Bipolar Architecture - Metaphysicize

Review von Zephir vom 06.02.2024 (8651 mal gelesen)
Bipolar Architecture - Metaphysicize Das ist Post Metal, wie er sein soll: "Metaphysicize", das zweite Output der türkisch-deutschen Formation BIPOLAR ARCHITECTURE, überrollt die Hörerschaft mit episch-raumgreifender, brachialer Tongewalt. Wer sie nicht kennt: Es handelt sich bei BIPOLAR ARCHITECTURE um das Quasi-Nachfolgeprojekt der Death Metal-Band HERETIC SOUL. Diese war mit Basis in Istanbul und nur zwei Releases von 2010 und 2013 hierzulande zwar auch nicht übermäßig bekannt, doch zeigt die Historie, dass Sarp Keski (Vocals, Gitarre) und Enes Akovali (Bass) keine Frischlinge sind. Die Umbesetzung der Bandmitglieder für BIPOLAR ARCHITECTURE seit dem Release der EP "The Tragic Protagonist" (2020) über das Debüt "Depressionland" (2022) bis heute kann ich im Detail nicht nachvollziehen; das Berliner Label Pelagic Records nennt nun jedenfalls noch Marcus Sander an der Gitarre und Fatih Kanık als Drummer.

"Depressionland" hinterließ in deutschen Kritiken einen überaus positiven Eindruck, der sich mit "Metaphysicize" weiter verfestigen wird. Wie schon die Betrachtung des abstrakt verkopften Coverarts durchaus Großes erwarten lässt, überzeugt das Album mit einer gekonnten Mischung aus Doom- und Blackgaze-Riffs, aggressivem Blastbeat und proggiger Komplexität, die all dies zu einer vieldimensionalen Sphärenlandschaft verwebt. Die anfängliche Kontemplation einer einzelnen Gitarre im Opener, die sich mit allmählich aufbauendem Konterpart-Riffing und spannungsgeladenen Drums schließlich in melancholischer Schwere entlädt, gibt die Richtung des Werkes vor: "Metaphysicize" steht auf der Schattenseite des Universums.

Die Harsh Vocals von Frontmann Sarp Keski sind heiser und rauh und liefern mit ihrem Black-Metal-Timbre einen etwas überrascheden Kontrast zum progressiv-doomigen Geschehen. Mit dem zunehmend aggressiver werdenden 'Disillusioned' baut sich eine zornige, hoffnungslose Stimmung auf, die schließlich in der vorläufigen Klimax 'Death Of The Architect' kulminiert. Was hier wie in einem kosmisch-transzendenten Gesamtzusammenhang platziert wird, ist das Gedenken an Keskis verstorbenen Vater - und an die Väter aller Bandmitglieder. Musikalisch umgesetzt wird dies mit einem Wechsel von Blast-Salven und klagendem Post-Doom-Riffing; die raffinierte Drumarbeit ist ebenso technisch-verkopft wie hoch emotional.

Es folgt ein Track in Keskis türkischer Muttersprache - 'Kaygı', eine schmerzerfüllte Post-Metal-Weise, die vom rumpelnd schwarzmetallischen 'Alienated' abgelöst wird. Doch auch hier gibt es experimentelle Brüche in Dynamik und Metrik, die über das desolat-depressive 'Immor(t)al' ein wenig an Gewalt verlieren und schließlich mit dem progressiven 'Dysphoria' den metaphysischen Kreis schließen.

Über die absolute Stimmigkeit in Komposition und Arrangement, die die unterschiedlichen Elemente zu einem einzigen, großartigen Klangkoloss vereint, kann man nur staunen. Zudem ist die Produktion so sauber und klar, wie sie sein muss, ohne übertrieben glattpoliert zu wirken. Hier sind wahre Künstler der Klangarchitektur am Werk. Wer sich gerne mit den musikalischen Strukturen von CULT OF LUNA oder PSYCHONAUT auseinandersetzt, sollte unbedingt einmal reinhören.



Gesamtwertung: 9.0 Punkte
blood blood blood blood blood blood blood blood blood dry
Trackliste Album-Info
01. Metaphysicize
02. Disillusioned
03. Death Of The Architect
04. Kaygı
05. Alienated
06. Immor(t)al
07. Dysphoria
Band Website:
Medium: CD, LP
Spieldauer: 40:36 Minuten
VÖ: 02.02.2024

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten