Interview mit Gitarrist René und Bassist Peter von Purgatory

Ein Interview von Jukebox vom 25.02.2011 (15467 mal gelesen)
Im Rahmen des Brutal Brutality im Jugendhaus Erlenbach, wo neben den Headlinern PURGATORY auch Bands wie DARK SOUL, SELBSTENTLEIBUNG, CARNAL DECAY und STREAMS OF BLOOD spielten, traf ich mich mit PURGATORY-Gitarrist und Gründungsmitglied René und dem seit 2007 in der Band aktiven Bassisten Peter, um unter anderem über das neue Album "Necromantaeon" zu sprechen. Die beiden erwiesen sich als äußerst sympathische Zeitgenossen, und gaben bereitwillig Auskunft.

Da sich dieses Interview recht spontan ergeben hat, konnte ich die neue Scheibe im Vorfeld leider noch nicht hören. Erzählt doch mal, worin eurer Meinung nach der größte Unterschied zu den Vorgängeralben besteht.

René: So extrem große Unterschiede gibt es zu den Vorgängeralben eigentlich gar nicht. Für uns persönlich ist es einfach die logische Weiterentwicklung zu "Luciferianism" und "Cultus Luciferi". Der gravierendste Unterschied ist sicher die ganze Soundgeschichte. Wir haben diesmal das Studio gewechselt und haben mit einem alten Kumpel von uns zusammengearbeitet, Patrick W. Engel, der schon ewig in diesem Geschäft ist, mit dem die Zusammenarbeit bisher aber leider noch nie zustande kam. Wir waren zusammen mit ihm im Rape of Harmonies-Studio in Triptis, wo er das eben schon seit vierzehn oder fünfzehn Jahren macht und schon mit Bands wie HEAVEN SHALL BURN, IMPENDING DOOM und ATANATOS gearbeitet hat. Wir haben uns im Vorfeld zusammengesetzt und uns mit ihm besprochen, und dabei sind seine Vorstellungen mit unseren Ideen ziemlich konform gegangen. Wir wollten im Verhältnis zu "Cultus Luciferi" einen noch finstereren, atmosphärischeren Sound, der aber gleichzeitig genauso auf die Fresse haut und roh und brutal rüber kommt. Die Grundidee von Patrick war es, unsere Liveenergie (von welcher ich mich zu späterer Stunde überzeugen durfte - Anm. des Verfassers) auf das neue Album zu bannen.

Peter: Eigentlich haben wir den Sound, den wir auf den vorherigen Scheiben, vor allem aber auf "Cultus Luciferi", entwickelt haben, ein wenig als Basis genommen. Es war nicht so, dass wir unbedingt etwas ändern wollten oder mussten, sondern wir wollten unseren Sound eben lediglich noch mehr auf den Punkt bringen und finsterer gestalten, wie René es eben auch schon gesagt hat. Und ich denke dass uns das auch ganz gut gelungen ist.

Wie lange habt ihr denn Zeit gehabt für die Aufnahmen?

René: Wir hatten das Studio für 12 Tage gebucht, haben aber effektiv nur sieben bis acht Tage gebraucht, und das, obwohl wir uns den individuellen Freiraum gelassen haben, gewisse Dinge noch spontan zu ändern. Wir gehen also nicht ins Studio und haben jede Note bis ins kleinste Detail geplant. Die Grundstruktur steht im Großen und Ganzen, aber manchmal kommen während des Recording-Prozesses einfach noch ein paar Ideen, die man dann mit einfliessen lassen kann. Und dadurch, dass wir diesmal wirklich genügend Zeit hatten, konnten wir an diversen Ideen eben auch noch ausreichend feilen, und hatten beispielsweise auch für den Gesang noch viel mehr Freiraum als bisher. Da hat sich unsere gute Vorbereitung auch bezahlt gemacht, und das ist heute eigentlich auch die Grundvoraussetzung wenn man professionell arbeiten möchte. Alles in Allem war es wirklich extrem entspannt.

