Ein Artikel von baarikärpänen vom 03.10.2017 (21967 mal gelesen)
Der Untergrund lebt! Was könnte unserem heissgeliebten Metal auch besseres passieren! Und da dürfte es auch kaum verwundern, dass gerade hier in Finnland neue Bands wie Unkraut aus dem Boden spriessen. Immerhin können wir von uns sagen, dass wir weltweit die grösste Dichte an Metalbands, gemessen an der Bevölkerungszahl, vorzuweisen haben. Es gibt gerade im Bereich des eher traditionellen Metals eine Unmenge talentierter Gruppen, die es verdient haben, euch vorgestellt zu werden.
SATAN'S FALL hatten wir vor einigen Wochen schon im Interview. MAUSOLEUM GATE, deren Debut soeben erschienen ist (Review an anderer Stelle), wurden gar von den Kollegen einer großen deutschen Metal-Postille (nein, nicht die aus Dortmund) zum nächsten großen Ding erklärt. Was lag näher, als den Stift zu schwingen, die sozialen Netzwerke zu durchforsten und Kontakte zu knüpfen. Allen hier besprochenen Bands lag ein kurzer Fragenkatalog vor, den restlos alle in Rekorgeschwindigkeit und mehr als bereitwillig beantwortet haben. Im Folgenden also eine Auswahl an echten Hopefuls, die es absolut verdient haben, angecheckt zu werden. Und natürlich erhebt die Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Alle verwendeten Bilder und Grafiken stammen ausnahmslos von der jeweiligen Band und wurden freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
LEGIONNAIRE
Es sind nicht die üblichen Verdächtigen, die sich im Sound der Truppe aus Tampere wiederfinden lassen. Na gut, eine kleine Prise MAIDEN, THIN LIZZY oder NWOBHM darf's dann, vor allem beim Zusammenspiel der Twin-Gitarren, doch sein. Wer schon imer eine besondere Vorliebe für die eher obskuren Bands aus der Frühphase des US-Metals hatte oder auch neueren Datums, wie SLOUGH FEG, wird bei LEGIONNAIRE auf das Vorzüglichste bedient. Kauz as Kauz can be, sag ich nur. Da schimmern nicht nur verschämt BROCAS HELM um die Ecke, nein, da wird zitiert, dass es eine wahre Freude ist. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere Altrecke ja auch noch an das hervorragende Erstlingswerk "Freedom's Rise" von LIEGE LORD? Auch die dürfen als Referenz herhalten, genau wie die Frühphase des deutschen Speed Metals (erinnert sich noch jemand an die Scheiben vom Gama-Label?). Müssig zu sagen, dass wir hier nicht vom blossen Abkupfern sprechen. Dafür sind LEGIONNAIRE einfach zu gut.
LEGIONNAIRE gibt es immerhin auch schon satte fünf Jahre und das in einem relativ konstanten Line-up (lediglich der Platz hinter der Schießbude wurde neu besetzt). Nach zwei Demos, "Legionnaire" von 2015 und "Enigma Of Time" von 2016, die, wie es sich gehört, auf Tape erschienen, liegt seit einigen Monaten mit "Dawn Of Genesis" der erste offizielle Longplayer vor. Und der hat es absout in sich. Galoppierende Drums und tolle Riffs im Familienpack und dazu die mehr als passende Stimme von Gitarrist/Sänger Aku Tiensuu. Das Album macht von vorne bis hinten Spaß. Auch wenn sich "Dawn Of Genesis" reichlich aus dem übergroßen Fundus der 80er bedient, haben LEGIONNAIRE das Kunststück fertiggebracht, dem ganzen eine frische Note zu geben. Wer z.B. auf BROCAS HELM gut kann, aber sich immer gefragt hat, wie sich deren Songs mit mehr Speed anhören würden, für den ist "Dawn Of Genesis" allerbestes Futter. Leider ist die Scheibe mit einer knappen halben Stunde etwas zu kurz geraten. Vor Ende des Jahres sollte aber noch eine Split zusammen mit CHEVALIER erscheinen.
