Various Artists - Black Metal: Evolution Of The Cult

Review von Zephir vom 26.07.2017 (16259 mal gelesen)
Various Artists - Black Metal: Evolution Of The Cult Einige Jahre hat es gedauert, bis der 2013 in den USA erschienene Wälzer des britischen Metal-Journalisten Dayal Patterson ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht wurde. Nun ist "Black Metal: Evolution Of The Cult" im Index Verlag erschienen. Das 684 Seiten starke Hardcover in der Übersetzung von Andreas Schiffmann ziert der erklärende Untertitel "Die Mythen, die Musik und ihre Macher".

In 50 Kapiteln, die sich oftmals nur bestimmten Vertretern und einzelnen Bands des Genres widmen, arbeitet sich Patterson chronologisch von BLACK SABBATH der späten 1960er über die sogenannte zweite Welle bis in die Gegenwart durch. Endlich erfahren auch hiesige Black Metaller, wie sich seit VENOM und BATHORY der einstmals provozierende Underground-Kult entwickelte. Scheinbar lückenlos wird berichtet, wie MAYHEM und BURZUM vor allem in Norwegen für Schlagzeilen sorgten, wie CRADLE OF FILTH und DIMMU BORGIR die Musik massentauglich machten, wie einige zwielichtige Gruppen vor allem in Osteuropa den Satanismus politisch umfunktionierten, wie sich schließlich mit Vertretern wie ENSLAVED und ULVER wiederum unpolitische Folklore dem schwarzen Geschrammel beimischte. Sogar der Post Black Metal wird behandelt, wenn auch etwas knapp, denn der Schwerpunkt liegt auf dem mittlerweile verwaschenen esoterischen Kult, der die Musik einst ausmachte.

Trotz des beeindruckenden Umfangs ist Pattersons Werk kurzweilig und leicht zu lesen. Indem er die Künstler selbst durch zahlreiche akribisch recherchierte Interview-Passagen zu Wort kommen lässt, führt er den interessierten Leser so authentisch wie möglich durch die Black-Metal-Historie, als sei man direkt zugegen in den Proberäumen, bei den Kassetten-Tapes, in den anfangs oft improvisierten Aufnahmestudios - aber auch auf Konzerten oder gar bei persönlichen Streitigkeiten, wie etwa in der detailgenau dokumentierten Angelegenheit um den 1993 begangenen Mord an Øystein Aarseth aka Euronymous (MAYHEM) durch Varg Vikernes (BURZUM). Dabei ist Pattersons Schreibstil an keiner Stelle verklärend oder gar verherrlichend. Hier und da beurteilt er die Ansichten der Szene sogar recht streng, beispielsweise dort, wo es um Satanismus geht: So nennt er beispielsweise die in der einstigen norwegischen Szene verbreitete Idee, "Norwegen sei zuerst ein heidnisches Land gewesen, das die Christenheit vor Jahrhunderten frecherweise erobert habe", kurz und knapp eine "nicht ganz korrekte Vorstellung" (S. 212).

"Black Metal: Evolution Of The Cult" beschränkt sich keineswegs nur auf Nord- und Westeuropa. Auch die Griechen ROTTING CHRIST bekommen selbstredend ein eigenes Kapitel, ebenso die Japaner SIGH. Dass sich die letzten Handvoll Kapitel mit unkonventionellen "Querschlägern" wie FLEURETY und zeitgenössischen, das Satanische überwindenden Bands von LIFELOVER bis ALCEST beschäftigen, ist begrüßenswert, wenngleich diese jüngeren Entwicklungen recht kurz abgehandelt werden und AMESOEURS sicher nicht das beste Beispiel für Post Black Metal sind. Wie bereits erwähnt stehen sie aber auch nicht im zentralen Fokus des Werks, und dass auch auf diesen Hunderten von Seiten unmöglich alle relevanten Bands berücksichtigt werden können, ist verständlich. Die eine oder andere Lücke mag man dem Autor daher verzeihen.

Wo es politisch unbequem wird, beschränkt sich Patterson allerdings zu sehr auf osteuropäische und vor allem polnische Vertreter, als hätte es das Thema NSBM in Nord- oder Westeuropa, beispielsweise in Frankreich, nie gegeben. Auch die überraschend unreflektierte Art, in der umstrittene Vertreter wie DRUDKH pauschal als NSBM-Band gelistet werden und das Nationale mit dem Nationalsozialistischen gleichgesetzt wird, ist kritikwürdig.

Was den interessierten Leser stören könnte, ist die fehlende typographische Auszeichnung der im Text erwähnten Bandnamen: Während die Titel von Alben und Veröffentlichungen immerhin kursiv gesetzt sind, verschwimmen diese mit dem Fließtext. Auch die Suche nach einem Index am Ende des Buches bleibt vergeblich; dies wiegt sich allerdings durch die eindeutigen Kapitelnamen – häufig tragen sie einfach die Namen der besprochenen Bands – auf.

Wie dem auch sei: "Black Metal: Evolution Of The Cult" gehört auf jeden Fall ins Bücherregal eines jeden Schwarzmetallers und sollte auch von all jenen zumindest quergelesen werden, die ihr Wissen bisher nur aus den "Unheiligen Allianzen" von Dornbusch und Killguss beziehen. Patterson, der auch für den britischen Metal Hammer schreibt, hat ein detailliertes und kundiges Kompendium zum Thema verfasst, das bestechend nah an die Szene heranführt. Zudem illustrieren zahlreiche Schwarzweißfotos das Werk; ein 63 Seiten starker Bilderblock in der Mitte ist teils vierfarbig gedruckt: Selbst eingefleischte Fans werden nicht über solch umfangreiches dokumentarisches Material verfügen, wie es Pattersons Buch bereithält.


- ohne Wertung -
Trackliste Album-Info
Band Website:
Medium: Buch
Spieldauer:
VÖ: 00.00.0000

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten