig furchtbar, das Konzert.

Rainier Sicone di Hampez: Als der erste dann sagte (nuschelnd) "hmm, hier, dass ist mir viel zu laut, können wir das mal leiser machen", da waren wir dann auch schnell wieder weg.

Werfen wir mal ein bisschen einen Blick zurück zu Euren Anfängen. Zu Beginn ist man ja doch meist eher etwas hobbymäßig unterwegs und für Euer erstes Album habt Ihr von 1992 bis 1996 gebraucht. Was würdet Ihr sagen, ab wann wurdet Ihr etwas professioneller?

Sad Sir: Wir hoffen, ab nächster Woche (lacht)

Rainier Sicone di Hampez: Also ich würde sagen so 2008 oder 2009.

Das ist ja nun noch gar nicht so lange her.

Sad Sir: Nein. Aber ich denke wirklich, dass wir erst zu Zeiten von "The Sicks Sense" versucht haben, etwas "professioneller" zu werden. Professionell sind wir deswegen aber noch lange nicht. Wir haben auch keine Ahnung, wie das genau geht, aber immerhin sind wir ein wenig organisierter geworden seitdem.

Rainier Sicone di Hampez: Es ist eigentlich unbegreiflich, aber wir haben unsere Anfangsjahre komplett ohne Stimmgeräte gespielt. Aber die Stimmung war trotzdem gut! (allgemeines Lachen).

Sad Sir: Eine unserer großen technischen Neuerungen war, dass wirklich jeder irgendwann ein Stimmgerät hatte. Aber ich glaube, dass dies auch immer ein wenig von unserem Charme ausgemacht hat, dass wir so eine Art unorganisiertes Überrollkommando waren, und am Schluss war es aber eben dann doch irgendwie immer gut. Als andere Bands schon alles schick in Kisten verstaut haben, sind wir zum Kofferraum gegangen und haben unsere Kabel dort einfach rausgezogen. Wir hatten jahrelang keine Kabelkiste.

Rainier Sicone di Hampez: Irgendwann hatten wir dann so eine gelbe Kiste von der Post, wo wir die Kabel drin transportiert haben, wir haben also immer nur kleine Schritte in Richtung Professionalität gemacht. Ich glaube aber, dass uns das über die Jahre gesehen wirklich gut getan hat. Denn so schätzen wir das heute alles viel mehr. Auch, dass wir heute eine echte Crew haben, Gitarrentechniker und so, das haben wir alles noch nicht sonderlich lange. Das ist ganz toller Luxus und dafür bin ich echt dankbar. Wir haben uns das alles eher langsam erarbeitet, aber ich kenne auch genügend Bands, die 1995 oder 1996 schon mit Cases, Racks und extra Anhänger getourt sind und meinten, dass jetzt bald der große Durchbruch kommt. Naja und zwei Jahre später... da kam mit dieser Copy-Music die sie gemacht haben halt doch nichts. Die hatten alle tolles Equipment, aber irgendwie war das Herz nicht richtig dabei. Wir haben es halt anders rum gemacht.

Sad Sir: Wir hatten wahnsinnig viel Herz, beschissenes Equipment und ... ja ... Seele.

Vorhin hatten wir ja schon darüber gesprochen, wo die Highlights und Downer der Konzerte waren. Was war denn in dieser ganzen Zeit für Euch so der beste oder herausragendste Moment in Eurer bisherigen Karriere? Oder vielleicht auch der Schlimmste?

Sad Sir: (etwas nachdenklich) Der beste Moment war der, als der Schlimmste überwunden war.

Und der Schlimmste war?

Sad Sir: Wir standen schon mal kurz vor der Auflösung, also kurz vor dem Ende. Eigentlich waren wir schon am Ende und dann haben wir da aber wieder zu unserer Stärke zurückgefunden. Die so einfach klingende Tatsache, dass wir fünf Freunde sind und vor allem, dass man das nicht aus den Augen verlieren darf, hat uns da schließlich vor dem Ende bewahrt. Und so haben wir uns aus dem beschissensten Moment wieder gerettet und sind nahtlos in den geilsten Moment reingerutscht.