Darf man von einem Newcomer sprechen, wenn die Band schon seit 2010 existiert? Ich denke schon. ANGEL SWORD dürften den wenigsten bisher ein Begriff sein. Und falls doch, dann sind diejenigen in der Tat ausgewiesene Trüffelschweine. Dabei brauen ANGEL SWORD ein feines Metal-Süppchen, das vor allem Freunden des eher im Midtempo angesiedelten Hörvergnügens bestens reinlaufen sollte.
Gegründet, wie bereits erwähnt, in 2010, waren die Songs des ersten Demos "Where We Are Going You Cannot Come" stilistisch eher Bands wie ANGEL WITCH oder DIAMOND HEAD zuzuordnen. Nach den ersten Besetzungswechseln und dem Einstieg von zwei weiteren festen Mitgliedern (ANGEL SWORD starteten zu zweit mit wechselnden Gästen), wandelte sich der Stil mit der EP "Ripping The Heavens" (2013) hin zu dem, für das die Band auch heute noch steht: Metal in der Tradition von MANILLA ROAD oder RUNNING WILD (ohne den Piratenkram). 2015 folgte die "The Midwinter Tapes"-EP, die den Jungs letztendlich einen Vertrag mit Underground Power Records/ Heavy Chains Records einbrachte. Alle vier Tracks der "Midwinter Tapes"-EP finden sich, neben fünf neuen Songs, auf dem 2016 veröffentlichten Longplayer "Rebels Beyond The Pale". Anfang 2017 folgte dann noch die 7"-Single "Kallio Rock City". Auch wenn die Kritiken zu "Rebels Beyond The Pale" durchweg positiv ausfielen, sind es aber doch die Vocals von Jerry Razor, an denen sich die Geister scheiden könnten. Ein Bruce Dickinson ist er leider nicht, aber generell passt es ganz gut zum eher kauzigen Stil der Band. Deshalb ist es abolut empfehlenswert, vorher mal ein Ohr zu riskieren.
Ausbaufähig ist vor allem noch der Live-Sektor. Gerade 20 Konzerte haben ANGEL SWORD abgerissen, die meisten davon in Finnland (u.a. als Opening-Act für MANILLA ROAD in Helsinki, und für SATAN in Tampere). Allerdings standen ANGEL SWORD auch schon auf deutschen Bühnen, als Opener des Metal Assault Festivals und des Metalheadz Open Air in Bayern.
From the ashes of the NWOBHM we rise! So ähnlich könnte man LORD FIST beschreiben. Der Vierer aus Mikkeli macht keine Kompromisse, wenn es um die Musik geht, vor allem aber um die Einflüsse. Auch wenn sich sämtliche Mitglieder in eher anderen Stilarten wie Black-, Thrash- oder auch Death Metal austoben, geht es mit LORD FIST aber sowas von back to the roots. Natürlich sind es die Überflieger von IRON MAIDEN, die einen gewichtigen Eindruck im Sound von LORD FIST hinterlassen haben. Aber auch MANILLA ROAD, SATAN oder die schwedischen Kult-Metaller HEAVY LOAD.
Bemerkenswert, dass LORD FIST seit Bandgründung im Jahr 2011 in ein und derselben Besetzung spielen. 2012 folgte das erste, selbstveröffentlichte Demo "Spark For The Night" (später auch auf Kassette neu aufgelegt). Selbiges kam irgendwie in die Hände von Jussi Lehtisalo (finnischer Musiker und Label-Besitzer), der es in einem Interview im finnischen Metal Magazin Inferno regelrecht abfeierte. Lehtisalo nahm die Jungs kurzerhand für sein Ektro-Label unter Vertrag und veröffentlichte 2014 die EP "Wordless Wisdom Of Lord Fist", gefolgt von intensivem Touring in Finnland. Ebenfalls zu Buche steht ein Auftritt beim Metal Assault Festival in Würzburg.
Ebenfalls auf Ektro folgte 2015 der Relase des ersten Langeisens "Green Eyleen". Vor allem Freunde des traditionellen Metals dürften einen Heidenspass mit dem Album haben. Vor allem bei den straighten Tracks wie 'Green Eyleen' oder 'Road Raven' bleibt kein Auge trocken. 'Power Medal' wartet sogar mit leichten Einflüssen von MERCYFUL FATE und early MANOWAR auf. Da kann man auch verschmerzen, dass das Cover leider etwas, ähem, billig rüberkommt.
