Interview mit Mitch von Eisregen

Ein Interview von Wulfgar vom 31.12.2011 (23443 mal gelesen)
Anlässlich des kurz vor Weihnachten erschienenen EISREGEN Longplayers "Rostrot" telefonierte ich quasi zwischen Glühwein und Festtagsbraten mit Chefquerdenker Mitch und zog ihm durchs Telefon einige interessante Würmer aus der Nase (Wenn dass mal kein guter EISREGEN - Sontitel wäre). Nichtsdestotrotz zeigte sich Herr Roth in bester Stimmung und sogar zum einen oder anderen Scherz aufgelegt.

Moin Mitch, wir hatten ja schon beim letzten Album das Vergnügen. Können für EISREGEN jetzt die entspannten Feiertage kommen?

Mitch: Ja eigentlich schon, wir haben jetzt den Release so weit hinter uns. Es sind jetzt natürlich noch ein paar Interviewtermine auf dem Plan. Aber man kann sich jetzt doch langsam mit der Familie aufs Fest vorbereiten.

Du feierst tatsächlich Weihnachten?

Mitch: Na klar, wir haben einen Weihnachtsbaum und Geschenke gibts auch. Mir persönlich liegt das jetzt natürlich nicht so, aber gerade wenn man Kinder hat, ist klar, dass man was in der Richtung machen muss.

Verzeih mit bitte meine Belustigung, aber irgendwie fällt es schwer mir vorzustellen, wie du im Kreis der Lieben Weihnachtslieder singst.

Mitch: (lacht) Na gut, Weihnachtslieder werden sicherlich nicht gesungen. Meine Kinder hören ja auch Metal, da kommt's maximal vor, dass man ein paar ONKEL TOM Lieder aufgelegt. Prinizipiell ist es wahrscheinlich schon ein bisschen anders als bei anderen Familien.

Kann man sich durchaus gut vorstellen. Ich habe in mein Review geschrieben, dass wenn ich EISREGEN höre es mir immer so vorkommt, als würde mir jemand eine extrem fesselnde Geschichte erzählen. Siehst du dich auch als Geschichtenerzähler?

Mitch: Na sicherlich, also ich lege da schon Wert drauf, dass die Songs auch auf der Ebene gut funktionieren und dass die Lyrics gut transportiert werden. Und klar, das Hauptaugenmerk liegt für mich als Textschreiber schon darauf, dass eine interessante Geschichte erzählt wird.

Glaubst du, du könntest, sagen wir, eine Geschichte für Kinder schreiben? Märchen zählen immerhin zu den dunkelsten Geschichten, die die deutschen Kultur hergibt.

Mitch: Ja, ich stelle es mir auf jeden Fall interessant vor. Ich bin in dieser Richtung noch nicht aktiv geworden. Aber ich denke wenn ich Geschichten schreibe, was ich auch durchaus vorhabe, mal in dieser Richtung aktiv zu werden, nur hat mir bisher einfach nur die Zeit dafür gefehlt, würden es dann wohl eher Geschichten für Erwachsene werden (beide lachen).

Auch das kann man sich sehr gut vorstellen. Ist es eine bewusste Entscheidung, andere deutschsprachige Bands mit auf eure Tour zu nehmen? Letztes Mal HÄMATOM, diesesmal VARG. Was ist da Ausschlag gebend?

Mitch: Es ist eigentlch nicht Ausschlag gebend, dass die Band deutsch singt, oder nicht. Gerade jetzt bei der Tour ist Rock the Nations federführend und die gucken natürlich was da noch passt. Aber letzendlich entscheiden die dann, wer auf Support mitgeht. Bei HÄMATOM war es eine persönliche Entscheidung weil ich die Jungs sehr gerne mag. Es ist eigentlich eher zufällig, ob die Supportband dann deutsch oder englisch singt.

Kommen wir mal auf das Album zu sprechen. Nach der eher hart orientierten "Schlangensonne" kommt es mir vor, als hättet ihr diesmal mehr eure Mitte zwischen harten und ruhigen Passagen gefunden. Wie siehst du das?

Mitch: War eigentlich eher eine unbewusste Entwicklung. Wir haben ja durchaus ein paar musikalisch recht brutale Songs wie 'Schakal' und 'Wechselbalg' auf der Scheibe. Wahrscheinlich ist es einfach eine unbewusste Entscheidung, dass man dann ein paar melodischere Parts mit einbaut um einen gewissen Abwechslungsreichtum reinzubringen. Für mich wäre es einfach uninteressant, ein reines Knüppelalbum aufzunehmen. Es wäre auch vom Songwriting her wenig anspruchsvoll, sich über mehrere Monate nur mit Knüppelnummern zu beschäftigen. Deswegen finde ich es sehr wichtig, dass auf EISREGEN Alben ein hohes Maß an Abwechslung vorherrscht. Wir schauen natürlich auch immer wie sich Musik und Text verbinden lassen, um da auch eine gewisse Atmossphäre zu erzeugen. Deswegen ist schon dadurch ein gewisser Abwechslungsreichtum gewährleistet.

Weil du gerade 'Schakal' erwähnst. Ich habe mich gefragt wenn es jetzt heisst 'Schakal - Ode an die Streubombe', ist vielleicht so etwas wie eine Serie in der Mache, so wie damals beim 'Pest- Zyklus' ?

