Livebericht Holy Moses (mit Hatred ) |
---|
Ein Livebericht von Opa Steve aus Andernach (Juz-Liveclub) - 27.02.2016 (29550 mal gelesen) |
Der Name "Germän Metäl Attäck" ist zwar etwas schmerzhaft für die Ohren und man fragt sich, ob der Overkill an Heavy Metal-Umlaut nötig gewesen wäre, aber daovon abgesehen handelt es sich bei der Veranstaltung im Andernacher JUZ einfach um eine kurzweilige Zusammenstellung von Old- und Newschool-Thrash. Der Auftritt der Heavy/Power Metaller ALSION beginnt mit dem epischen Instrumental 'Ex Flammis Orior', zu welchem der Fünfer die Bühne betritt. Dabei stehen im Zuschauerraum leider nicht viele Leute. Das ist schade, aber davon lassen sich Thomas Fischer (Vocals), Ingo Kolb (Gitarre), Uli Schultes (Gitarre), Martin Schwenk (Bass) und Tobi Schwenk (Drums) nicht abschrecken, sondern suchen sich ihren Platz auf den Brettern. Als ersten Song präsentiert die Band 'From the Ashes', der übrigens auch auf der aktuellen, im Januar erschienenen, Scheibe "Pale Shadows" dem Intro folgt. Auch wenn die Reaktionen des Publikums noch etwas verhalten sind, zeigen die Schwaben von Anfang an sehr viel Spielfreude, bewegen sich auf der Bühne und lockern die Atmosphäre durch ihre witzigen Ansagen und Unterhaltungen in schwäbischer Mundart auf. An der Musik und der Stimmung der Band kann es also nicht liegen, dass so wenig Zuschauer da sind. Die Songs verfügen durchweg über die im Genre typische Power und beinahe an MAIDEN angelehnte Gitarren sowie treibende Rhythmen. Die Gesangsmelodien sind relativ eingängig; manch einer würde sogar poplastig sagen. Trotzdem passt alles zum Gesamtkonzept der Heidenheimer. Mit 'Through The Fire' kommt an dritter Stelle ein weiteres Stück der letzten CD zum Zuge, danach hat man mit '19' eine ganz neue Komposition parat, die recht gut nach vorne treibt. 'Pale Shadows' läutet dann bereits die zweite Hälfte des Gigs ein. Anschließend startet 'Live Or Die' mit einem schnellen Double Bass, so dass man auch als Zuschauer etwas angeheizt wird. Diesen Drive nimmt man mit in das folgende 'Burn Them All', während bei dem wie ein Seefahrerlied klingenden 'Santa Maria' quasi Mitschunkel und Singalong-Stimmung aufkommt. Nach eine knappen halben Stunde beenden ALSION ihren Set und ernten dafür den verdienten Applaus der inzwischen auf ein paar Personen mehr angestiegenen Meute in der Halle. Achja, bevor ich es vergesse noch ein besonderer Gruß: #FickDichThomas ... Nach der Umbaupause folgt auf die schwäbische Fröhlichkeit ein ziemliches Kontrastprogramm. Denn SIC ZONE (früher A-RISE) stehen weniger für gute Laune denn für härteres Kaliber. Babyschreie und böse Keyboards im Intro läuten den Auftritt ein, während Fronter PY mit einer seltsamen Maske auf die Bühne tritt. Er und seine Mitstreiter tragen unisono graue Overalls, die Bühne hat man mit zwei Metall-Stelen dekoriert. Das macht deutlich, in welche Richtung die Musik der Kölner tendiert. Sie wirken wie eine Mischung aus Industrial, NDH und SLIPKNOT. Im Zuschauerraum haben sich einige Leute mehr als bei der Vorband eingefunden und einige schwingen schon beim ersten Stück die Matten. War der Sound bei ALSION leider etwas dünn, hat man diesen für SIC ZONE deutlich verbessert. Zusammen mit der viel in rot gestalteten Lightshow sowie den nach oben gerichteten Nebelwerfern verbreitet sich schnell eine harsche, straighte Atmosphäre. Die Truppe präsentiert neben Titeln ihrer 2013er CD "Bear The Consequences" wie 'Coma' (in dem Bassist Chico sowie Gitarrist Morbid ihren Drummer Pablo auf zusätzlichem Schlagwerk begleiten) auch den Song zu ihrem Video 'Dust To Dust' (incl. Schlagzeugsolo). Insgesamt klingt der Industrialsound sehr angesickt, da passt der Name SIC ZONE schon irgendwie. Doch trotz all der Härte hat PY stets genderpolitisch