Interview mit Matte von My Sleeping Karma

Ein Interview von Krümel vom 27.07.2015 (18493 mal gelesen)
Die Hypnose-Rock-Truppe MY SLEEPING KARMA waren passend zu ihrer Album Veröffentlichung "Moksha" on the road. Vor dem Gig im Kölner Underground, nahm sich Bassist Matte zwischen Soundcheck und Show ein wenig Zeit, um mit uns gemütlich in der Abendsonne zu sitzen und über das Album sowie das entspannte Karma der Band zu plaudern

Worum es mir persönlich zunächst natürlich geht, ist das aktuelle Album. Ich habe mich mal schlau gemacht: "Moksha" heißt ja soviel wie Erlösung, Befreiung oder aber Erleuchtung bzw. ist eines der vier Lebensziele eines Hindu. Wie kommt man auf sowas? Ihr seid dem Hinduismus bzw. Buddhismus überhaupt recht verbunden - wie kamt ihr auf diese Schiene? imgright

Matte: Also da gehe ich jetzt einfach mal 10 Jahre zurück. Als es damals losging mit uns, kam das Ganze einfach zu uns. Wir hatten einfach diese hypnotische, trippige Musik und haben überlegt, wie die Band heißen könnte. Da kamen wir auf MY SLEEPING KARMA. Zusammen mit dem leicht indisch-orientalischen Touch hat sich das dann entwickelt. Auf dem ersten Album war noch gar nicht so der große Bezug dazu, die Songtexte hatten noch eher was mit Zahlen und englischen Namen zu tun. Als wir dann das zweite Album "Satya" geschrieben haben, gab es gerade diese Tibet-China-Krise. Darüber haben wir uns bei den Proben oft unterhalten; so nahm das Thema schon einen großen Stellenwert ein. Außerdem ging Steffen (unser Trommler) in dieser Zeit zu einem Treffen des Dalai Lama. Und so hat vieles von außen mit reingespielt; wir hatten irgendwie kein Konzept. Also wir sagten nicht: Wir werden jetzt Buddha-Rocker oder so. Die positiven Vibes des Buddhismus/Hinduismus haben dann einfach gepasst und daher ist alles recht organisch gewachsen.

Ja, man merkt, dass ihr euch in den letzten Jahren echt entwickelt habt. Da baut das eine auf das andere auf. Aber wie entstehen eure Songs eigentlich? Du sagtest eben, ihr hattet diese hypnotische Musik; wie wächst sowas? Komponiert ihr gemeinsam?

Matte: Also wir machen das wirklich zusammen. Die Stücke entstehen bei unseren Treffen, aus Jams heraus. Ganz am Anfang hatten Seppi, unser Gitarrist, und ich uns einfach nur mit Bass und Gitarre getroffen. Da entstand schon dieses hypnotische Spiel, diese Melange. Und dann kamen noch Steffen und Norman, unser Keyboarder, dazu - und wir als Band hatten einfach Bock, diesen Sound weiterzuentwickeln. Wir schreiben die Songs glaub ich wie viele andere Bands auch. Da haben wir bei den Proben eine gute Idee, spielen die eine Zeit lang und wenn es sich gut anfühlt - also das gewisse Karma hat -, dann verfolgen wir das Motiv weiter; versuchen es auszubauen, zu verschachteln und unserem Stil anzupassen.

Also ist das Komponieren ein Gemeinschaftswerk und nicht wie bei einigen Bands so, dass jeder für sich etwas aufnimmt, dann wird es nachher zusammen gewürfelt etc.?

Matte: Nein, das erfolgt wirklich gemeinsam. Viele Licks und Ideen kommen von Seppi und seiner prägnanten Gitarren-Melodie-Führung. Da filtern wir eigentlich immer so die Basics heraus, arbeiten drumherum und versuchen daraus was Schönes zu basteln.

Was ist eurer Meinung nach der größte Unterschied zu den früheren Alben? Geht ihr heute professioneller vor oder fühlt es sich anders an?

Matte: Wir sind mit MY SLEEPING KARMA ja nie angetreten und sagten: "Wir machen das jetzt so oder so" oder "Wir sind jetzt eine instrumentale Rockband und in 10 Jahren haben wir so und so viele Alben veröffentlicht bzw. das und das müssen wir erreicht haben." Wir waren einfach vier Kumpels, die sich getroffen haben, um zu musizieren, ein paar Bierchen zu trinken und über Gott und die Welt zu sprechen. Von daher ist das alles wirklich über die Jahre hinweg gewachsen. Natürlich bist du jetzt so ein bisschen im Business drin, bist ein wenig strukturierter und musst ein Plattenlabel mit einer Deadline bedienen für die Albumabgabe, Fotos etc. Eben all diese Dinge, die man am Anfang gar nicht auf dem Schirm hat, sondern einfach Musik machen will. Da ist man noch ganz unbefangen und schwerelos. Und nun plötzlich sind wir zehn Jahre weiter und haben die 5. Scheibe veröffentlicht. Man ist also inzwischen ein kleines Bausteinchen in diesem Musikgerüst, muss dies und das klären ... Es ist alles irgendwie anders geworden.