Mitch: Eigentlich nicht, obwohl wir auf auf diesem Album ja so was wie eine Tierquadrologie haben. Gerade 'Schakal', 'Madenreich', 'Fahles Ross' und 'Kuchenschwein' sind ja eigentlich sehr metaphorische Tierthemen. Aber die sind irgendwo auch unabhängig voneinander. Bei 'Schakal' ging es mir darum, wieder eine Kriegsthematik aufzugreifen, weil das für mich auch ein sehr interessantes Themenfeld ist. Ich bin dann diesmal in den Vietnamkrieg gegangen und habe einen Protagonisten, der da seinen inneren Schweinehund (in Anführungsstrichen) findet und festellt, dass er sich in diesem Krieg sehr wohlfühlt und sein Tier dort genug Nährboden findet. Und das war da eigentlich Ausschlag gebend. Aber das da ein größer angelegter Zyklus entsteht, ist eigentlich nicht geplant.

Wenn du es schon selber erwähnst, aber dir war sicher klar, dass die Frage noch kommt, aber wer ist Kathi?

Mitch: (lacht) Kathi ist das Kuchenschein. Nee...das ist für mich eine relativ seltsame Entwicklungsgeschichte gewesen. Bei uns im Osten der Republik gibts schon seit Urtagen, und ich glaube auch jetzt noch, diese Kathi-Fertigbackmischungen. Und dann kam so eine Verbindung zustande zwischen fetten Menschen und der Feststellung, dass Herrgott tatsächlich existiert, aber eher ziemlich sadistisch veranlagt ist und deswegen mit Vorliebe fette Kinder herstellt und dann der Querverweis zu Kathi. Das war dann selbst für mich ein wenig absonderlich und wert einen Text darüber zu schreiben. Es ist im Endeffekt ein ziemlich bitter-ironisches Lied geworden und ich finde es immer cool wenn man gerade so einen Nummer auf dem Album hat, die diese düsteren und makaberen Geschichten auf eine andere makabere Art wieder aufbrechen. Ich finde solche Texte immer eine nette Ergänzung im Gesamtkonzept.

Auf jeden Fall. Mal zu etwas anderem; Ist das Artwork diesmal bewusst etwas EISREGEN-typischer ausgefallen als bei "Schlangensonne" oder war das eher die Freiheit des Künstlers?

Mitch: Die Artworks selber macht seit einigen Alben komplett Yantit (Schlagzeuger Ronny Fimmel Anm.d.A.) und der werkelt eigentlich immer schon vorher und wenn er dann was hat ruft er mich an und ich fahr vorbei. Als ich die "Rostrot"-Artworks zum ersten Mal gesehen habe, die er da geplant hatte fand ich die schon absolut großartig. Er hat auch immer so ein Händchen dafür dass die Stimmung eines Albums ziemlich gut trifft und da wars überhaupt kein Thema, dass wir das Artwork auch dementsprechend ausrichten. Ich finde auch dass er diesmal sehr sehr gute Arbeit geleistet hat und bin auch sehr zufreiden damit.

Als ich die Tracklist von "Rostrot" durchgelesen habe, fiel mir besonders das 11. Lied ins Auge und dazu hätte ich gleich 3 Fragen auf einmal

Mitch: (lacht) Oh je, das ist viel.

Ich machs einfach in einem Rutsch hintereinander weg: 1.Wart ihr tatsächlich in Somalia? 2.Wie kam es dazu, wenn? Und 3.Wie war es in einem Land zu spielen, dass sich laut Wikipedia zu Teil in der Hand von Piraten befindet?

Mitch: (lacht) Ich glaube dass war der Grund. Also den Songtitel hat auch wieder Yantit geschaffen um so ein bisschen den Fun-Faktor mit reinzubringen. Gerade wegen der etwas böseren Hintergrundgeschichte des Landes fand ich "Live in Somalia" auch ziemlich cool und die Ergänzung ist ja auch dass wir 2013 dort gespielt haben. Es ist ja eigentlich auch schon dadurch recht fiktiv. Es war eigentlich nur - weil 'Remix' fand ich doof als Songtitel - und dann kam Yantit auf diese, wie ich finde, brilliante Idee. Wir waren auf alle Fälle noch nicht in Somalia aber vielleicht schaffen wir es ja bis 2013 noch (beide lachen). Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen, es war nur wieder dieser typische böse EISREGEN Humor.

Aber vorsicht vor den Piraten wenn ihr noch hinfahrt.

Mitch: Wenn wir hinfahren auf alle Fälle. Ich meine, ich war schon auf einem Priaten Open-Air mit meinen Kindern ich weiß also ungefähr was mir dort droht (beide lachen).

Na gut. Dann erstmal vielen Dank an dich Mitch und natürlich auch an die lieben Bandkollegen, vielen Dank für das schöne Album. Wir halten es bei uns immer so, dass die letzten Worte eines Interviews den Künstlern vorbehalten sind. Also bitte.

Mitch: Also unterstützt auf jeden Fall mehr Piraten und weniger Weihnachtsmänner. (Was ein Schlussbrüller! Anm.d.A.)

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