Interview mit Volk-Man von Die Apokalpytischen Reiter

Ein Interview von Krümel vom 14.04.2011 (27657 mal gelesen)
Pünktlich zum Start ihrer Frühjahrstour unter dem Motto "Moral & Wahnsinn" trafen wir uns noch vor der ersten Show (den Live-Bericht findet ihr hier) in der Kölner Live-Music Hall mit Bassist Volk-Man zu einem gemütlichen Plausch, der uns sehr interessante Einblicke in den (manchmal stressigen) Alltag der REITER-Familie und in seine Gedanken zur heutigen Musikbranche gewährte...


Heute ist ja der Start eurer "Moral & Wahnsinn Tour 2011". Wie ihr gestern auf eurer Webseite angekündigt habt, seid ihr mit einem feuerroten Spielmobil unterwegs. Konntet ihr euch im Tourbus bereits einleben und die jeweiligen Reviere abstecken? imgright

Volk-Man: (lacht) Dazu hatten wir noch gar nicht richtig Zeit. Wir sind nur kurz auf den Bus hoch und haben unsere Kojen gesucht. Heute war dann erstmal den ganzen Tag nur Aufbau, Zählen und Sortieren angesagt, denn es muss ja alles in der richtigen Reihenfolge gepackt werden. Wir hatten somit alle viel zu tun. Doch ich denke, wenn die erste Show vorbei und alles gut gelaufen ist, fällt uns allen erstmal ein Stein vom Herzen. Vorher weiß ja keiner, ob alles funktioniert (lacht erneut)

Gehen wir zunächst ein wenig zurück in die Vergangenheit. Euer Gitarrist Adrian ist ja mittlerweile seit zwei Jahren an Bord und war bereits auf einer Live-Tour mit dabei. Ist diese jetzt anstehende Tour eine weitere Bewährungsprobe, oder hat Adrian sich inzwischen schon vollständig in die Band integriert?

Volk-Man: Also Adrian hat sich bereits komplett eingearbeitet. Die erste Tour war schon eine Art "Einleben". Danach ging ja das Songwriting für die neue Platte los und in dieser Zeit ist die Band eigentlich so richtig zusammen gewachsen. Wir können es uns jetzt garnicht mehr anders vorstellen, als mit ihm unterwegs zu sein. Es ist ein sehr harmonisches Miteinander. Ich hoffe sehr, dass das auf absehbare Zeit die letzte Lineup-Änderung gewesen ist.

Was war denn damals los, als es dieses kurze Gastspiel von Lady Cat-Man gab? Aus welchem Grund hat sie die Band so schnell wieder verlassen? Gab es irgendwelche Schwierigkeiten?

Volk-Man: Ich sag' es mal so: bei sowas weiß vorher keine der Seiten so richtig, auf was man sich einlässt. Unser alter Gitarrist hatte uns seinerzeit verlassen und hätte uns nicht auf der "Licht"-Tour begleiten können. Es kam also dann dazu, dass Lady Cat-Man als Ersatz zu uns stieß. Doch es funktionierte irgendwie nur bedingt. Es wollte sich kein Zusammengehörigkeitsgefühl einstellen. Es war dann beiden Seiten eigentlich klar, dass es einfach nicht zusammen funktioniert. Um uns nicht lange herum zu ärgern und zu riskieren, dass es im Bösen auseinander geht, setzten wir uns zusammen und beschlossen gemeinsam, getrennte Wege zu gehen. Es ist alles gut abgelaufen, sowas passiert halt mal. Aber es war kein Drama.

Ziehen wir ein kleines Resumée. DIE APOKALYPTISCHEN REITER starteten vor ca. 15 Jahren. Es waren damals so ziemlich chaotische Anfänge; ihr kamt eher mit so einer fröhlichen Schunkellaune rüber. Wohingegen ihr heutzutage mit euren Alben Charts-Platzierungen erreicht. Habt ihr euch damals eine solche Entwicklung denken können oder hat euch das einfach überrascht? Was waren zu Beginn eure Erwartungen bzw. Hoffnungen?

