Livebericht Arch Enemy (mit Warbringer und Chthonic) |
---|
Ein Livebericht von Opa Steve aus Köln (Essigfabrik) - 13.12.2012 (27128 mal gelesen) |
(Zu der Gallery mit mehr und größeren Bildern geht's hier lang!) Der Tourmanager war schon mittags schwer nervös, weil ihm zwei Dinge zu schaffen machten: zum einen fuhren ARCH ENEMY an diesem Abend in Köln eine große Produktion mit Videoaufzeichnung für eine kommende DVD auf, zum anderen war in der Essigfabrik noch ein lokaler Opener gebucht. So erfuhren wir dann schon mittags per SMS: "The schedule is totally fucked up.", während wir 6 Stunden vor geplantem Einlass noch immer auf unsere Terminbestätigung warteten, CHTHONIC zwecks Interview zu treffen. Aber am Schluss war doch alles cool. Die Bühne stand pünktlich, alles war gecheckt, und obwohl schon gegen 18:30 Uhr die ersten Fans vor dem verschlossenen Tor der Essigfabrik warteten, ging der Einlass erst wie geplant über die Bühne, und niemand musste sich ärgern, die erste Band verpasst zu haben. Leider eine Unsitte vieler Konzerte, die einen immer häufiger lange in der Kälte stehen lassen, oder eben mal 30 Minuten früher loslegen. Apropos Unsitte: die Essigfabrik in Köln glänzte durch die glorreiche Idee, die Leute um 19 Uhr reinzulassen, innen aber keine Verpflegung anzubieten (die Imbissbude blieb den ganzen Abend verrammelt), und am Ausgang zu sagen: "Rein kommst du dann aber nicht mehr". Sagtemal, hackt es? Ich gehe nun seit einem Vierteljahrhundert auf Konzerte, aber so etwas habe ich selten erlebt. Und wenn dann bei kleinen Clubgigs, bei denen die erste Band eh erst nach 20 Uhr spielt. Aber paarhundert Leute mal eben von 19 Uhr bis fast Mitternacht ohne Futtermöglichkeit einzusperren zeugt nicht gerade davon, dass die Essigfabrik ihre Besucher schätzt. Leute, das ist ein absolutes No-Go! Zurück zum Konzert: die Halle war mit geschätzten 800 Personen schon direkt gut gefüllt, was aber auch daran liegt, dass die Videoproduktion des Headliners einen wesentlich größeren Mischpultbereich als üblich beanspruchte und ein Durchkommen schon zu Beginn schwierig wurde. So eine Perspektive erfreut natürlich den Opener. Die lokale Band LAST ONE DYING hatte dann auch flott die Ehre, vor dieser Kulisse zu spielen. Geboten wurde ein recht routinierter Gig. Der modern-skandinavisch klingende Metal der Jungs konnte mit seinen Screams und Growls für ein bleibendes Interesse sorgen, was angesichts der Position natürlich nie so einfach ist, zumal das Publikum mit dem Material kaum vertraut war. Melodisch, aber auch brachial zog die Band aber tapfer ihr Ding durch und erntete ehrlich gemeinten Beifall. Wie meinte der Sänger sinngemäß: "Ihr macht eine beschissene Aufgabe zu einer geilen Sache!". Aufgrund des strikten Zeitplans waren LAST ONE DYING gerade von der Bühne, als CHTHONIC sich auf ihren Gig vorbereiteten. Asiatische Metal Bands sind in Deutschland immer noch etwas exotisch, was nochmal durch die besondere Optik und Aufmachung des Quintetts unterstrichen wurde, die trotz schwarzer Kleidung doch deutlich von der üblichen Metal Uniform abwich. Als Doris direkt zu Beginn ihren Bass checkte und sich im knappen Outfit auf die Bühne begab führte dies unter den männlichen Zuschauern zudem erwartungsgemäß zu einigen spontanen lauten Heiratsanträgen der direkteren Art... Mit dem Intro der neuen Scheibe, "Takasago Army", wurde zu dunkelblauer Beleuchtung für entsprechende Filmmusik-Stimmung gesorgt, während vor dem geistigen Auge