Setzt euch das unter Druck?

Matte: Nein, denn wir haben z. B. gesagt, dass das neue Album dann fertig ist, wenn's fertig ist. Das hat jetzt drei Jahre gedauert und wir haben uns den Druck nicht machen lassen. Nachdem "Soma" dann zwei Jahre draußen war, denkt man natürlich schon langsam: "Ok, jetzt sollte man mal was machen". Die Nachfragen von Fans oder auch von Labelseite häuften sich dann. Ich muss aber auch ehrlich sein. Wir haben alle Familie und Kinder und normale Jobs; da braucht man doch ein klein wenig den Druck. Wenn Du dann verkündest, dass es im nächsten Jahr eine neue Platte gibt, dann warten natürlich die Leute entsprechend drauf und man muss sich ranhalten. Diese Art Druck war früher nie da, tut uns jetzt aber gut.

Ich gehe mal davon aus, dass ihr selbst mit "Moksha" komplett zufrieden seid? Oder würdest Du sagen, wenn wir bisschen früher angefangen hätten, wäre es vielleicht anders geworden?

Matte: Nein. Vom Timing und unserer Arbeitsweise her war es genauso wie es sein sollte. Am Ende war etwas Druck von der Deadline her. Wir wollten gern zum Desert-Fest im April veröffentlichen, aber da hätten wir schon kurz nach Weihnachten den Master abgeben müssen, damit die Plattenfirma ordentlich arbeiten kann. Das haben wir dann nicht geschafft; da merkten wir, dass wir auf die Schnelle irgendein Video oder komische Fotos hätten hinschustern müssen. Aber da entschieden wir dann, das Releasedatum um einen Monat zu verschieben und die ganze Feinabstimmung ordentlich zu machen, damit es dann auch wirklich so passt, wie wir es haben wollen. Wir sind also mit "Moksha" vollends zufrieden.

Das ist eine gute Überleitung ... Stichwort Videos. Zum ersten Mal überhaupt habt ihr Videos produziert. Zunächst war es 'Prithvi'. Wie seid ihr auf diese leicht schräge Idee mit dem Knetmännchen und dem Auge gekommen? Und wer hat es dann umgesetzt?

Matte: Witzigerweise vergleichen das manche mit Sachen von TOOL; natürlich viel limitierter, da wir ja weitaus weniger Budget hatten. Aber auch diese Idee kam einfach zu uns. Uns haben einige Leute einer Filmhochschule angeschrieben. Die hatten bereits ein Video ohne Musik. Die kannten MY SLEEPING KARMA, fanden uns gut und fragten, ob sie irgendeinen alten Song von uns für ihr Video nehmen können. Einfach, damit es eine Musik dazu gibt. Aber wir dachten: "Mensch, das ist ja super, denn wir haben eigentlich einen Song, zu dem wir ein Video machen wollen". Wir hatten schon vorher so eine Schwarz-Weiß-Idee. Wir wollten gar nicht so wirklich drin vorkommen; also als Personen selbst, sondern eher so als Schatten oder Silhouetten vor einer weißen Wand. Und dann kam man plötzlich mit genau diesem SW-Video zu uns und da haben wir einfach zusammen mit einem guten Freund diese schöne Melange draus gemacht. Es war irgendwie alles super Low-Budget, aber es ist unser erstes richtiges Musikvideo.

Hast Du bzw. habt ihr einen Lieblingssong auf dem Album? Wenn ja, welchen und warum?