Volk-Man: Also die ersten zwei, drei Jahre war es wirklich pures Chaos. Alles entstand einfach irgendwie aus dem Bauch heraus und wir haben uns auch nie so große Gedanken gemacht. Es stand auch eigentlich nie zur Debatte, dass wir mal von der Musik leben würden. Bis dann irgendwann immer mehr Leute zu unseren Shows kamen. Wir fingen dann doch an zu überlegen, zumal wir ein Tourangebot nach dem anderen erhielten. Aber jeder von uns hatte seinen Job, da musste man schauen, wie man das auf die Reihe kriegt und dann für die Band Urlaub nehmen. Und was ist mit der Familie? Was tut man, wenn man als Band irgendwie auf dem Sprung zu "mehr" ist? Man verdient mit der Musik noch nicht genug, um richtig davon zu leben, aber doch schon zuviel, um solch ein Angebot ausschlagen zu können. Irgendwann setzten wir uns dann an einen Tisch und entschieden, dass wir es wagen wollen. Wir kündigten also alle unsere Jobs und machten mit der Musik weiter. Es war nicht immer einfach.

Direkt die Jobs aufzugeben ist ja eigentlich recht riskant...

Volk-Man: Ja, es war schon riskant, aber wir waren damals (und jetzt auch) noch nicht zu alt, um wieder irgendwas anderes machen zu können, wenn es nicht geklappt hätte. Letztlich hat uns die Tatsache, dass immer mehr Leute zu unseren Shows kamen und uns Zuspruch gaben, in dem bestärkt, was wir machen. Wir fanden es damals auch einfach spannend, das quasi auch für die Fans zu tun.

Dafür lebt ja auch eigentlich ein Künstler überhaupt. Um die Leute zu unterhalten und glücklich zu machen.

Volk-Man: Genau! Man hat dann natürlich auch viel mehr Zeit, sich ums Songwriting und alles, was die Band anbelangt, zu kümmern. Es ist wie ein kleines mittelständisches Unternehmen. Der Part, in dem man etwas auf der Bühne aufführt, ist eigentlich so der intimste Kontakt zwischen Band und Fans. Aber die ganze Welt drumherum, in der wir uns eigentlich täglich treffen müssen, um Entscheidungen bezüglich Live-Shows, T-Shirt Design, Album Aufnahmen etc. zu fällen, sieht man zunächst nicht. Aber so eine Band ist wirklich ein allumfassender Fulltime Job.

Also seht ihr euch fast täglich?

Volk-Man: Es kommt drauf an. Wir haben jetzt während der Zeit der Entstehung des neuen Albums wirklich ein Jahr intensiv aufeinander gehockt. Die Songs wurden geschrieben, wir probten 2-3 Mal pro Woche viele Stunden, bevor wir dann für die Aufnahmen fast zwei Monate am Stück im Studio verbrachten. Direkt danach konnten wir eine kleine Auszeit nehmen, doch dann ging bereits im Januar die Planung für die Tour los. Sprich: Songs auswählen und üben, Showelemente integrieren... derzeit ist es für uns eine sehr aktive Phase. Das ändert sich natürlich ab und zu. Nachdem man so eine Hochphase hatte, muss es dann auch wieder 2-3 Monate geben, in denen jeder mal die Stopp-Taste drücken und etwas anderes machen kann.

Irgendwann geht man sich doch dann sicherlich auf die Nerven, oder? Wie ist das denn diesbezüglich überhaupt nach so vielen Jahren der Zusammenarbeit?

Volk-Man: Ich glaube, man hat sich aneinander so ein bisschen abgeschliffen. Jeder weiß, was die anderen ärgert oder freut. Und auf so einer Tour ist es immer wichtig, dass man sein eigenes Ego ein wenig zurück schraubt und versucht mit allen irgendwie klar zu kommen. Das war bei uns aber eigentlich nie das Problem, da innerhalb der Bandmitglieder eine sehr feste Freundschaft besteht. Eine Hälfte der Band kennt sich ja schon bereits seit unserer Schulzeit, als wir wirklich noch recht klein waren. Wir haben dann irgendwie über einen Jugendclub zusammen gefunden und daraus ist halt alles entstanden. Ist irgendwie verrückt...

Also waren die REITER früher eher ein zusammen gewürfelter Haufen und jetzt...

Volk-Man: ... hängt natürlich schon bisschen mehr dran :) Ich würde lügen, wenn ich jetzt sagte, man ist noch so unbekümmert wie früher. Denn wir haben mittlerweile große Verantwortung für uns als Band. Und so eine Tour muss man ja irgendwie von Anfang bis Ende durchziehen; die ganze Planung ist notwendig und die Crew muss man auch "mitziehen", Supportbands und die Busse sind zu bezahlen. Manchmal wird einem schlecht, weil teilweise sehr komische Beträge auf dem Papier stehen und man denkt: "Wie sollen wir das schaffen? Hoffentlich geht das alles gut..." Aber in der Regel funktioniert es ja auch. Doch man muss in dem Business einfach aufpassen, dass man nicht unter die Räder kommt, weil eben auch sehr viele Leute darin aktiv sind. Vor allem derzeit, in der sich der Musikmarkt z. B. durch Downloads sehr verändert hat und ganze Branchen quasi zusammenbrechen, aber an anderer Stelle gerade das Live-Geschäft ziemlich boomt. Da switcht natürlich sehr viel um, und man muss immer schauen, wer einem was unter die Nase hält.

