Calcarata - Der Müde Mensch | |
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Review von Chaosswampchicken vom 09.10.2024 (13258 mal gelesen) | |
Den Release von CALCARATAs Debütalbum "Der Müde Mensch" kann man einem tiefen und schweren Atemzug gleichsetzen, einem Luftzug, der in die düsteren Abgründe der menschlichen Seele hinabzieht und uns von innen heraus mit einer kaum zu beschreibenden Schwere erfüllt. Es scheint fast so, als sei das Machwerk der Deutschen aus dem Nichts aufgetaucht, als habe es schon immer irgendwo gelauert, bis die Zeit reif war, um ins Licht zu treten. Die Band, bestehend aus Natt (Gitarre) und Yuggoth (Gesang, Bass, Schlagzeug), bleibt ebenso geheimnisvoll wie ihre Musik, ein Mysterium über das man gerne bei knisterndem Lagerfeuer Geschichten erzählt. Man weiß wenig über das Duo, aber das, was man über die Musiker erfährt, trägt nur noch mehr zur Verwirrung um deren Personen bei. Morgenrot im Totental Das Album, bestehend aus vier Songs, ist mit fast 48 Minuten auch ein echt langes und wenn ich dann sehe, es ist auch noch atmosphärischer Black Metal, kann ich nicht anders, als mich vollkommen darauf einzulassen. Es beginnt schon mit dem Namen der Band, CALCARATA, denn allein dieser weckt unbehagliche Vergleiche. Die Dorngespenstschrecke (Calcarata) ist ein großes, aber dennoch scheues Insekt, das sich schwer und mühsam über den Boden schleppt, ganz wie die Seele eines müden Menschen, die es kaum mehr schafft, die Last eines neuen Tages zu tragen. Zum Thema passt auch ganz gut das Artwork von "Der Müde Mensch", eine gigantische Schnecke mit stacheligem Gehäuse wälzt sich durch einen Wald, beritten von einer Person, versteckt unter einer Kutte - symbolisch gibt einem das schon sehr viel, wenn man die Verbindungen herstellt. Nun kommen wir aber zum Herzstück einer jeden Veröffentlichung, der Musik. Wir starten die Reise sogleich mit dem Opener 'Calcarata', zu Beginn erwarten uns melodische Klänge, sie umspielen den tiefen und gefühlvollen Sprachgesang in der Muttersprache der Musiker, Deutsch. Dies wird sich auch wie ein roter Faden durch das gesamte musikalische Konzept des Albums ziehen, die Stimme von Sänger Yuggoth schwankt zwischen sprechend und singend hin und her, der Klang ist herzlich sowie etwas diabolisch. Im weiteren Verlauf aber explodiert die Stimme unter anderem in gequälte Schreie, die man bis ins Mark spüren kann. 'Calcarata' glänzt weniger mit einem Blastbeats-Gewitter, dafür aber mit einer treibenden Melancholie im Schlagzeug, die zusammen mit den Lyrics, ein tragisches Bild malen. Vergleiche mit der Schweizer Black Metal-Band TARDIGRADA kommen einem dabei unweigerlich in den Sinn, ähnlich wie dieser gelingt es CALCARATA, eine Mischung aus frostiger Isolation und introspektiver Tiefe in die Musik zu bringen. Was die Bands hier unterscheidet, ist, dass dieses Album zwar immer wieder wie ein Seil über dem Abgrund schwankt, ohne jedoch dabei abzustürzen, ständig drohend einzureißen, doch niemals loslässt. Als Nächstes treibt es uns hin zu 'Morgenrot Im Totental', wir bekommen Einblick in das Reich der Toten, schwer verzerrte Gitarrenklänge ebnen den Weg, getragen von einem marschierendem Schlagzeug und einer wunderschön schmerzenden Atmosphäre. Die cleanen Vocals, die gelegentlich durch die dichte Nebeldecke des Sounds dringen, wirken fast wie geisterhafte Stimmen aus einer anderen Dimension, man bekommt das Gefühl, auf einer nicht enden wollenden Suche nach einem Ort zu sein, den man niemals erreichen kann. Wenn man sich näher mit den Lyrics der Lieder beschäftigt, (ihr könnt diese auf der Bandcamp-Seite von CALCARATA einsehen) kann man erahnen, wie viel Schmerz und Gedanken in das Ganze geflossen sind. Der müde Mensch Die tiefe Dramatik dieses Albums offenbart sich im weiteren Verlauf, es öffnet sich uns kein Ausweg, genauso wie der müde Mensch, der sein Leben in einem gar endlosen Teufelskreis aus Wachen und Schlafen tristet, so führt uns auch das Duo hinter CALCARATA immer wieder zurück an denselben Ausgangspunkt. Das Wissen, dass es keine Erlösung gibt, macht das Werk für mich nur noch bedrückender, aber es beruhigt mich auch ein wenig, denn wenn es keinen Ausweg gibt, dann haben wir zumindest diese eine Sicherheit. Jeder Ton, jede Melodie fühlt sich wie ein weiterer Schritt in die Tiefen der eigenen Seele an. Eine Frage stellt sich hier: kann ich wieder auftauchen? 'Heilung' ist mit fast 17 Minuten das längste Stück auf diesem Werk, ein doomiges und schweres Riff explodiert nach ein paar Minuten in eine tolle Blastbeat-Passage sowie ein mitreißendes Bass-Momentum. Die schmerzerfüllten Schreie, die man vernimmt, wenn die Vocals einsetzen, gehen wirklich durch Mark und Bein und unterstreichen noch einmal das Gefühl der Ausweglosigkeit, die 'Der Müde Mensch' aus jeder Pore tropfen lässt. Die Lyrics in der Muttersprache zu verarbeiten, lässt das Ganze in meinen Augen noch roher und verletzlicher wirken. Generell kann man hier von einem cleveren und guten Songwriting sprechen, alle Instrumente sowie die Vocals sind in weiten Flächen auf dem Album wirklich gut aufeinander abgestimmt und wirken mit den Ambient-Elementen in sich schlüssig. Um noch einmal zum Song 'Heilung' zurückzukommen, dieser überrascht in etwa Minute zehn mit unglaublich melodischen Gitarren-Soli, diese wirken wie eine Hand, die dich aus der Trance zu ziehen vermag, in die man während des Tracks gefallen ist. Der Vorhang für das neue Machwerk von den Jungs von CALCARATA fällt mit dem Titelsong 'Der Müde Mensch', wir haben hier den in Musik verarbeiteten Schatten einer Existenz, die, je weiter sie voran schreitet, an sich selbst zerbrechen wird. Dazu passend hier ein kleiner Einblick in die Lyrics: "Ich hülle mich lieber in weißes Rauschen als verzweifelt um Heilung zu flehen. Mein Leben lang werd ich den Schreien lauschen und den Sternen beim Wandern zusehen. Erst wenn die Engel mich zu sich nehmen, weicht ihr Schrei einem anderen Lied. Im Licht werd ich ihnen entgegentreten, und in mir wird es stiller denn je." Der massive melancholische Unterton des Songs scheint einem (wenn man seine Augen schließt), trotz all der Schwere, an einen ganz anderen, vielleicht auch ruhigen Ort zu transportieren, der am Ende deiner Seele ein wenig Heil gewährt. Hier möchte ich auch nochmal das generelle Instrumentenspiel von Natt und Yuggoth, als auch deren vielseitige Stimmen hervorheben, denn sie haben es vollbracht, Gefühle und Gedanken aus den Tiefen zu holen ohne dass man das wollte. Fazit Was kann ich jetzt abschließend zum Debüt "Der Müde Mensch" von CALCARATA sagen, das ich nicht schon während der Review getan habe? Die kraftvollen und gedankenschwere Texte, dazu das atmosphärische Klangkonzept, machen das Ganze zu einem Album, das die Hörer in einen konstanten Zustand der Müdigkeit, sei es seelisch oder körperlich, versetzt – und einen nicht mehr loslässt. Man könnte das Ganze auch als eine Erzählung interpretieren, die Suche nach einem Zweck, eine spirituelle Reise, gespickt mit Höhen und Tiefen, in der unser Protagonist als Vertreter für die gesamte Menschheit steht. Egal wie ihr es für euch interpretieren werdet, ich lege euch dieses Machwerk jedenfalls sehr an euer Herz und euer Gehör. Gesamtwertung: 9.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
1. Calcarata 2. Morgenrot Im Totental 3. Heilung 4. Der Müde Mensch | Band Website: Medium: CD Spieldauer: 47:27 Minuten VÖ: 27.09.2024 |
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