LORD FIST haben nach dem Release von "Green Eyleen" eine etwas längere Pause eingelegt. Untätig sind die Jungs aber nicht. Neben ihren anderen Projekten, schreiben sie fleißig neues Material und für Anfang 2018 ist eine neue Scheibe angekündigt.
Schon mal gehört, dass ein Gitarrist auf die Frage, welches seine Vorbilder sind, mit einer recht ungewöhnlichen Kombination aus Tommy Vetterli (CORONER, KREATOR) und Ritchie Blackmore atwortet? Tommi Varsala von TYFON'S DOOM ist so einer. Im Gunde genommen ist Tommi Varsala TYFON'S DOOM, weil er der einzige Musiker hinter der Band ist. Inspiriert wurde Varsala durch Chris Black (HIGH SPIRITS), der ja auch gnadenlos sein eigenes Ding durchzieht. Richtig sicher ist sich der Multi-Instrumentalist auch gar nicht, ob es TYFON'S DOOM nun schon seit 2013 oder erst seit 2015 gibt. Zumindest stammen die ersten Songideen aus dem Jahr 2013, während 2015 das Erscheinungsjahr des ersten Demos, schlicht "Demo '15" betitelt, markiert. Varsala orientiert sich musikalisch mit TYFON'S DOOM eindeutig an Bands wie IRON MAIDEN, FATES WARNING, aber auch RIOT oder RUNNING WILD. Überhaupt lassen sich im Sound viele Querverweise zu frühen Vertretern des US Power Metals finden. Das erste Demo wurde vom französischen Label Impious Desecration Records veröffentlicht, wohingegen die erste EP "Yeth Hound" zunächst digital erschien, später aber auch in physicher Form von Gates Of Hell Records aufgelegt wurde.
"Yeth Hound" (ursprünglich fünf Tracks, Neuauflage mit vier Bonus-Songs) ist ein schönes Beispiel, wie man traditionellen Metal heutzutage eintütet. Bemerkenswert auch deswegen, weil Tommi Varsala "Yeth Hound" ohne Hilfe von außen eingespielt hat. Und dabei schafft Varsala auch noch das Kunststück, innerhalb von nur fünf Songs äußerst abwechslungsreich zu sein. 'Yeth Hound' ist feines Futter im MAIDEN-Stil, während 'Still Here' gekonnt RUNNING WILD zitiert. Absolutes Highlight ist allerdings der Longtrack 'Gate To New Reality', der die NWOBHM aufgreift und das ganze mit Riffing á la METALLICA kombiniert. Allerdings leidet "Yeth Hound" unter dem wirklich grottigen und scheppernden Sound. Das schmälert das Hörvergnügen eindeutig, vor allem auch, was den Gesang angeht.
Leider werden wir wohl auf den Genuss verzichten müssen, TYFON'S DOOM auf der Bühne sehen zu dürfen. Varsala schließt es im Moment (noch) kategorisch aus, aufzutreten. Auch, weil ihm schlicht die geeigneten Musiker fehlen. Was allerdings kommt, ist ein vollständiges Album, wieder auf Gates Of Hell Records, mit dem Titel "Emperor's Path". Angekündigt ist die Scheibe (11 Tracks) für den November und zumindest für die Drums bekommt Tommi Varsala prominente Unterstützung von Cederick Forsberg (u.a. BLAZON STONE). Und auch was die Produktion angeht, soll es eine deutliche Steigerung zu "Yeth Hound" geben. Man darf gespannt sein.
Hell Yeah! Erinnert sich noch jemand an die Belgier KILLER? Die galten in den 80ern, völlig zu Recht, als die Band der damaligen Zeit, die sowohl Freunde von MOTÖRHEAD als auch Speed Metal Maniacs ansprach. Und STEEL MACHINE gehen doch glatt als legitime Nachfolger durch. Der Dreier aus Helsinki ist einfach nur brachial. Immerhin schon seit 2006 aktiv, wehren sich STEEL MACHINE vehement dagegen, in die Oldschool-Ecke gestellt zu werden. Frontmann Timo Takala sagt, und da muss man ihm Recht geben, dass der Metal, so wie STEEL MACHINE ihn spielen, zeitlos ist. Klar, STEEL MACHINE orientieren sich natürlich an Vorbildern. Und MOTÖRHEAD wird da ganz groß geschrieben. Aber auch (early) TANK, CARNIVORE (Debut) oder MAIDEN (wenn auch nur im geringen Maße) haben ihre Spuren im Sound hinterlassen.