Das führt mich zu einer anderen Frage. Weihnachten 2010 habt ihr einen ersten Song des Albums als Video auf myspace.com veröffentlicht, was auch von diversen Magazinen gefeatured und groß als News präsentiert wurde. Einerseits kam das als tolles "Geschenk" an die Fans rüber, aber andererseits gehört doch sowas eigentlich selbstverständlich zu einer Promotion dazu. Wie seht ihr das: ist das Internet für euch ein Fluch oder ein Segen?

Volk-Man: Eher ein Segen, denn ich glaube, dass man das auch gar nicht aufhalten kann. Dies ist einfach eine Informationstechnik in diesem Informationszeitalter; da kann man die Zeit nicht zurück drehen. Es ist genauso ein epochaler Schritt, wie damals, als Gutenberg seinen Buchdruck erfunden hat. Es gab seinerzeit ebenfalls Menschen, die dadurch ihre Existenzgrundlage verloren haben, doch andererseits ergeben sich dadurch für viele auch neue Möglichkeiten. Man muss einfach das beste draus machen. Ich finde, dass wir durch Portale wie Facebook oder Myspace einen Fankontakt wie noch nie haben. Ich erinnere mich da noch an früher, als wir Briefe gesammelt und teilweise noch mit Hand beantwortet haben. Heutzutage ist der Kontakt einfach direkter; als Band hast Du dadurch einfach mehr Chancen als Risiken. Denn man ist auf diese Weise das, was die Fans wollen. Label und Vertrieb sind den Leuten ja egal, sie wollen einfach nur die Musik und Band direkt. Natürlich haben all diejenigen, die "dazwischen stehen" auf gewisse Art ein Problem, denn sie werden in Zukunft versuchen, sich da irgendwie halten zu können. Doch Fans und Bands werden per Internet einfach sehr viel direkter vernetzt. Als Bsp. sei (auch wenn es eine völlig andere Musikrichtung ist) PRINCE genannt, der sein neues Album einfach verschenkt hat, in dem es als Gratisbeilage einem Musikmagazin beigefügt war. Und das ist es einfach!

Könntet ihr euch denn sowas für die REITER auch irgendwann mal vorstellen?

Volk-Man: Das weiß ich nicht, das kann man nicht vorher sehen. Wenn man nicht gerade z. B. Grönemeyer, der x-Millionen Alben verkauft, ist, ist eine CD eigentlich ein Promotion-Tool, mit dem man die Leute auf sich aufmerksam macht. Alles was Du an Geld hast, steckst Du da rein, um etwa die Produktion so fett und opulent wie möglich zu machen. Aber der Ertrag daraus deckt letzten Endes gerade so die Kosten.

Euer Label ist ja dafür bekannt, nach der Veröffentlichung einer "normalen" CD-Edition noch Sonderausgaben mit Bonusmaterial rauszubringen. Oft ärgern sich dann doch einige Fans, die sich die erste Edition zugelegt haben und für weitere einfach kein Geld mehr das ist. Wie steht ihr denn zu sowas?

Volk-Man: Sowas haben die REITER nie gemacht. Zwar gab es solche Angebote, aber letztlich ärgert es mich selbst als Musikfan ebenfalls maßlos. Es ist was anderes, wenn nach fünf oder sechs Jahren ein Album vergriffen ist und dann eine neue Auflage mit 1-2 Bonustracks erscheint. Dann ist sowas in Ordnung. Wir haben das mit unseren beiden ersten Alben, die noch bei einem anderen Label erschienen sind, gemacht und noch ein paar Zusatztracks, die sonst auch nie veröffentlich wurden, draufgepackt. Wenn man aber innerhalb eines Jahres mehrere Editionen veröffentlicht, dann hat ein Fan meiner Meinung nach durchaus Grund zu sagen: Das kauf ich mir jetzt nicht und besorge es mir ggf. woanders her.

