Interview mit Ray Wilson von Ray Wilson

Ein Interview von des vom 05.07.2022 (19671 mal gelesen)
Ray Wilson war zweifellos die bessere GENESIS-Stimme, leider nur für kurze Zeit. Doch mit seiner früheren Band STILTSKIN hatte er einen Megahit namens 'Inside'. Doch seit Jahren ist er mit seiner Band solo unterwegs und bietet auf seiner never-ending Tour einen grandiosen Mix aus GENESIS-, STILTSKIN- und Solo-Songs. Wir sprachen mit ihm über seine Tour, natürlich über GENESIS, das unvermeidliche Thema Covid und - die Queen und Yoga.

Hallo Ray, es ist mir eine große Ehre, mit dir ein Interview machen zu können. Bist du gerade auf Tour?

Ray Wilson: Ja, eigentlich die meiste Zeit. Morgen geht es weiter in den Süden Deutschlands, dann geht es wieder nach Polen und Frankreich, ich reise viel im Moment, aber es ist gut!

Feierst du den heutigen Queen's Day zu ihrem 70-jährigen Amtsjubiläum?

Ray Wilson: Nicht so sehr bis jetzt, aber ich habe mir im Fernsehen einen Teil der Jubiläumsfeierlichkeiten angesehen. Ich meine, mich kümmert die Monarchie nicht allzu sehr, aber es ist schon beeindruckend, wie Elizabeth die Vergangenheit all die Jahre bewältigt hat - mit all der Schande, die über Großbritannien gekommen ist, wie dem Brexit, ist sie das letzte Stück Würde, das dem Land geblieben ist.

Kannst du dir vorstellen, über 70 Jahre lang denselben Job zu machen?

Ray Wilson: Ich muss schon sagen, das ist unglaublich! Ich glaube auch nicht, dass Charles, wenn er irgendwann einmal das Amt übernimmt, diese Aufmerksamkeit aufrechterhalten kann. Er hat einfach nicht ihr Charisma und den Respekt, den sie genießt. Es wird interessant zu sehen, wie es weitergeht, aber was sie betrifft, hat sie einen bemerkenswerten Job gemacht.

Ich habe euch vor Kurzem live gesehen, und zwar in Spielberg. Interessant, dass das einzige Österreichkonzert in diesem kleinen Städtchen stattgefunden hat. Es spielt für euch keine Rolle, in so einer kleinen, lokalen Veranstaltungshalle zu spielen? imgleft

Ray Wilson: Es war wirklich nett dort, die Organisation ist wirklich fabelhaft, wir haben es sehr genossen. Kleine Hallen kommen vor, manchmal sind sie klein und belebt, manchmal groß und voll und manchmal klein und ruhig. So ist das Leben. Heutzutage ist es schon schwierig festzustellen, was man eigentlich erwarten kann. Die Leute werden mittlerweile etwas entspannter, aber im März und auch April waren sie doch noch sehr nervös [Anm.: wegen Covid]. Alles, was du tun kannst, ist, mit den Leuten, die dort sind, eine großartige Zeit zu verbringen. Mehr kann man nicht machen, that's it.

Es war toll in Spielberg, auch wenn das Setting ungewöhnlich war mit den Stehtischen in der Mitte und der Bestuhlung seitlich. In der Mitte standen die jüngeren Leute, seitlich saßen ältere, die vielleicht auch etwas überrascht waren, wie rockig ihr die GENESIS-Songs interpretiert.

Ray Wilson: Unser Publikum ist höchst unterschiedlich, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass GENESIS schon 1968 begonnen haben. Man findet Leute in den 60ern und 70ern, wobei es gerade in Deutschland eine große Klammer gibt. You know, manche stehen lieber, und manche möchten sitzen, was aber völlig altersunabhängig ist. Wichtig ist, dass die Leute es genossen haben, und ich hoffe, dass wir nicht zu laut waren, aber ich habe niemanden die Halle verlassen sehen [lacht].

Es kann nie zu laut sein, aber als ihr nach der Pause 'Callling All Stations' gespielt habt, hat das erste Riff die Halle fast weggeblasen ...

Ray Wilson: Ja, wir spielen in der ersten Hälfte ein ruhigeres, teilweise akustisches Set und in der zweiten Hälfte die rockigen Nummern.

Das Konzert lief ja unter "RAY WILSON Plays GENESIS Classics", der Rest der Tour läuft unter "The Weight Of Man Tour". Ändert ihr die Setlist?