korrekte Ansagen parat, indem er diese immer mit "liebe Freundinnen und Freunde" beginnt. Außerdem widmet man ein Lied allen, die man verloren hat oder präsentiert einen Song gegen Intoleranz. Kurz vor Schluss des Gigs erhalten die Vier musikalische Unterstützung der Andernacher INCERTAIN, denn deren Sängerin Hülya sowie einer der Gitarristen performen zusammen mit SIC ZONE auf der Bühne. Fronter PY tummelt sich während dessen im Publikum, um von dort aus zu singen. Anschließend gibt es von den Kölnern noch ein letztes Stück, nach dem sie unter angemessenem Beifall die Bretter verlassen. Auf HATRED haben sich schon alle Freunde des Adrenalins und der pfeilschnellen Riffattacken gefreut. Leider macht Frontspringteufel Matthias schon sehr früh klar, dass es sich hierbei um eine Art Abschiedstour handelt. Ja, HATRED werden sich nach 18 Jahren Bandgeschichte auflösen. Was jammerschade ist, denn bei diesem Gig ist eigentlich jeder Ton ein Treffer. Schon beim zweiten Song ist den Jungs das Publikum zu licht vor der Bühne. Und wie ist das mit dem Berg und dem Propheten? Richtig! Einer muss sich bewegen. Und das sind in diesem Fall der hyperaktive Schreihals und später noch die Gitarren-Sidekicks, die ins Publikum springen und zwischen den Leuten ihre Show reißen. Der Einsatz wird belohnt, denn ab da ist das Publikum deutlich folgsamer. Aber auch überzeugter, denn HATRED bringen eine absolut geile Leistung. Sie benehmen sich nicht so, als würden sie sich aufs heimische Sofa freuen, sondern als wären sie heiß auf weitere 18 Jahre Bandkarriere. Kurzum: mehr Bühnenpower hat an diesem Abend niemand. Von der Handvoll Alben, die HATRED in ihrem Katalog haben, wird von uralten Songs ('Fractured By Fear') bis zu 2015er Titeln ('War Of Words' vom gleichnamigen Album) alles geboten, was HATRED ausmacht. Dabei sind gerade die schnellen Thrasher geeignet, die Sau rauszulassen, was vor allem die Band mit Propellerbanging und kleinen Moshpit-Animationen vorlebt. Irgendwann ist dann leider nach einem fulminanten 'We Are The Moshcrew' die vermutlich letzte Chance, die Band noch live zu erleben, vorüber. Sehr schade. Aber so steht als Schlussakkord nochmal ein beeindruckend kurzweiliger und energischer Gig im Raum, an den man sich noch lange erinnern wird. Und Durst hat das gemacht, also - Fahrer sei dank - eine kleine Bierpause. HOLY MOSES, die eigentlich aus Sabina Classen nebst wechselnder Begleitband bestehen, machen schon auf ihrem Backdrop unmissverständlich klar, dass sie sich nach hauseigener Zeitrechnung schon seit 1981 auf dem Hartwurstsektor tummeln und nicht erst seit dem ersten Longplayer "Queen Of Siam", der 1986 aufgrund der erstmalig praktizierten weiblichen Grunts durchaus für Aufmerksamkeit sorgte. Ja, auch wenn sich die aktuelle instrumentale Begleitung in der durstigen Newcomerzeit keine Brötchen verdient hat und erst in den späteren Nuller-Jahren hinzu gestoßen ist, so gehen HOLY MOSES gleichermaßen als Institution wie auch immer noch als Underground durch. Sabina beweist mal wieder unermüdlich, wie viel Spaß sie daran hat, auch nach über 30 Jahren vor 250 Gästen aufzuspielen und alles zu geben. Natürlich weiß sie, was die Fans von ihr fordern. Und so ist auch an diesem Abend wieder ein echtes True-Metal-Bitch-Outfit angesagt, wobei neben der verblichenen Kutte ein altes MOTÖRHEAD-Shirt nochmal ganz klar Lemmy Tribut zollt. Apropos Lemmy: Sabina trinkt zwar fast die ganze Zeit Sekt aus einem Festival-Kübel, aber irgendwann wird dann doch mal auf Lemmy stilecht mit Whisky-Cola angestoßen. Die Dame, die im Publikum im schwarzem Kleid lässig mit anstößt, ist übrigens die Frau des Gitarristen. Später wird Sabina noch erklären, warum diese sich so schick gemacht hat, denn die beiden haben genau an diesem Abend ihren ersten Hochzeitstag. Den mit einem Livegig zu feiern nenne ich auch mal richtig true. Glückwunsch nachträglich! Musikalisch geht es richtig oldschool los. Mit dem vertrackten Album "The New Machine Of Liechtenstein" steigen sie ein, indem sie sich an 'Def Con II' warmspielen. Mit 'Finished With The Dogs' und 'Life's Destroyer' wird es dann gleich brutaler, bevor man die ersten neuen Songs der aktuellen Scheibe "Redefined Mayhem" darbietet. Nach 'Hellhound' merkt Sabina clevererweise zu 'Undead Dogs' an, dass die Band wohl irgendwie einen Narren an Hunden gefressen hat. Überhaupt ist Sabina sehr redselig, plappert strahlend, wie ihr der Schnabel gewachsen ist und macht jede Minute klar, dass sie das, was sie tut, aus vollem Herzen tut. Spontanität ist großgeschrieben, nicht nur in ihren Ansagen, sondern auch in der Bühnenshow. Natürlich hat sie im Laufe des Gigs aufgrund des Sektgenusses immer spürbarer die Lampe am Brennen, aber wie sie sich ausgelassen auf dem Boden wälzt, mit der Saitenfraktion um die Wette post oder agil durch die Gegend hüpft, hat rein gar nicht mit der typischen Frau in den 50ern zu tun. Natürlich kokettiert sie mit ihrem Alter auch ein wenig. Wenn sich in der ersten Reihe mal jemand mit dem eigenen Alter für die Bewegungsfaulheit rausreden möchte, kommen dann Sprüche wie "Du willst älter sein als ich? Ne, ich seh' nur jünger aus!". Und auch auf die "Ausziehen!!"-Rufe eines langhaarigen Trunkenbolds reagiert sie souverän: "Du willst dich ausziehen? Na, dann komm hoch und mach!". Was sich besagter Fan auch nicht nehmen lässt und seinen blanken ... nein, wir wollten das wirklich nicht sehen ... In der Mitte des Sets geht es nach einigen neuen Titeln wieder zurück zum Meilenstein, äh "... Liechtenstein". 'Near Dark', 'Lost In The Maze' und 'Panic' bilden den nächsten Frickel-Block, was zwar nicht dafür sorgt, dass die Leute total steil gehen, aber musikalisch damals wie heute einfach total interessant ist. Die neue Begleitband zockt den Kram tight und nah am Original. Bei der Menge an Songs, die an diesem Abend geboten werden, ist wirklich Platz für jede Periode der langen Schaffenszeit, in der sich HOLY MOSES stilistisch immer wieder gewandelt haben. Sabina erklärt kurz, dass sie an diesem Abend einfach beide (!!) Sets der 70000 Tons Of Metal-Tour diesen Winters darbieten werden. Das heißt 90 Minuten Vollbedienung, was bei Drummer Gerd natürlich auch für entsprechenden Kraftumsatz bedeutet. Vor 'Reborn Dogs' fragt Sabina dann mal mit Blick hinter die Schießbude: "Schaffste den noch?", doch neben den Drumsticks gehen dort zwei Daumen hoch und die Blasts machen einfach nur noch Spaß. Feines Getrümmer! Nach gefühlten zwei Dutzend Songs verzichtet die Band komplett auf die Bühnenspielchen einer Zugabe, sondern möchte die gute Stimmung am Stück weiter ausnutzen. Sabina gratuliert nochmal ihrem Gitarristen und dessen Frau, die auf die Bühne zum Anstoßen kommt, zum Hochzeitstag. Nicht, ohne Metal-Kreuzfahrten als die beste Single-Börse anzupreisen, denn die zwei hatten sich einst auf der Barge To Hell kennengelernt. Und da auf der Bühne noch Platz ist, dürfen sich auch noch ein paar Fans zur Band gesellen, um gemeinsam den üblichen Rausschmeißer 'Too Drunk To Fuck' (was wir für die beiden Jubilare nicht hoffen!) zu intonieren. HOLY MOSES machen auch 2016 noch richtig Spaß und mir gefällt dieser Gig besser als die letzten beiden Konzerte, die ich über die Jahre verteilt noch gesehen hatte. Vor allem auf dem Metalfest auf der großen Loreley-Bühne sprang der Funke damals nicht wirklich über. Da ist der JUZ-Live-Club ohne Fotograben einfach nur perfekt und der Kontakt zwischen Band und Publikum hervorragend. Ich möchte wetten, dass man auch in den nächsten 10 Jahren noch fest mit HOLY MOSES rechnen muss. |
Alle Artikel