Immerhin satte sieben Veröffentlichungen können STEEL MACHINE vorweisen. Sechs davon sind Demos und "Burning Valves" (2016) die erste EP, die in Eigenregie als Kassette, CD-R und digitaler Download erhältlich ist.
"Burning Valves" liefert auf 19 Minuten Vollgas. Sänger/Gitarrist Timo Takala und seine Sidekicks, Bassist Sebastian Bergman und Drummer Juha Forsström, lassen dem Hörer auf sechs Stücken (plus Intro) lediglich beim etwas langsameren, veritablen Banger, 'Fight For The Love' mal kurz Luft zum durchatmen. Der Rest ist Speed in Reinkultur. MOTÖRHEAD schimmern an allen Ecken durch, vor allem bei 'All Heads Turning', das mal eben 'Overkill' zitiert. Das die Stücke, trotz des Fokus auf das durchgetretene Gaspedal, nicht langweilig werden, sorgen geschickt eingebaute Tempovariationen. Vor allem Timo Takala macht mit seiner Stimme, die eine gelungene Mischung aus Lemmy und Algy Ward (TANK) ist, mächtig Eindruck.
STEEL MACHINE spielen leider im Moment nur eine handvoll Gigs pro Jahr, vornehmlich innerhalb Finnlands. Zu einem Abstecher nach Deutschland hat es noch nicht gereicht. Aber wer weiß, vielleicht klappt das ja, wenn die Jungs ihren ersten Longplayer veröffentlicht haben, an dem sie gerade arbeiten. Auf dem KIT oder HOA würden sie bestimmt 'ne gute Figur machen.
Was 2006 irgendwo in Tampere in einer Garage startete, könnte das nächste große Ding aus Finnland werden. Auch wenn EVIL-LÿN eine wirklch enorme Fluktuation in Sachen Besetzung hatten (aus den Anfangstagen ist nur noch Gitarrist Anssi Salonen übrig geblieben), scheinen die Zeichen jetzt auf Sturm zu stehen. Musikalisch sind EVIL-LÿN eine gelungene Mischung aus (mal wieder) MAIDEN, aber auch Power Metal wie CHASTAIN oder OMEN. Wem ACCEPT oder auch MERCYFUL FATE zusagen, wer Leads im Stil von DRAGONFORCE mag, für den dürfte das eindeutig was sein.
Auch wenn schon seit 2006 aktiv, kristallisierte sich das erste, feste, Line up erst 2011 heraus. Aus diesem Jahr stammt auch die erste EP "The Night Of Dilusions", damals noch mit Johanna Rutto am Mikro. Die EP wurde ausgiebig bei verschiedenen Gigs, u.a. mit OZ, METALUCIFER oder auf dem finnischen Jalometalli Festival, vorgestellt. Die gute Resonanz führte zu einem Deal mit dem griechischen Iron on Iron Label, die die EP nochmals veröffentlichten und einem Auftritt in Griechenland auf dem Up The Hammers Festival. 2014 folgte, mit neuem Sänger, die "Out Of The Shadows" Single.
Und jetzt, 2017, gehen EVIL-LÿN den nächsten Schritt. Mittlerweile bei No Remorse Records unter Vertrag, steht der Release des ersten Longplayers "Disciple Of Steel" unmittelbar bevor. Die acht Stücke sind schon fertig aufgenommen und warten nur darauf, veröffentlicht zu werden. Anssi Salonen war so freundlich, mir fünf Songs vorab zukommen zu lassen. Wenn der Rest des Materials die gleiche Qualität hat, dann kann man sich jetzt schon diebisch freuen. Heavy Metal, so wie er sein soll. Mal schnell, mal mit einem leichten Hang zur Epik, tolles Songwriting und eine ebensolche Produktion. Und auch wieder ein neuer Sänger, der mit seiner Reibeisen-Röhre überzeugt.