fernöstliche Monumentalfilme in Cinemascope vorbeizogen. Zur Einstimmung gab es dann erst einmal zwei brutale ältere Stücke, nämlich das noch stark an CRADLE OF FILTH angelehnte "Forty-Nine Theurgy Chains" und das recht todesmetallische "Rise Of The Shadows". Da der Bass direkt zu Beginn technische Probleme hatte kam die Band nicht so tight rüber wie sie es hätten sein können, denn es fehlte an Fundament, und ein solcher Start vermiest natürlich auch ein wenig die Laune. Aber rechtzeitig zum Block, der das neue Album promoten sollte, spielte die Technik auch richtig mit, und es ging von nun an nur noch steil aufwärts. Nach dem komplexen 'Southern Cross' überzeugte die Band bei 'Broken Jade' durch geschlossenes Ganzkörperbanging und nahm die Bühne mal so richtig in Beschlag. Zusätzlich zu den Synthies übernahm Freddy das Lead-Theme des Songs noch auf einer echten asiatischen Geige, was sich wunderbar in den Gesamtsound einfügte. Ich hätte mir lediglich gewünscht, dass mehr Zweitvocals von Doris zu hören gewesen wären, denn so sehr sie sich auch abmühte kam ihr Mikro gegen den Gesamtsound kaum an. Aber bei solch professioneller und engagierter Darbietung war das Eis natürlich schnell gebrochen, und beim darauffolgenden 'Oceanquake' flogen hunderte Fäuste im Takt. Einer der besten Songs der neuen Scheibe, 'Takao', schloss den Gig ab und war mit dem geilen epischen Höhepunkt ein würdiges Ende. Man merkt CHTHONIC an, dass sie es verdammt ernst meinen, und dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie auch in Europa Hallen wie in ihrer Heimat Taiwan füllen. Dafür leisten sie hierzulande echte Aufbauarbeit. Mit diesen geilen Songs der neuen Scheibe im Gepäck werden sie auf der Tour eine Menge Fans gewinnen, das hat man in Köln schon deutlich feststellen können. Als sich Bandmember kurz nach dem Gig an ihrem Merchstand noch Zeit für Fans nahmen sah man nicht wenige Leute Shirts und CDs kaufen, die sie sich direkt signieren ließen. Und mit 10 Euro für die aktuelle Scheibe boten CHTHONIC natürlich einen Kampfpreis, zu dem man nicht so einfach nein sagen kann. Also merkt euch diesen Namen! Die US-Thrasher von WARBRINGER waren nach dem Gig der Taiwanesen da eine komplett andere Liga, was sich nicht nur optisch ausdrückte, sondern auch musikalisch. Bis auf den kurzhaarigen Klampfer gab's Metal-Matten, Shirts, und dann einfach nur auf die Zwölf - und zwar richtig laut. WARBRINGER spielten deutlich schneller als im Studio und hatten besonders an den richtigen Vollgas-Nummern eine Menge Spass. Passend zum EXODUS-ähnlichen Retro-Thrash forderte Frontmann John Kevill das Publikum immer wieder zu Circle Pits auf, und hatte mit diesem Wunsch auch durchaus Erfolg. Carlos Cruz an den Drums entpuppte sich als echtes Animal und dreschte ähnlich der Gestalt aus der Muppets Show mit wilden Kopfzuckungen auf seinem Kit rum. Besonders positiv bei dieser erst ein paar Jahre bestehenden Band fand ich das souveräne Stageacting. Hier war ordentlich Bewegung drin, und die Band suchte stets den Publikumkontakt, wofür man auch mal bis auf die äußerste Spitze der Monitorboxen stieg. ARCH ENEMY - ganz Headliner - ließen die volle Halle dann erst einmal warten. Der Umbau der Bühne, die Regieanweisung an die Kameraleute und der Sicherheits-Soundcheck wurden in Ruhe zelebriert, bis dann endlich nach langer Zeit das Licht ausging. Links und Rechts hinter der Bühne gab es Leinwände mit passenden Projektionen zu den Songs, was der Show etwas Künstlerisches