Was haltet ihr generell von der seit längerem anhaltenden Sounddiskussion? Ihr selbst bevorzugt ja den alten, rauen Sound.

René: Ja, das ist definitiv so! Dieses zu Glattgebügelte ist einfach nichts für uns. Man sollte natürlich eine ordentliche Produktion anstreben, aber man kann auch trotz einer guten Produktion noch sehr roh und bodenständig klingen, und das ist uns mit Patrick auf "Necromantaeon" sehr gut gelungen. Er hatte da einfach auch ein sehr gutes Fingerspitzengefühl und wusste im Vorfeld schon sehr genau, was er mit unseren Ideen anfangen kann. Den Gitarrensound haben wir zum Beispiel innerhalb von zwanzig Minuten gefunden, wo man mit anderen manchmal drei bis vier Stunden dran rumbastelt. Aber er wusste ganz genau was ich will, hatte selbst noch zwei, drei Ideen, und im Endeffekt haben wir dann aus drei oder vier Varianten genau den Sound gefunden, den wir haben wollten. Und das zeigte uns eben auch wieder die Professionalität von Patrick.

Ihr habt vorhin gesagt dass ihr vor allem die Liveenergie im Studio einfangen wolltet. Habt ihr denn bei den Aufnahmen dann auch entsprechend live zusammengespielt, oder seid ihr dennoch Schritt für Schritt, beziehungsweise Instrument für Instrument, vorgegangen?

René: Das haben wir schon eins nach dem anderen gemacht, weil das einfach die praktischste Herangehensweise ist. Ich finde es allerdings generell sehr interessant, manche Teile auch direkt live einzuspielen. Aber für das Album war es einfach zuträglicher diesen Weg Schritt für Schritt zu gehen.

Was könnt ihr uns über das textliche Konzept der Scheibe verraten? Gab es ein übergeordnetes Thema, oder stehen die Songs alle für sich allein?

Peter: Während man an den Songs feilt und arbeitet, bekommt man immer mehr ein Bild davon, was auch textlich dazu passen würde. Dabei arbeiten wir auch nach wie vor mit unserem alten Sänger Sick (Sänger von 1994 - 2005 - Anm. des Verfassers) zusammen, und er hat immer wieder einige Grundideen angebracht, die dann am Ende ein Gesamtbild geformt haben. Das Grundkonzept muss bei PURGATORY immer einen dunklen und finsteren Bereich behandeln, und entsprechend ist auch der Albumtitel "Necromantaeon" irgendwann gereift. Dieser Titel ist von der Grundidee her in jedem Song irgendwie vertreten, also die Nekromantie (Kontaktaufnahme mit den Toten, oder auch die Totenbeschwörung - Anm. des Verfassers) oder auch der Tod an sich. Wir beleuchten dabei allerdings alles aus einer etwas anderen Perspektive, aber die Figur des Todes ist auf dem gesamten Album sehr präsent. Trotzdem ist es keineswegs ein Konzeptalbum.

René: Du kannst die Songs alle für sich allein stehen lassen. Es gibt zwar zwischen zwei oder drei Songs mal eine Verbindung, aber es ist definitiv kein Konzeptalbum, und wir hatten auch nicht vor, eines zu machen. Necromantaeon steht für uns für ein Zeitalter des Niedergangs oder, wie Peter sagte, für den Tod.

Wie muss man sich das Songwriting bei euch vorstellen? Kommt jemand mit einem fertigen Song an, oder arbeitet ihr einzelne Ideen gemeinsam aus?