Matte: Hmmm, wir diskutieren eigentlich immer viel, aber ich glaube, es ist 'Moksha'. Wobei ich es nicht als Lieblingssong bezeichne, denn das wäre so als müsste man sagen, welches deiner Kinder du am liebsten hast. Aber bei 'Moksha' ist es so, dass wir dieses Stück über ein Piano-Lick geschrieben haben (das, was man so am Anfang hört). So hatten wir bisher noch nie gearbeitet, weil wir normalerweise ein Gitarrenlick haben, was ausgearbeitet wird. Doch dieses Mal ging's halt über das Piano. Dann dachten wir, dass da auch noch so ein melancholischer Touch fehlt und ein Cello geil wäre. Über einen kanadischen Freund konnten wir dann einen Cellospieler dafür auftun. Da hing irgendwie so viel Arbeit dran. 'Moksha' ist also so ein bisschen unsere "Oper". Das ist ja dann auch der längste Song und das Titelstück der Scheibe geworden. Ich glaube, wir hängen da alle sehr dran, weil eben soviel reingesteckt wurde. Wir würden es gerne live spielen, aber das würden wir nur mit Cello machen wollen. Wir sind dran es zu verwirklichen, haben aber noch nicht die Person gefunden, die mit uns reist und das Cello live spielt. Und den Song limitiert performen wollen wir nicht. Es muss sich für uns einfach super anfühlen. Daher wird es auch heute Abend nicht zu hören sein, aber wir werden trotzdem 2 oder 3 Lieder der neuen Platte spielen.

Ja, das ist wieder eine sehr gute Überleitung. Ihr habt ja jetzt schon ein paar Shows der Tour hinter euch, z. B. wie Du eben schon sagtest das Desert-Fest. Habt ihr da auch schon vor der Veröffentlichung neue Songs präsentiert oder erst bei der Release-Party?

Matte: Wir haben in Berlin zwei neue Songs im Set gehabt, da konnten wir ein bisschen länger spielen. In London war die Spielzeit ein bisschen kürzer, da gab es eines der neuen Stücke. Das war 'Prithvi', weil das Video zu den Desert-Festen rauskam.

Wie kommt das neue Material an? Bei so einem Festival ist ja eher gemischtes Publikum. Aber bei den reinen MY SLEEPING KARMA-Konzerten, wie z. B. in Aschaffenburg die Release-Show, sind ja ausschließlich Fans da, die die neuen Lieder noch nicht unbedingt kennen.

Matte: Also wir versuchen die aktuellen Sachen so ins Set einzubauen, dass sich alles ganz rund anfühlt. Wir haben z. B. 'Prithvi' auf die Position zwei gesetzt; das geht nahtlos vom ersten Stück über. Eigentlich kriegt man bei uns ja gar nicht so direkt die Reaktion auf einen Song, weil wir immer versuchen, alles ineinander übergehen zu lassen. Gestern in Fulda z. B. haben wir auch das bisschen ruhigere 'Vayu' auf der Setlist gehabt. Darüber sagten nachher viele, es sei der Hammer gewesen. Wir probieren halt ab und an was Neues aus und bisher fühlt sich das meistens gut an. Das überträgt sich ja dann auch auf die Leute, wenn wir merken, es läuft rund.

Das ist auch das, was mir aufgefallen ist, als ich euch das erste Mal live gesehen habe. Ihr wirkt so völlig versunken in eure Musik und transportiert das natürlich auch nach außen. Bekommt ihr vom Publikum denn überhaupt etwas mit oder seid ihr einfach nur in der Musik drin?

Matte: Wir kriegen von den Leuten sehr viel mit. Es ist irgendwie ganz komisch, aber du spürst einfach die Energie der Menschen. Das ist echt kein Witz. Du bist auf der Bühne und merkst: "Ok, wir sind eins, es gibt erstmal nur uns als Band". Es ist auch wurscht, ob man vor einem oder 1000 Leuten spielt. Jeder von uns ist einfach da und präsent, wir sind eine Melange und wir spüren: "Wir sind drin". Das passiert inzwischen natürlich immer schneller, weil wir ja auch öfter zusammen auftreten. Und wenn wir an diesem Punkt sind, überträgt sich das auf das Publikum. Man merkt, wie die Leute irgendwie dabei sind - dann spürst du halt einfach die Energie. Nach den jeweiligen Songs ist es dann richtig schön, wenn alle jubeln und klatschen.

Also ist es euch egal, ob ihr wie hier im Underground in einem kleinen Club auftretet oder vor größeren Mengen?

Matte: Also diese Größe wie hier ist für uns total super. Denn wenn man wie hier dicht an den Leuten dran ist, kann man alles viel besser transportieren, als z. B. von einer großen Festivalbühne. Dort steht man mittags vor nur 300 Menschen, obwohl 5000 hinpassen. Das ist dann schon bisschen schwieriger. Aber dann spielen wir auch einfach erstmal für uns und wenn die Leute irgendwie in der Sonne fläzen, nehmen sie es doch irgendwie auf und man bekommt meist hinterher das positive Feedback.

Wenn ich es richtig gelesen habe, habt ihr ja auch im Mai in Griechenland gespielt?! Wie war der Gig? Kennen die Leute dort überhaupt MY SLEEPING KARMA?