verlieh und der Bühne mehr Tiefe. Vom neuen Album gab es dann mit großem Alarm den Opener 'Yesterday Is Dead And Gone' und zum richtig Warmwerden das Stück mit dem wohl größten Video-Airplay neben 'We Will Rise': 'Revolution Begins'. Die Gleichung ging auf, und schon nach diesen beiden Titeln war die Halle auf Betriebstemperatur. Angela genoss dann erst einmal strahlend die Kulisse und nahm sich Zeit für eine lange Ansage, warum ausgerechnet das Kölner Konzert für die Videoaufzeichnung ausgewählt wurde - schließlich wurde sie selbst ein paar Stadtteile weiter einst geboren und fühlt sich mit Köln nach wie vor verbunden. Natürlich war auch bei der Gelegenheit ihre Familie angereist, wobei ihrem Bruder eine ganz besondere Aufgabe zuteil wurde: eine der vielen Action-Cams für das Filmmaterial hatte er am Stirnband befestigt und sprang so filmend durch's Publikum bzw. ließ sich crowdsurfend nach vorne tragend, was er dann natürlich auch direkt unter Beweis stellte. Leider war die Security an dem Abend ein wenig arg lahmarschig, und just in dem Moment, als Angela den Killer 'Ravenous' mit "Jetzt will ich Blut spritzen sehen!" ankündigte, krachte ihr Bruder ungebremst in den Fotograben. Nun, er guckte etwas bescheiden, aber da er am Abend noch öfter zu sehen war, scheint er es gut weggesteckt zu haben. Die Band arbeitete sich dann langsam durch die letzten 10 Jahre wieder zum neuen Album, von dem am Abend noch das Triple 'Bloodstained Cross', 'Under Black Flag We March' und 'No Gods, No Masters' geboten wurde. Zwischendurch gab es die obligatorischen Soli an Drums und Gitarre, aber ich muss ehrlich sagen: diese Soli kenne ich nun zur Genüge seit der Japan-Liveaufnahme und der letzten Tour bzw. der Festivals. Das hat wirklich nichts Inspirirendes, nichts Spontanes mehr, und so gelungen ich diese Einlagen finde: man sollte sie nicht jahrelang wiederholen, sondern etwas spontaner werden. Überhaupt war der Auftritt zwar perfekt, aber wenig spontan. Wegen der gehörten Samples vermute ich den Einsatz von Clicktracks, so dass keine richtige Live-Dynamik aufkommen wollte. ARCH ENEMY leben so zwar von ihrer talentiert brüllenden Frontfrau, aber die Band sollte ruhig mal wieder daran denken, auf der Bühne die Rampensau zu machen. Mehr Mut zu Fehlern, mehr Mut zu Lärm! Wer sich Anarchie und Khaos Legions auf die Fahne schreibt, darf den Metal live nicht vom Reißbrett runterspielen. So, genug auf hohem Niveau gemeckert, nichtsdestotrotz waren ARCH ENEMY ein würdiger Headliner. Im Übrigen ist ja bekannt, dass Angela politisch recht engagiert ist, und so nahm die Band - neben den ebenfalls in ihrer Heimat politisch engagierten CHTHONIC (s. Interview hierzu auf Bleeding4Metal) - auch eine kleine Delegation von Amnesty International mit auf die Tour, die dort unaufdringlich für ihre "Expression Of Freedom"-Kampagne warb. Metal muss als Musik zwar nicht politisch sein, aber in diesem Fall finde ich die Kombination sogar authentisch. Man darf gespannt sein, was an Video-Material bei dieser Show alles angefallen ist und wie die kommende DVD ausfallen wird. Insgesamt war der Abend trotz des immensen Aufwands für die Aufzeichnung recht reibungslos über die Bühne gegangen. Die Changeovers gingen - bis auf ARCH ENEMY - verdammt flott, und auch den Vorgruppen wurde ein ordentlicher Sound spendiert. Für den Preis von 21 Euro eine coole Angelegenheit! Aber verdammt nochmal, ich hätte doch gern zwischendurch was zu Essen gehabt.... |
Alle Artikel