René: Eher Letzteres. Jeder hat seine Ideen, zu denen dann in ausgedehnten Jamsessions alle möglichen Varianten und Riffs ausprobiert werden. Es kann zwar auch mal sein, dass einer von uns mit fast fertigen Songstrukturen ankommt, aber dann wird trotzdem immer gemeinsam so lange dran rumgefeilt, bis jeder damit zufrieden ist. Hin und wieder ist man selbst vielleicht auch etwas eingefahren, und jemand anders kann einem dann beispielsweise sagen welcher andere Beat eher dazu passen würde. Und gerade diese Jamsessions mag ich sehr, denn dabei merkt man oft, was man aus einem Riff oder Song noch gemeinsam rauskitzeln kann. Von daher sind wir eher eine Jam-Band als eine Computer-Band, die ihre Riffs am Computer zusammenschiebt und durch die Welt schickt, um sie dann bei der nächsten Probe spielen zu können. Sowas mag ich nicht wirklich. Es braucht eben alles seine Zeit, denn der eine Song entsteht schneller, bei anderen bist du vielleicht auch mal festgefahren und lässt ihn erst mal liegen oder jemand anders kann eher was dazu beitragen. So macht das Arbeiten aber viel mehr Spaß und ist auch am effektivsten, da man eben sehr viel probieren kann und nicht stur einen Stiefel durchzieht.

Entstehen die Texte dann zur fertigen Musik, oder ist es eher umgedreht?

René: Das ist absolut unterschiedlich. Manchmal ist ein Songtext gereift und im Großen und Ganzen fertig, und daraufhin wird dann mal ein Song dementsprechend angepasst. Genauso kommt es aber vor, dass jemand ein Riff oder eine Songidee hat, auf die dann der Text angepasst wird. Wir legen uns aber im Vorfeld nicht fest und sagen uns, dass wir jetzt für das nächste Album zum Beispiel acht Texte brauchen die dann fertig sein müssen. Wie Peter vorhin schon sagte arbeiten wir bei den Texten nach wie vor mit unserem alten Sänger Sick zusammen, und da kam es dann auch schon mal vor, dass ein Text schon stand und wir dazu dann einen Song ringsrum gebaut haben, aber in der Regel ist das alles sehr individuell.

PURGATORY gibt es ja nun schon seit fast 20 Jahren. Wie seid ihr allgemein mit der Entwicklung der Band zufrieden? Heute spielt ihr zum Beispiel hier in Erlenbach vor einem relativ kleinen Publikum. Hattet ihr euch selbst anfangs mehr erhofft, oder wie seht ihr selbst die Stellung von PURGATORY?

René: Ich halte das eigentlich für sehr wichtig. Natürlich ist es eine feine Sache auf einem Festival vor zehntausend Leuten zu spielen, aber nur vor so großem Publikum und in großen Sälen zu spielen würden wir selbst gar nicht wollen. Wir fühlen uns auch in sehr kleinen Clubs relativ wohl, und manchmal ist eine kleine Show vor vielleicht hundert Leuten weitaus intensiver, als eine Show vor tausend Leuten. Ich persönlich möchte die Erfahrung kleinerer Clubshows einfach nicht missen und möchte das auch weiter tun, gerade weil es eben oft familiärer und intensiver ist. Festivalgigs und größere Shows haben sicher auch ihren Reiz, aber sowas spielt man eben nicht permanent.

Peter: Es würde auch überhaupt nicht zu uns passen plötzlich nur noch Festivals und größere Sachen zu spielen. Da würde uns definitiv was fehlen.

René: Das wollte ich auch gerade sagen, vor allem weil die kleinen Clubs einen gewissen Reiz ausmachen. Man kennt die Clubs oft noch nicht und kann sich überraschen lassen was so auf einen zukommt, und meistens hat man davon auch wirklich positive Erlebnisse, zum Beispiel dass die Shows einfach oft grandios werden.

Der Älteste von euch, nämlich Lutz, ist jetzt 40 Jahre alt, und Peter ist 23. Macht sich der Altersunterschied innerhalb der Band irgendwie bemerkbar, oder gab es da von Anfang an überhaupt keine Unterschiede?

Peter: Da gab es eigentlich nie irgendwelche Probleme. Das vergisst du einfach und es ist irgendwann überhaupt nicht mehr relevant. Klar gibt es hier und da gerne mal den ein oder anderen Spruch, aber das gehört eben auch dazu.