Rainier Sicone di Hampez: Da haben wir gemerkt, dass wir uns nicht wegen der Musik treffen, sondern wegen uns - weil wir wirklich Freunde sind.

Damit habt Ihr mir schon ein wenig vorweggegriffen, das wäre meine nächste Frage gewesen. Es gab in der Bandgeschichte nur zu Beginn ein paar Besetzungswechsel und seitdem Ihr Fünf Euch zusammengefunden habt, keine mehr. Verbringt Ihr denn außerhalb der Touren und Konzertreisen noch so viel Zeit miteinander wie früher?

Sad Sir: Ich glaube, das ist unsere Stärke, auch wenn sich Stärke da jetzt irgendwie doof anhört, aber wir sind kein Zweckverband, der sich zum reinen Musik- oder Karrieremachen trifft. Wir hängen halt zusammen ab und haben unsere Instrumente dabei. Also wir treffen uns nicht zur Karriereoptimierung, sondern machen mit Freunden Musik und wissen, was wir daran haben. Mal ist man dabei präsenter, mal etwas weniger, wie das bei Freunden eben so ist, aber am Ende muss Freundschaft immer die Basis sein. Wäre das nicht unsere Basis, dann hätten wir vermutlich geendet wie all die anderen Bands, die sich treffen um innerhalb von fünf Jahren Karriere zu machen und wenn das nicht funktioniert, dann ist die Band weg und dann ist alles weg und man hat nichts mehr miteinander zu tun.

Du greifst mir schon wieder etwas vor, wenn Du hier die Freundschaft als eines der wichtigsten Merkmale der Band beschreibst, das sollte doch erst die nächste Frage werden.

Rainier Sicone di Hampez: (ruft rein) Dann deck Deine Fragen besser ab!! (allgemeines Lachen)

Lass mich die Frage dennoch formulieren. Sad Sir, Du hast 2002 mal in einem Interview gesagt, dass Ihr Euch von allen anderen Rockbands des Planeten dadurch unterscheidet, dass keiner von Euch ein Tattoo hat. Sieht man sich die neuen Promopics an, dann ist das ja aktuell nicht mehr der Fall. Wo siehst Du denn heute das Alleinstellungsmerkmal von END OF GREEN?

Sad Sir: Wow?? Ja, das waren wir in der Tat wirklich lange. Ich glaube auch bis zur "The Sicks Sense". Das Album hat bei uns wirklich alles gedreht. Aber es sind natürlich nicht solche Äußerlichkeiten die uns Alleinstellungsmerkmal auszeichnen. Ich glaube, dass wir einfach wahnsinnig viel Seele haben.

Dass Ihr viel Seele habt, beweist Ihr regelmäßig nach den Gigs, denn Ihr seid ja eine sehr fannahe und fanfreundliche Band, die knapp 20 Minuten nach dem Konzert regelmäßig am Merchandising-Stand aufschlägt und zwar nicht einer, sondern alle. Ihr gebt Autogramme, sucht den Dialog mit den Fans und seid damit absolut authentisch, greifbar und symphatisch geblieben. Wie wichtig ist Euch dieser Kontakt zu den Fans nach 20 Jahren heute noch?

Rainier Sicone di Hampez: Sehr wichtig!! Immernoch sehr wichtig. Ich persönlich brauche kurz etwas Abstand, gerade wenn wir wie jetzt drei Stunden spielen, aber nur über Facebook eine Rückmeldung oder Feedback zu bekommen ist nicht das Gleiche. Ich habe lieber den direkten Kontakt zu den Leuten und die Rückmeldung wie das Konzert war.