Ray Wilson: Das hängt immer davon ab, wo wir spielen. In Spielberg zum Beispiel kennen mich die Leute nicht so gut, darum versuchen wir etwas Vertrautheit mit den GENESIS-Songs herzustellen, die die Leute kennen. Wenn ich woanders hingehe, wo ich seit zwanzig Jahren jedes Jahr spiele, wird die Setlist kaum einen GENESIS-Song enthalten, vielleicht ein wenig von "Calling All Stations", 'Carpet Crawler' und 'Mama', so in der Art, dafür mehr meiner eigenen Sachen aus der STILTSKIN-Zeit. Das hängt ganz davon ab, wo wir sind. imgright

Wie hätten sich GENESIS weiterentwickelt, wenn du eine weitere Platte mit ihnen hättest machen können? Rockiger?

Ray Wilson: Ja, das glaube ich schon. Wenn wir auf Tour waren, wurden GENESIS rockiger. Ich glaube, dass wir dem eine leicht neue Dimension hinzugefügt haben. Bevor Nir [Anm.: Nir Zidkyahu, Drummer 1997-1998] dazukam, war das die poppige 'I Can't Dance'-Phase. Als wir mit "Calling All Stations" begonnen haben, waren vielleicht ein, zwei Songs etwas leichter, aber wir versuchten wirklich, davon wegzukommen. Wir versuchten, die Musik etwas intensiver zu gestalten, und ich denke, es wäre auch weiterhin in diese Richtung gegangen. Leider gehen Dinge nicht immer so weiter, wie man will. Ich persönlich bin mit Musik wie AC/DC und MOTÖRHEAD, THIN LIZZY aufgewachsen, ich war wirklich ein Fan von Rockmusik, ich mochte auch RUSH, aber auch PETER GABRIEL, und ich hatte auch was von GENESIS. Ich stand weniger auf Prog, sondern mochte Musik mit mehr Power. Auch in den 90ern gab es tolle Musik, die etwas grungiger war mit Bands wie THE HIVE und natürlich RADIOHEAD, viel Alternative Rock, es gab großartige Musik zu der Zeit. Leider hatten wir nie die Zeit, uns weiterzuentwickeln.

Wenn man sich deine Karriere ansieht, hat es mit STILTSKIN und Metal/Grunge begonnen, dann wurde es rockig, und deine neue Platte liefert wieder epische Sounds. Wie geht es weiter?

Ray Wilson: Das ist eine gute Frage. Einer der Vorteile, wenn man nicht so erfolgreich ist wie die SCORPIONS oder andere Bands dieser Größenordnung, ist, dass ich wirklich tun kann, was ich will. Weißt du, ich habe keinen Druck, ein Album zu produzieren, das Heavy Metal ist oder mehr Prog oder atmosphärisch - ich habe keinen Druck. Ich plane auch nie wirklich meine nächsten Schritte, es passiert irgendwie. Wie du sagst, ist das letzte Album sehr atmosphärisch, was auch der Zeit geschuldet ist, in der es entstanden ist, mit dem Beginn des Lockdowns und den damit verbunden Emotionen, die wir alle gefühlt haben. Die Lyrics spiegeln die Themen dieser Zeit wider, und auch die Musik passt sehr gut dazu. Sie ist sehr melancholisch, was ich ohnehin sehr gerne mag - aggressive Musik und melancholische Musik.

Das neue Album ist auch sehr vielschichtig, alleine wenn man sich die exotischen Klänge bei 'Amelia' anhört.

Ray Wilson: Ich habe das bei dem neuen Album nicht geplant, es kam heraus, wie es ist. Als ich am Instrumentalstück arbeitete, hatte ich so ein PETER GABRIEL-"IV"-Feeling in punkto Emotion, und mein Songwriting wurde von diesem Album, das ich sehr liebe, inspiriert. Einige der Emotionen dieses alten Albums kamen raus, als ich den Song schrieb.

Du scheinst auf einer "Endless Tour" zu sein? Du gehst gerne auf Tour?

Ray Wilson: Yeah, wie BOB DYLAN, der niemals stoppt [lacht]. Ja, ich bin gerne auf Tour; das Reisen kann zwar ermüdend sein, aber ich habe noch nie ein Konzert bereut. Ich war jedes Mal happy, gespielt zu haben, und wenn es acht Stunden Autofahrt bedeutet hat. Es ist ein gutes Gefühl, man kann es nie als garantiert ansehen, man weiß nie, wann es aufhört. Derzeit hat sich meine Karriere gut etabliert, aber man weiß nie, wann sich das ändert. Man geht hin, tut sein Bestes, und wenn Leute um einen Auftritt bitten, versucht man, zuzusagen. Ich bekomme viele Anfragen für Konzerte und spiele Jahr für Jahr, und es geht einfach weiter. Die Leute kommen, zahlen Eintritt, um das Konzert zu sehen, und das hält die Maschine am Laufen. Wie gesagt: Man weiß nie, wann es stoppen wird. Ich nehme es, solange es geht, und versuche, mein Bestes zu geben.

Gibt es spezielle Covid-Maßnahmen? Ich habe festgestellt, dass es kein Fan-Umarmen gab, ihr aber wenigstens handsignierte CDs verkauft habt.

Ray Wilson: Innerhalb der Band treffen wir keine Maßnahmen, wir sind die ganze Zeit zusammen. Wenn einer sich ansteckt, bekommt es wahrscheinlich die ganze Band! Ich hatte Covid im Jänner oder Februar, nein, März, und ich hatte es von meinem Fahrer bekommen. Das kann passieren. Aber ich habe früher immer nach den Auftritten Autogramme geschrieben, das mache ich nicht mehr, es ist einfach zu gefährlich. Im Moment in Richtung Sommer ist es besser, ich hatte Covid und bin dreimal geimpft, darum bin ich im Moment etwas entspannter. Aber ich glaube, gegen Herbst wird es wieder so sein, dass wir mehr aufpassen müssen. Es geht nicht unbedingt darum, Covid zu haben - es ist nicht angenehm zu haben - aber vielmehr geht es darum, dass man Konzerte absagen muss, was wir versuchen, zu vermeiden. Wenn ich Covid bekomme, bedeutet das, dass wir zwei Wochen nicht arbeiten können. Das wird dann für die Promoter kompliziert, die alles neu arrangieren müssen, und für Leute, die vielleicht ein Hotel gebucht haben, um das Konzert besuchen zu können. Wir versuchen unser Bestes, aber Covid wird bleiben, und vielleicht bekommen wir es auch wieder und wieder. Es ist, was es ist.

Ich mache gemeinsam mit meiner Frau regelmäßig Yoga, und dazu hören wir gerne deine Best-of "Upon My Life". Ist das eine angemessene Art, deine Musik zu hören?

Ray Wilson: [Ray hält inne, etwas irritiert] Oh, ja, eine der beiden CDs, die zweite, ist etwas entspannter. Ich meine, ja, ich war immer ein großer Fan von Melancholie, und diese Scheibe ist recht melancholisch, was ich mag. Ich vermute, die zweite Sache, die ich heranziehe, wenn ich Songs schreibe, sind Spirituals. Ich rede viel von spirituellen Emotionen und so Sachen. Ich meine, meine frühere Freundin ist Tänzerin, die auch Yoga unterrichtet - und sie hat ein Video mit mir gemacht zum Song 'I Wait And I Pray', der auf der zweiten CD ist. Und da gibt es noch den Song 'Not Long Till Springtime', zu dem sie tanzt, und sie meint, man kann zu einigen der Songs Yoga machen. Ich denke also, es ist ok [lacht].

Wir nehmen lieber die erste CD, weil da 'Ought To Be Resting' drauf ist, der einer meiner Lieblingssongs ist.

Ray Wilson: Da lag ich ja komplett falsch [lacht schallend]. Ja, das ist ein großartiger Song!

Es gibt da so Momente im Leben, die sich ins Hirn einbrennen. Ich weiß zum Beispiel noch genau, wo ich den Werbespot das erste Mal gesehen habe, in dem 'Inside' gespielt wurde, das war damals in unserem lokalen Kino.

Ray Wilson: Ja, das ist einfach passiert. Und solche Geschichten habe ich schon öfters gehört. Ironischerweise hat dieser Werbespot keinen Gesang, er ist instrumental. Aber es war ein großartiger Werbespot, der "Creek" hieß und sehr kraftvoll ist. Ich habe ihn selbst damals im Kino gesehen, und es ist richtig seltsam, im Kino zu sitzen und zu wissen, dass man diesen Song gemacht hat.

Und du spielst ihn immer noch gerne oder hast du ihn satt?

Ray Wilson: Ich werde den Song niemals, niemals satthaben! Es ist ein großartiger Song, du magst vielleicht Songs wie 'Smoke On The Water' oder 'Paranoid' - er hat eine großartige Gitarrenhook, ist simpel, straight forward und sehr kraftvoll. Er ist nicht 'Bohemian Rhapsody', aber er ist ein toller Rocksong!

Danke nochmals für deine Zeit! Genieße die kommenden Shows, und ich hoffe, du spielst wieder mal in Spielberg!

Ray Wilson: Ich denke schon, dass ich wiederkommen werde. Danke, es war sehr nett, mit dir zu sprechen!

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