René: Ich seh da auch absolut keine Probleme, zumal sich Peter von Anfang an wunderbar in die Band eingefügt hat, und das harmoniert auch wirklich alles, ganz egal, ob es jetzt ums Songwriting geht, oder um sonstige Dinge. Jeder hat so seinen Platz und sein Aufgabengebiet in der Band, obwohl wir natürlich versuchen so viel wie möglich zusammen zu machen. Reibereien gibt es natürlich überall mal, aber ich denke dass wir uns alle ziemlich perfekt ergänzen, ansonsten wäre vieles auch gar nicht möglich, denn immerhin machen wir das alle nur nebenbei und sind kein Betrieb. Und gerade deswegen sollte da schon eine gewisse Freundschaft, oder zumindest eine gute Zusammenarbeit, vorhanden sein.

Peter, wie lange bist du jetzt dabei? Und war es Anfangs schwierig für dich, zu einer Band dazu zu stossen, die schon so viele Jahre existiert?

Peter: Ich bin im Januar 2007, also direkt zum Songwriting für "Cultus Luciferi", in die Band gekommen und bin eigentlich gleich ins kalte Wasser gesprungen, aber es hat von Anfang an gut hingehauen.

René: Im Prinzip hatte er gar keine Zeit nervös zu sein oder uns stundenlang zu beschnuppern, weil wir eben gerade mitten im Songwritingprozess steckten. Peter hatte die Entscheidung getroffen bei uns einzusteigen, und wir haben einfach gesagt dass wir es probieren. Wir hatten zu der Zeit auch nicht die Situation, dass wir erst mal ein paar Shows spielen konnten um zu sehen wie es klappt, sondern das Hauptaugenmerk lag eben vor allem recht intensiv auf der Studiovorbereitung. Im Nachhinein war das aber gar nicht so schlecht, denn Peter wusste somit von Anfang an, wie die Band in einer gewissen Stresssituation arbeitet. Die Ruhephase begann dann erst nach der Veröffentlichung, und damit kam dann auch so eine Art Erfolgswelle, weil die "Cultus Luciferi" überall relativ gut abgeschnitten hatte.

Wie fielen denn die bisherigen Reaktionen auf die neue Scheibe aus?

René: Wir können uns bisher absolut nicht beschweren, denn die Reaktionen sind bislang wieder sehr positiv ausgefallen. Die ganze Promoarbeit fängt eigentlich auch jetzt erst an erste Früchte zu tragen, und wir lassen uns einfach mal überraschen was noch so kommt.

Was steht dieses Jahr bei euch noch auf dem Programm?

René: Im Moment stehen noch einige kleinere Festivals auf dem Programm, aber auch größere Sachen wie das Barroselas Metalfest in Portugal und das Metalfest in Dessau, und es sind noch einige Sachen im Gespräch, die im Laufe der nächsten Zeit bestätigt werden. Wir planen auch für dieses Jahr noch eine Europatour zu spielen, aber auch da ist bisher noch nichts wirklich spruchreif. Auf jeden Fall wird aber noch in diesem Jahr eine Split-LP mit DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT (die sich an diesem Abend ebenfalls im Publikum befinden - Anm. des Verfassers) erscheinen, wofür wir gerade noch das Format und das Layout klären. Dabei handelt es sich um neue, exklusive Songs, die speziell für diese Split-LP geschrieben und aufgenommen wurden.

"Necromantaeon" erscheint neben der normalen Jewelcaseversion und dem Digipack ebenfalls in verschiedenen Vinyl-Versionen. Seid ihr selbst Sammler?

René: Auf jeden Fall, daher legen wir selbst auch viel Wert darauf, dass unsere Scheiben ebenfalls auf Vinyl erscheinen. Das neue Album gibt es als schwarzes Vinyl, blau-grünes Vinyl und zusätzlich noch als Picture-LP, wobei die Coloured- und die Picture- Versionen jeweils auf hundert Stück limitiert sind.

Vielen Dank dass ihr euch die Zeit für uns genommen habt. Irgendwelche letzten Worte?

René und Peter: Wir bedanken uns für das Interview, und wünschen eurem Magazin alles Gute für die Zukunft.

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