Wie bekannt ist und man aus Deinen Worten heraus hört, sind die REITER eher eine immateriell eingestellte Band, die nicht sooo auf den Profit aus ist. Musik ist ja ein Gut, das man nicht in irgendwelchen Werten bemessen kann. In Urheberrechtsdiskussionen wird oft über solche Themen gestritten. Wer hat was komponiert, wer bekommt das Geld dafür etc. Wie positioniert ihr euch da?

Volk-Man: Also das Urheberrecht an sich ist eine wichtige Sache. Auch wenn das Internet natürlich viel bietet, sinkt der Wert der Musik, den man sicherlich nicht materiell beziffern kann, sondern der eher ideell ist. Die Tatsache, dass sie ständig und überall verfügbar ist, macht sie letztenendes immer weniger reizvoll. Z. B. gab es allein in Deutschland letztes Jahr über 8500 CD-Veröffentlichungen - das muss man sich mal vorstellen, das ist Wahnsinn. Gerade für die jungen Leute ist das Geile eigentlich die Hardware, also für die ist es wichtig, dass sie stolz sind, ein Iphone oder einen Ipod zu haben. Doch das, was da eigentlich drauf kommt, also die Software (die Musik) ist Nebensache. Das hat man sich dann irgendwie "besorgt". Und dann kann einfach nicht sein! Deshalb bin ich der Meinung, man muss da sehr aufpassen, dass dort ein vernünftiges Modell oder System entwickelt wird, bei dem Künstler nicht hinten runterfallen. Denn das Schlimme ist ja, dass oft die Künstler negativ betroffen sind, die gerade so an der Grenze leben. Manche können das dann einfach nicht mehr und hören auf, Musik zu machen. Das führt dazu, dass man nur noch diesen Mainstream-Dreck hat. Denen ist es dann egal, ob sie 2 oder 3 Mio Scheiben verkaufen. Aus dem Radio kommt nur noch Geduldel, es entstehen so zweifelhafte Formate wie DSDS - ein junger Mensch sieht doch da nur: "Ach, ich brauch nur bisschen rumhampeln, dann werd ich ein Star." Aber der ganze Fleiß, der Ehrgeiz oder das Verständnis, dass man monate- oder jahrelange Arbeit reinstecken muss, geht so verloren. Und das ist einfach schade, da muss man sich wirklich was überlegen. In Frankreich wird z. B. über eine "Kulturflatrate" diskutiert. Jeder Bürger soll pauschal für kulturelle Angebote zahlen. Letztendlich sind ARD und ZDF auch nichts anderes, in dem sie den Leuten Geld abnehmen - egal, ob Du es guckst oder nicht. Fakt ist, dass das Geld irgendwo generiert werden muss. Auch bei solchen Formaten wie Youtube. Wir hatten z. B. ca. 4 Mio Klicks auf unsere Videos, aber davon siehst Du als Band keinen Cent. Das ist tatsächlich ein Problem, das man irgendwie lösen muss. Ich glaube, das kann man aber nur, wenn man in ganz großem Maßstab denkt, man darf das nicht nur national sehen. So hatte Rapidshare in der Schweiz im letzten Jahr 35 Milliarden Downloads - super Sache! Weil die Schweiz nicht zur EU gehört, herrscht dort ist halt eine rechtliche Grauzone, aber es ist nun mal da. Man muss eigentlich alle Länder mit einbeziehen, um ein funktionierendes System aufzuzbauen. Doch es wird sicherlich noch mindestens 10 - 15 Jahre dauern, bis sich irgendwas etablieren wird. Ich sehe das in England; da hat einer der größten Musikvertriebe HMV einfach mal so pleite gemacht. Das ist krass...

Wir wollen hoffen, dass sich da in den nächsten Jahren wirklich noch etwas tun wird... England gibt mir ein weiteres Stichwort für eine letzte Frage: Ihr seid dort vor zwei Jahren auf einer ausgedehnten Tour gewesen. Wie werden die REITER denn im Ausland eigentlich aufgenommen? Sind die deutschsprachigen Texte da eher hinderlich? Denn hierzulande können die meisten Fans eure Songs ja mitsingen..

Volk-Man: Ich glaube, die Band hat im deutschsprachigen Raum ein anderes Standing. Musik mit Texten, die man versteht, hat natürlich eine andere Wirkung als nur die Musik allein. Es funktioniert zwar im Ausland auch super, aber doch auf einem anderen Level. Das ist halt bei allen Bands so, die in ihrer Muttersprache in einem anderssprachigen Land singen. Aber animations- und musiktechnisch kommen wir genauso gut an.

Na, das ist doch prima! Vielen Dank für Deine Zeit!

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