Sad Sir: Es ist einfach wahnsinnig interessant zu sehen, was das für Leute sind, die auf unsere Konzerte gehen. Außerdem ist unten meist viel mehr los und es sind viel mehr Leute da als Backstage bei uns. Deswegen hängen wir dann da lieber ab wo noch etwas geht, nachdem wir uns kurz ein wenig gesammelt haben und wieder etwas runtergekommen sind. Wenn jemand Fragen an uns hat, ein Foto will oder irgendwo ein Autogramm drauf haben möchte - na klar, super, da interessieren sich Leute für uns - das ist doch toll. Ich finde, das sollte eher normal sein. Ich glaube, ich hätte mich bei vielen meiner Lieblingsbands echt gefreut, wenn ich da mal eine Frage hätte loswerden können.

Rainier Sicone di Hampez: Ich überleg jetzt grad die ganze Zeit und finde jetzt keine richtig vernünftige Begründung für mich, aber ich habe halt einfach Bock drauf nach dem Gig mit den Fans zu reden.

Finde ich persönlich übrigens eine grandiose Begründung und diese Fannähe sollte viel häufiger zu finden sein.

Rainier Sicone di Hampez: Klar gabs auch schon Zeiten, da hatte ich keinen Bock, aber da nehme ich mir dann auch die Freiheit eben nicht zu gehen. Aber meistens gehe ich schon und man erfährt auch immer was. Da kommen Leute aus Mailand, um uns zu sehen. Unglaublich. Da wir fast jedes Jahr in den selben Clubs spielen, trifft man auch immer wieder die gleichen Leute. Da redet man dann einmal im Jahr mit der Person und denkt trotzdem, dass man sich schon ewig kennt. Man verbindet dann teilweise sogar einen Club schon mit der ein oder anderen Person. Etwas schwieriger wird es da auf Festivals, wenn man das Gesicht kennt, aber es keinem Club zuordnen kann. Aber wenn wir in Stadt X spielen und wissen, es kommen die, die und die. Dann ist das auch irgendwie wie "heimkommen".

Nach dem Blick zurück, geht es nun ein wenig in die Gegenwart. Ihr habt kürzlich auf Eurer Homepage bekanntgegeben, dass Ihr vom Silverdust zu Napalm Records gewechselt seid. Wie kam es zu dem Labelwechsel? Was waren die Hintergründe?

Sad Sir: Also hier muss ich sagen, dass wir SIlverdust nicht richtig verlassen haben, sondern dass sie auf uns zugekommen sind und uns gesagt haben, dass sie das Label schließen werden. Da kam dann die Frage auf "was machen wir denn eigentlich mit euch?". Unsere Beziehung ist ja in dieser Hinsicht absolut freundschaftlich. Es war in der Vergangenheit nie so, dass man dachte, dass man jetzt bei seinem Labelboss anruft, sondern es war immer ein sehr freundschaftliches Miteinander. Die Reaktionen waren aber schon so "was, ihr verlasst Silverdust?!", nein, wir wären da nie gegangen und sie haben dann auch den Vorschlag gemacht, dass wir zusammen ein neues Label für uns suchen. Silverdust war immer mehr eine Art Freundesaußenstelle für uns.

Rainier Sicone di Hampez: Der Abend, an dem sie uns mitgeteilt haben, dass sie das Label auflösen werden, war total emotional und gefühlsmäßig fühlt es sich für mich auch nicht so an, dass wir Silverdust verlassen haben. Wir haben zwar jetzt ein neues Label, was uns bestimmt an manchen Stellen auch gut tun wird, aber das Verhältnis zu Achim und Michael ist so gut, dass sie uns auch weiterhin beratend zur Seite stehen, weil sie in dem Business einfach wahnsinnig viel Erfahrung haben. Zumindest viel mehr Erfahrung als wir.

Der Labelwechsel ist ja nun ein sehr aktueller Punkt gewesen. Was können wir in den nächsten Monaten von Euch erwarten, also außer der weiteren Geburtstagsgigs? Immerhin eignen sich Jubiläen ja auch immer gut um eine Werkschau zuzusammenzustellen. Wie sieht es diesbezüglich mit einer DVD aus? Die langen Konzerte eignen sich doch eigentlich hervorragend, um viel Material mitzuschneiden und da etwas Schönes zu gestalten.

