Livebericht Phil Campbell And The Bastard Sons |
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Ein Livebericht von Stormrider aus Aschaffenburg (Colos Saal) - 03.12.2018 (28781 mal gelesen) |
Es ist kalter Dezemberabend in Aschaffenburg, noch dazu ein Dienstag. Man kann sich nun wahlweise einen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt einschenken, sich irgendwelchen Stuss im TV ansehen oder aber man macht was Cleveres und geht auf ein Konzert im Colos-Saal. Ich habe mich für die letzte Variante entschieden, denn heute spielen PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS. Ich finde es ja immer spannend, wenn sich Rockstars, die die größten Bühnen gewöhnt sind, wieder zurück in kleine Clubs begeben. Es macht natürlich gar keinen Sinn im Zusammenhang mit PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS überhaupt nur zu versuchen, um den überlebensgroßen Namen der Ex-Band des Hauptnamensgebers herumzukommen. Machen wir deshalb auch nicht, und im Laufe des Abends wird das auch mehr als deutlich. Dass die Chance, den früheren MOTÖRHEAD-Gitarrist in einem Club zu sehen, zum Großteil dafür verantwortlich ist, dass der Colos-Saal heute ordentlich gefüllt sein wird, ohne jedoch am Sold Out zu kratzen, sieht man schon, wenn man sich die Oberbekleidung der Anwesenden ansieht. Geschätzt ist mehr als jedes zweite Leibchen eines mit dem Warpig oder Lemmys Konterfei darauf. Und auch die Publikumsstruktur zeigt, dass hier viele alte MOTÖRHEAD-Fans am Start sind, denn der Frauenanteil dürfte nicht mal im zweistelligen Prozentbereich liegen, der der Fans über 45 Jahren hingegen weit über 50%. Aber das sind natürlich alles nur Nebensächlichkeiten, denn in erster Linie geht es um die Musik. Der Abend wird pünktlich um kurz nach 20 Uhr von TIM MACMILLAN und RACHEL SNOW eröffnet. Habt ihr noch nie gehört? Ich auch nicht. Und das Duo zugegebenermaßen schon optisch ein komisches Set-up auf einem Rockkonzert, denn Tim ist nur mit einer Westerngitarre bewaffnet und Rachel mit einer Geige. Noch spannender wird es aber, als Tim den ersten Song ankündigt, denn man hat sich für keinen geringeren Track als 'Reign In Blood' von SLAYER entschieden. Nachdem sich das kurze Gelächter über die Ansage gelegt hat, passiert aber genau das wirklich. Das Duo hat es sich zur Aufgabe gemacht Rock- bzw. Metalsongs in einer Version aus Fingerpicking-Style-Gitarre mit Geigeneinsätzen zu spielen. Das sorgt in erster Instanz für den einen oder anderen offenen Mund, und weil man kleckern will und nicht klotzen, gibt es im Anschluss dann direkt 'Master Of Puppets'. Hier klopft Rachel teilweise den Rhythmus auf Tims Gitarre. Irgendwie ist das cool, anders und vollkommen unerwartet, was dann auch zu mehr als dem obligatorischen Höflichkeitsapplaus führt. Die Ansagen übernimmt fast ausschließlich Tim, ein gebürtiger Australier, der mittlerweile in Deutschland lebt, in bestem Denglisch und mit einem guten Schuss Humor. Im Laufe des Sets wiederholen sich die genutzten Metaphern allerdings, was zu einem leichten Abnutzungseffekt führt, was gleichermaßen für die Musik gilt. Denn während man am Anfang noch ziemlich gespannt war, wie die beiden das umsetzen wollen, ähneln sich die Strukturen in den Songs dann irgendwann doch sehr. Klar ist das auf der einen Seite musikalisch wertvoll, so wie die beiden das umsetzen, und es ist auch lustig wenn 'Africa' von TOTO mit einem Rap von Rachel unterlegt wird, aber insgesamt merkt man an den lautstark geführten Gesprächen im Raum doch, dass die Aufmerksamkeit des Publikums mit zunehmender Dauer schwindet. Zum Ende des Sets bekommt OZZY, in Form von 'Diary Of A Madman', noch einen Tribut zu seinem 70. Geburtstag. Der Kreis zum Opener wird mit dem Abschlusstrack 'Seasons In The Abyss' geschlossen, bei dem SLAYER einem Mash-up mit der australischen Instanz KYLIE MINOGUE unterzogen werden. Als das Licht angeht, bekommt das Duo verdientermaßen Applaus für seine Vorstellung, denn es war wirklich was komplett Anderes, als das, was man sonst sieht. Das zeigt sich auch darin, dass die beiden sich anschließend am Merchstand über jede Menge Gespräche und Feedback freuen dürfen. Ob es sich aber wirklich als Anheizer für eine Rock-'n'-Roll-Show eignet? Gefühlt eher nicht. Der Tatsache, dass man das Publikum in der Umbaupause direkt mal 'Painkiller' durch die Ohren jagt, lässt dann aber doch noch darauf schließen, dass es heute Abend laut werden wird. Und das wird es werden. Nach einer 20-minütigen Pause, ein Umbau war ja nicht wirklich nötig, geht es mit 'Big Mouth' los. Die BASTARD SONS, bestehend aus den drei Campbell-Sprossen Tyla (Bass), Dane (Drums) und Todd (Guitar) sowie dem einzigen Nicht-Campbell Sänger Neil Starr, kommen alle in Jeanswesten, während Phil himself aussieht wie er immer aussieht und selbstredend direkt der Mittelpunkt der Szene ist. Dabei tut er hierfür nicht besonders viel. Seine Interaktion mit dem Publikum beschränkt sich auf wenige Ansagen und ansonsten tut er das, was er schon bei MOTÖRHEAD gemacht hat. Er steht am linken Bühnenrand und spielt Gitarre, und das tut er ziemlich regungslos. Klar ist der Mann nicht mehr Mitte 20, aber als Namensgeber der Band wäre ein klein wenig sichtbarer Enthusiasmus schon ganz cool. Diesen merkt man Neil und Todd dafür doppelt an. Die beiden sind es, welche der Show ihren Rock 'n' Roll geben, sei es durch Grimassen, headbangen oder verbale und non-verbale Kommunikation mit dem Publikum. Wem das Warm-up nicht laut genug war, der bekommt nun auch den Schmalz aus den Ohren gerockt, denn das Lautstärkelevel ist für Colos-Saal-Verhältnisse extrem laut. Hier wäre ein wenig mehr Transparenz definitiv nicht schädlich, aber hey, wir sind auf einem Rock-Gig. Nach 'Step Into The Fire' wird dann auch die Vergangenheit des Gitarreros erstmalig musikalisch aufgegriffen und der erste von diversen MOTÖRHEAD-Songs in Form von 'Rock Out' gezockt. Mittlerweile hat scheint sich Neil auch sicher zu sein, dass er den Gig gut rumbekommt, die beiden zuvor geplanten Konzerte mussten aufgrund einer Erkrankung von ihm abgesagt werden, und der Gig nimmt etwas an Fahrt auf. Irgendwie ist es ein komisches Bild, einen Vater mit seinen drei Söhnen auf der Bühne zu sehen, aber am Ende zählt nur, ob es rockt oder nicht und ja, der Abend macht Spaß. Klar kann man mit nur einem Album in der Hand keinen kompletten Headlinerset bestreiten und so gibt es erwartungsgemäß nicht nur die Highlights von "The Age Of Absurdity", sondern es werden zwischendurch immer wieder Cover eingestreut. Eingezählt von einem "Hey Ho! Lets Go" gibt es 'R.A.M.O.N.E.S' und auch 'Silver Machine' von HAWKWIND darf nicht fehlen. Letzterer wird allen MOTÖRHEAD-Mitgliedern gewidmet, die nicht mehr unter uns sind, und darf getrost als eines der Highlights des Abends gesehen werden. Gleiches gilt für 'The Game', bei dem Neil das Intro-Lachen von Gottvater Lemmy erschreckend gut imitiert. Mit geschlossenen Augen könnte man meinen unser aller Lieblingswarze würde ins Mikro lach-knurren. Und was wäre ein Gig ohne Mitsingspiele? Und so gibt es bei 'Get On Your Knees' den Wettstreit zwischen der linken Hälfte (Team Phil) und der rechten (Team Bastard Sons), der wohl als Unentschieden in die Rockannalen eingehen wird. Später darf sich Tyla, der ein typisch stoischer Bassist ohne jegliche Gefühlsregung ist, noch über ein ausgiebiges "Fuck You!!!" Tyla freuen, das direkt im wohl bekanntesten Riff von Lemmy, 'Ace Of Spades', übergeht. Neil überlässt dem Publikum hier die komplette "You Know Im Born To Lose..."-Strophe und die Menge enttäuscht zum Glück nicht und ist textsicher. Nach knapp einer Stunde neigt sich der Gig mit 'High Rule' auch schon so langsam dem Ende zu. Neil lässt das Publikum noch wissen, dass man gerne noch für ein paar Songs zurückkommt, wenn man denn höflich und laut darum gebeten wird. Und so kommt es dann auch. Die bei den Fans bekannte Sirene heult und der 'Bomber' fliegt. Im Colos-Saal natürlich nicht über der Bühne, aber zumindest durch die Boxen, und wo man schon dabei ist gibt das Quintett auch noch 'Going To Brazil' zum Besten und als Abschluss den Titeltrack des 1987er MOTÖRHEAD-Drehers, 'Rock N Roll'. Um halb elf gehen die Lichter wieder an im Colos-Saal. Der Andrang am Merch lässt darauf schließen, dass die Fans glücklich und zufrieden sind, und auch wenn 70 Minuten nicht gerade ein langer Gig war, so war er doch sehr kurzweilig. Natürlich ist der Fanzuspruch zum Großteil getragen von der Gitarren-Legende Phil Campbell (eine glanzgoldene Flying-V muss man auch stilvoll spielen können, die ist echt Porno!) und MOTÖRHEAD, aber auch das eigene Songmaterial kann für sich bestehen. Songs wie 'Freak Show', 'Welcome To Hell' oder 'Ringleader' sind einfach cooler Rock, der super ins Ohr geht und bei 'nem Bier richtig Laune macht. Wenn die Band es schafft sich zukünftig noch ein wenig mehr aus dem Schatten freizuschwimmen, dann ist das einfach grundsolider Heavy Rock wie er immer funktioniert. Und so endet ein kalter Dezemberabend mit dem guten Gefühl, dass ehrlicher Rock einfach immer wieder hörenswert ist, und mit dem Wissen, dass man auch mit einer Westerngitarre und Geige 'Master Of Puppets' und 'Seasons In The Abyss' spielen kann. |
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