Lacuna Coil - The 119 Show - Live In London

Review von Opa Steve vom 03.12.2018 (11428 mal gelesen)
Lacuna Coil - The 119 Show - Live In London Es ist doch immer wieder erstaunlich zu sehen, wie unterschiedlich einzelne Länder auf LACUNA COIL reagieren. Hierzulande hatten sie ihre Hochphase vor ca. acht Jahren und headlinten Festivals wie das Summer Breeze, mittlerweile ist die tourfreudige Band allerdings in Deutschland auf Clubs angewiesen oder spielt auf Festivals im Nachmittagsprogramm. Dass sie Clubs genauso gut drauf haben, haben sie schon auf ihren Gigs hierzulande bewiesen. Da war die (alte - hab sie selig) Batschkapp in Frankfurt schon eine Ausnahme, als die Band vor einigen Jahren dort ihr erstes aufwändigeres Jubiläumskonzert inklusive eingebautem Akustikset vor vollem Haus spielte. Nun haben LACUNA COIL zwei Dekaden voll und haben sich das O2-Forum für eine ganz besondere Show ausgesucht. Und ich bin verblüfft, welch riesiges Publikum die Band in UK dort versammelt hat. DEVIN TOWNSEND hat es in London schon vorgemacht und Gigs mit einer denkwürdigen Show abgeliefert. LACUNA COIL waren dabei schon immer Fans der Kostümierung und der dramatischen Visualistik. Und so ist die - an sich schlichte - Bühne im Zirkusstil gehalten. Nicht nur das: Auch Artisten tollen immer mal wieder über die Bühne und bringen ihre Darbietungen während der Songs oder während der Pausen. Stören tut das nicht besonders. Ich frage mich allerdings, worin da der Sinn liegen soll und vermisse vor allem den Bezug zum Image der Band oder deren Songs. LACUNA COIL erfinden sich optisch immer wieder neu, wobei das Irrenhaus-Image zum "Delirium"-Album ziemlich gut getroffen war. Für eine Band, die das Düstere liebt, ist der Kontrast zum Zirkus daher ein wenig gewöhnungsbedürftig. Ich persönlich würde mich freuen, wenn sie im visuellen Konzept nicht übers Ziel hinausschießen und sich wieder mehr starken Songs zuwenden würden. Denn davon haben sie eine Menge in ihrer Historie, in der sie sich immer wieder neu erfanden und probierten (was auch manchmal gehörig schief ging). Aber auch in dem aktuell kalten Groove Metal ihrer letzten Scheibe geben sie mal wieder gar keine schlechte Figur ab.

Dafür, dass ich bei dieser Show in London nicht dabei war, könnte ich mir eigentlich in den Arsch beißen. Denn meine müden Augen sehen in der Trackliste auf Platz vier doch tatsächlich 'My Wings'. Seit diesem Song vom "In A Reverie"-Album 1999 bin ich ein großer Fan der Band und zähle diesen Titel zu den Alltime-Faves meiner gesamten Musiksammlung. Und sie haben ihn Jahre (VIELE Jahre!!) nicht mehr live gespielt. Und ich bin richtig dankbar, dass er bei dieser großen Produktion nochmal in einer hammermäßig guten Fassung mit an Bord ist. Der Sound dieser Veröffentlichung ist nämlich von Feinsten. Kräftig, laut, dennoch rau und bietet zumindest in den eingespielten Intros und Ansagen genügend Luft für das Publikum. Natürlich wurde diese Scheibe kräftig nachgemischt und ich muss sagen, dass es authentischere Livemitschnitte gibt - wer LACUNA COIL schon live gesehen hat, weiß, WIE LAUT das Publikum 'Heaven's A Lie' mitsingt - hier hört man in den durchgespielten Refrains leider nichts davon. Angesichts der vierstelligen Besucherzahlen ist das schier unmöglich. Dennoch macht die Scheibe sowohl als reines Audio-Dokument sowie natürlich als optisches Medium durchaus Sinn. Man bekommt fast 30 Songs aus unterschiedlichen Epochen in einem homogenen Sound geboten, wovon gerade die ersten Veröffentlichungen wie 'Soul Into Hades' von der ersten EP oder das bereits angesprochene 'My Wings' profitieren. Außerdem ist die Band live extrem professionell und hat mit Cristina Scabbia eine Frontfrau, die auch mit kleiner Clubtechnik so beängstigend gut singt, dass man sich manchmal kneifen muss. So ist es auch hier eine Freude, ihre Gänsehaut-Passagen in 'Blood, Tears, Dust' tadellos und noch kräftiger als auf der "Delirium"-Scheibe zu genießen. Diese Power-Stärken kann sie bei der Klavier-Variante von 'Falling' nicht ganz so ausspielen, aber auch hier sind ihre Vocals dennoch live-authentisch und für sie sogar ungewöhnlich mutig und gefühlvoll.

Die Scheibe ist ein Must Have für alle LACUNA COIL-Fans und bietet auch Neueinsteigern einen perfekten Querschnitt in der Songauswahl. Egal ob alte Gothic-Titel wie 'Senzafine' oder brutale Mosh-Monster wie 'The House Of Shame' - alles ist dabei, und natürlich darf auch die DEPECHE MODE-Coverversion von 'Enjoy The Silence' nicht fehlen. Optisch wie akustisch wie musikalisch eine sehr feine Scheibe! Und ich hoffe, dass sie die Kreativität der Band nochmal beflügelt und auch nochmal Lust auf alte Stärken macht, sodass es bald einen spannenden Nachfolger zum letzten "Delirium"-Album gibt.

Gesamtwertung: 8.5 Punkte
blood blood blood blood blood blood blood blood dry dry
Trackliste Album-Info
01. Intro
02. A Current Obsession
03. 1.19
04. My Wings
05. End Of Time
06. Blood, Tears, Dust
07 Swamped
08. The Army Inside
09. Veins Of Glass
10. One Cold Day
11. The House Of Shame
12. When A Dead Man Walks
13. Tight Rope
14. Soul Into Hades
15. Hyperfast
16. I Like It
17. Heaven's A Lie
18. Senzafine
19. Closer
20. Comalies
21. Our Truth
22. Intermezzo
23. Falling
24. Wide Awake
25. I Forgive (But I Won't Forget Your Name)
26. Enjoy The Silence
27. Nothing Stands In Our Way
Band Website: www.lacunacoil.it
Medium: CD, DVD, LP
Spieldauer: 2:06:00 Minuten
VÖ: 09.11.2018

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