Sad Sir: Ach guck mer mal. Nein, wirklich geplant haben wir aktuell nichts. Was wir jetzt machen wollen, ist, auf den Konzerten einfach mit den Leuten ein wenig feiern, da es für uns einfach unglaublich ist, dass und vor allem wie wir 20 Jahre überlebt haben. Das ist für uns der wirkliche Grund zu feiern und steht damit auch absolut an erster Stelle. Naja und dann mal gucken was noch kommt, vielleicht nehmen wir ja doch noch mal was auf.

Neben bzw. nach der ganzen Feierei in 2012 wäre es ja dann eigentlich auch schon wieder Zeit für ein neues Studio-Album, immerhin sind nächstes Jahr auch schon wieder mehr als zwei Jahre seit dem letzten Output vergangen. Wann kommt das neue Album? Wie weit seid Ihr mit den Recordings?

Rainier Sicone di Hampez: Recordings? Nein, also da haben wir noch gar nichts gemacht. Was man allerdings sagen kann, ist, dass es in 2013 eine neue Veröffentlichung geben wird. Das ist aktuell so der einzige Plan den wir haben. Vielleicht machen wir dieses Jahr noch was Überraschendes, vielleicht haben wir noch was in der Hinterhand (schmunzelt vielsagend und Sad Sir lacht), aber außer ein paar Homerecordings mit Ideen, die wir hin und hergeschickt haben, ist nichts aufgenommen. Das machen wir erst nach der Tour, wenn wir wieder Zeit haben.

Wenn Ihr dann Zeit habt, und Euch Gedanken über das neue Album macht, macht Ihr Euch auch Gedanken um die Charts? Die letzten drei Alben sind alle gechartet. Ihr seid ihr mit "Dead End Dreaming" auf Platz 99, mit "The Sicks Sense" auf Platz 21 und mit "High Hopes In Low Places" sogar auf Platz 17 eingestiegen. Was versprecht Ihr Euch diesbezüglich vom neuen Album?

Sad Sir: Nichts!

Rainier Sicone di Hampez: Nichts!

Sad Sir: Das ist kein echtes Thema. Es ist sowas Nettes, über das man sich natürlich freut, weil es nicht alltäglich ist, aber die Charts haben ja noch nie was über gute Musik ausgesagt. Es ist ... nett... Und natürlich schön, dass man sich ein Poster an die Wand pinnen kann, aber es hat sich ansonsten nicht wirklich was geändert. Meinen Müll muss ich immernoch rausbringen (grinst).

Aber baut es nicht unterschwellig doch ein wenig Druck auf, denn Platz 17 ist ja eine durchaus nennenswerte Platzierung, so dass ihr das Gefühl habt, dass ihr etwas mindestens Gleichwertiges parat haben, oder erreichen müsst?

Rainier Sicone di Hampez: Nein, denn das ist so eine schwammige Geschichte mit den Charts. Ich steig da ja bis heute nicht durch, wie das ganze System wirklich funktioniert. Von daher fühlen wir uns an der Stelle recht druckfrei. Was ich so toll daran fand und mich sehr gefreut hat, war, dass Leute wirklich auf das Album gewartet haben, denn das meiste waren Vorbestellungen und das hat uns gezeigt, dass wir doch viele Fans haben, die darauf warten, dass ein neues Album rauskommt - und das ist eine tolle Anerkennung. Aber das mache ich nicht an den Charts fest, sondern es ist mehr so ein "Wow, die Leute haben da wirklich drauf gewartet!", das macht mich viel mehr Stolz als die reine Chartplatzierung.

Können denn die Fans, die wirklich auf die neue Platte warten, wieder mit einem hochwertigem Package rechnen? "High Hopes..." hatte eine zweite CD mit zehn neu aufgenommenen Versionen von Songs, die zwischen 1996 und 2006 erschienen sind, "The Sicks Sense" kam davor mit einer zusätzlichen Akustik-EP auf den Markt. Ihr habt die Messlatte also bereits recht hoch gesetzt und der gemeine Fan erwartet natürlich nun wieder Value for Money!