Matte: Genau! Wir waren jetzt das 3. Mal in Athen und zum ersten Mal in Thessaloniki. Dass Athen wieder "gut" wird, war uns schon irgendwie im Voraus klar, weil die beiden früheren Konzerte schon immer gut besucht waren; dieses Mal war es sogar richtig voll. Wir waren schon fünf Jahre nicht mehr dort. Wir konnten es gar nicht glauben. In Thessaloniki waren wir richtig überrascht. Der Club war zwar kleiner, nur halb so groß wie in Athen, aber der war auch ziemlich gut gefüllt. Die beiden Griechenland-Auftritte waren wirklich richtig gut!

Also merkt man in der Rock-Szene nicht so die (politischen) Probleme? Oder habt ihr als Deutsche irgendwelche Feindseligkeiten erlebt?

Matte: Nein, nicht wirklich. Ok, dass man als deutscher Normaltourist wohl nicht allgemein die große Verbrüderung erwarten kann, ist logisch. Aber wir bewegen uns ja in einem Sektor von alternativen und Independent-Leuten, die genau wissen: "Hey, was können die Jungs dafür, dass die große Politik ihre Wege geht?". Wir sind einfach für die Leute da, ebenso wie unsere Musik für alle da ist: Arme, Reiche, Schwarz, Weiß, scheißegal - von daher sind wir dort ganz normal bzw. richtig toll behandelt worden. Wir haben überhaupt nichts Negatives mitbekommen.

Gibt's (frühere oder aktuelle) lustige Touranekdoten, die ihr verraten wollt?

Matte: Mmmm ... Wir haben ja das Glück, schon so ein bisschen herum gekommen zu sein. Was wir nie vergessen werden, ist eine Begebenheit in Russland. Wir sollten ein Festival spielen in der Nähe von Moskau; in einem Wald, so eine Art Goa-Festival. An diesem Tag hatte es heftig geregnet. Wir wurden da mit einem Militärfahrzeug abgeholt - es war ganz seltsam, denn wir saßen zu siebt oder zu acht in so einer Art Unimog. Die russischen Fahrer sagten noch: "Alles ist super, ihr braucht euch keine Sorgen machen" ... Wir fuhren dann zwei Stunden lang in diesem Wald rum, durch Wassergräben, Schlaglöcher - man fragte sich echt, wo das irgendwie enden wird. Wir haben das dann auch so ein bisschen mitgefilmt, wie wir in dem Auto rumgefallen sind, denn es war ja wirklich so ein altes, gebrauchtes Militärfahrzeug. Lange Rede, kurzer Sinn: Die beiden Fahrer haben sich schlussendlich gestritten, ob sich der Weg links oder rechts gabelt - und sind genau in der Mitte auf einen Baumstamm draufgefahren. Die Lenkachse war gebrochen und wir saßen da irgendwo mitten im Wald ... Das war unsere abenteuerliche Russlanderfahrung.

Seid ihr denn dann noch angekommen bzw. habt ihr den Gig spielen können?

Matte: Ja, das war dann irgendwie so nachts um 3 als einzige Live-Band. Wir waren irgendwie gar nicht mehr so weit weg vom Veranstaltungsort gewesen. Die haben dann ein anderes Auto geschickt. Das war wie gesagt schon sehr abenteuerlich, hat aber irgendwie Spaß gemacht. Sowas erzählt man sich dann natürlich über Jahre hinweg immer wieder gern. So ist das halt - ihr kennt das sicherlich: Auf Tour oder Konzerten wird immer bisschen was getrunken und da passiert die ein oder andere lustige Anekdote ...

Hahaha ... stimmt! Wie immer gehören die letzten Worte bei uns dem Musiker. Gibt es noch irgendetwas, das Du loswerden möchtest an unsere Bleeding-Leser?

Matte: Was uns echt immer ganz wichtig ist, ist den Leuten ganz lieben Dank zu sagen für den Support! MY SLEEPING KARMA bestehen jetzt 10 Jahre; im April 2005 haben wir die Band gegründet. Wir hätten nie gedacht, dass wir mal so weit kommen. Wie gesagt, waren wir einfach nur vier Kumpels, die Musik gemacht und Bierchen getrunken haben. Dass sich alles so entwickelt hat und wir z. B. jetzt hier sitzen und 10 Jahre später die Band noch im gleichen Line-up Konzerte spielen kann, ist nicht nur allein unser Verdienst, sondern das der Fans. Daher: großen Dank an alle, die uns über die Zeit begleitet und supportet haben!! Hoffentlich können wir nochmal 10 Jahre dranhängen!

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