Sad Sir: Wir haben da noch nichts geplant, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir eine Platte machen, die nur als normale CD rauskommt. Das ist nicht unsere Art und ich selber als leidenschaftlicher Plattenkäufer freue mich auch immer über Editionen, die liebevoll aufgemacht sind, und bei denen man wirklich etwas Wertiges in den Händen hält. Für die Leute, die sich tatsächlich die Erstauflage wollen, finde ich es auch vollkommen ok, wenn da eine Art "kleine Belohnung" dabei ist, weil die sich tatsächlich für die Musik interessieren und auch darauf gewartet haben. Es wäre aus meiner Sicht fast schon grob fahrlässig zu sagen: "hier ist Deine CD, gib mir Dein Geld und hau ab". Dann lieber andersrum, CD hinknallen und sagen "da, guck mal!!" Eine schöne, wertige Box stellt man sich doch auch gerne in die Sammlung, wenn sich das Gesamtprodukt einfach toll anfühlt, aussieht und natürlich anhört. Denn die tollste Box macht natürlich keinen Sinn, wenn die Musik beschissen ist.

Rainier Sicone di Hampez: Ich glaube, man schätzt so eine Box oder CD auch viel mehr, als wenn man sich die Musik nur bei itunes runterlädt und auf einen Rohling brennt. Die Leute die das auch schätzen, außer uns, die haben es auch verdient so ein wertiges Package zu kriegen.

Sad Sir: Deswegen wird es bei uns wahrscheinlich auch immer irgendetwas dazu geben.

Wenn es bei Euch immer was dazu gibt, und ihr in der Beziehung ja auch offensichtlich stark an die Fans denkt, die Euch wirklich unterstützten, wieso ist es dann fast unmöglich, Merchandising von Euch zu bekommen. Der geneigte Fan kann weder String-Tangas, Beanies, Shirts oder Hoodies von Euch irgendwo online oder in den üblichen Mail-Ordern erwerben. Wenn also jemand Merchandising von Euch kaufen möchte, dann muss er dafür aber auch zwingend zu Euren Gigs kommen?! Warum seid Ihr hier so unterrepräsentiert?

Sad Sir: Ja, es wird erwartet, dass man unbedingt zu unseren Gigs kommt! (Lachen) Ich denke, dass ist der nächste Schritt in die Professionalität. Aktuell gibt es aber wirklich dort überall keine T-Shirts von uns. Früher gab es mal was bei Silverdust und ich denke, dass sich das nun mit Napalm Records etwas ändern wird. Das ist auch so ne kleine Schrulle von unserer Band. Wir wollen das schon machen mit dem Online-Shop auf der Homepage, wir wollen das gut machen, naja und dann machen wir es irgendwie nicht. Irgendwann kommt es!!! Bis jetzt waren T-Shirts von uns immer auch eine Art Souvenir von einem Konzert. Wenn sie weg waren, dann waren sie weg und damit hatten sie auch immer ein bisschen was Spezielles. (Schmunzelnd) In Zukunft wollen wir das aber wirklich etwas weniger speziell machen, so dass jemand, der es nicht zu unserem Konzert schafft, sich trotzdem ein Shirt kaufen kann.

Damit sind wir auch fast schon am Ende des Interviews. Aber zum Schluss habe ich noch die 10 Fragen - 60 Sekunden Attacke auf Euch vor. Bitte antwortet möglichst spontan. Fertig? Noch einmal durchatmen!!! Los geht's! Welches Album hast Du Dir als letztes selber gekauft?

Sad Sir: ääähhh öööhhhhmmm uhhhh

Rainier Sicone di Hampez: KRAFTKLUB - "Mit K"

Sad Sir: TWILIGHT SAD - "No One Can Ever Know"

Was ist das beste Album in den letzten zwölf Monaten gewesen?

Rainier Sicone di Hampez: KRAFTKLUB - "Mit K" und CASPER -"XOXO".

Sad Sir: RED FANG - "Murder The Mountains" und CASPER.

Was ist Dein aktueller Lieblingssong, ausserhalb von END OF GREEN?

Rainier Sicone di Hampez: 'Liebe' von KRAFTKLUB.

Sad Sir: TWILIGHT SAD - 'Another Bed'.

Auf welchen Song freust Du Dich heute Abend persönlich am meisten?

Sad Sir: pfffffffffffffffffffffff ... 'Weakness'!

Rainier Sicone di Hampez: Ja, ich denke auch 'Weakness'.

Welcher Job käme für Dich neben dem des Musikers in Frage. Mal abgesehen von den Jobs in denen Ihr neben END OF GREEN noch tätig seid?

Rainier Sicone di Hampez: Fussballprofi!

Sad Sir: Schriftsteller.

Welches Buch kannst Du aktuell empfehlen?

Rainier Sicone di Hampez: Wie heißt es jetzt. Jetzt fällt mir natürlich der Name nicht ein. Manfred Bomm heißt auf jeden Fall der Schriftsteller. Er schreibt so lokale Krimis. Wie heißt nochmal sein neues Buch...?

Sad Sir: Was hab ich denn zuletzt gelesen? 'Unter Null' von Bret Easton Ellis. War aber eigentlich gar nicht so gut.

Rainier Sicone di Hampez: Super Empfehlung! (allgemeines Gelächter)

Sad Sir: Eine tolle Empfehlung wäre 'Kill Your Friends', also als Buch. (wieder Gelächter)

Benenne Deine All-Time-Favourite-Band.

Rainier Sicone di Hampez: Jimi Hendrix, Elvis und Jim Morrison.

Sad Sir: Jim Morrison kommt mir nicht ins Haus!

Vielleicht auch noch ein Schlagzeuger?

Rainier Sicone di Hampez: Schlagzeuger? Die sterben doch gar nicht, da ist doch noch gar keiner tot.

Von Toten war doch gar nicht die Rede!

Rainier Sicone di Hampez: Ach so ... ich darf auch Lebende nehmen? Ja gut dann... (überlegt). Hmm, da weiß ich trotzdem nicht mehr. Der von den Flippers, den Schlagzeuger fand ich ziemlich cool. Der passt auch zu Elvis!

Ein Bassist eventuell auch noch?

Rainier Sicone di Hampez: Nee, da kenn ich mich nicht so gut aus. (Die ultimative Antwort eines Bassisten an dieser Stelle ;-) - Anm. des Redakteurs)

Sad Sir: Also, ich lehne mich da mal aus dem Fenster. Rainier am Bass, Michelle Darkness als Sänger, LuSiffer am Schlagzeug und Kerker ist ein Klassegitarrist. Und wenn ich mitmachen dürfte, dann wäre das super. Ich entscheide mich für meine Band!

Gute Band!

Rainier Sicone di Hampez: Ja, gute Band.

Was darf im Tourbus niemals fehlen?

Rainier Sicone di Hampez: Die Musikanlage!

Sad Sir: Ja, die Musik.

Und zum Schluss die Mutter aller Fragen. Vanille oder Schokolade?

Rainier Sicone di Hampez: Häää?

Sad Sir: Wieso oder??

Rainier Sicone di Hampez: Schonille!!

Sad Sir: In Holland gibt es dieses Vla im Tetrapack. Das gibt's als Vanille, Schokolade und schon vorgemischt. Hmmmm.... Also nicht Vanille oder Schokolade, sondern UND! So geil dieses Zeug!

Damit sind wir mit Schonille auch am Ende unseres Interviews. Vielen Dank an dieser Stelle, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt. Wie es bei uns üblich ist, gehören die letzten Worte den Musikern. Das seid Ihr. Noch etwas, was Ihr unseren Lesern mitteilen wollt?

Rainier Sicone di Hampez: In so was bin ich ganz schlecht. Das macht mehr Druck als Platz 17.!! (allgemeines Lachen)

Sad Sir: Danke! Ganz einfach Danke!

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten