Interview mit Yantit von Ewigheim

Ein Interview von Zephir vom 16.12.2016 (23711 mal gelesen)
Kürzlich erschienen EWIGHEIMs "Schlaflieder", ein buchstäblich todtrauriges Album, das auch manch einem eingefleischten Zyniker die Spucke trockenlegen und Pipi in die Augen treiben dürfte (hier geht's zum Review). Mastermind Yantit äußert sich im Interview zum neuen Werk.

Hallo! Nun sind schon ein paar Tage ins Land gegangen, seit euer jüngstes Album erschienen ist – noch einmal herzlichen Glückwunsch zu diesem Hammerwerk! Wie geht es Dir nun so zwischen Release und Jahreswechsel?

Yantit: Hab vielen Dank und danke der Nachfrage. Hier ist alles gut und es wird langsam wieder etwas ruhiger. Die Zeit um die Veröffentlichung herum war hingegen wirklich arbeitsreich, aber auch sehr schön. Das eigentliche Problem war auch nicht EWIGHEIM, sondern die Dinge drum herum. TVB waren ja bis vor ein paar Tagen noch mit PAIN unterwegs, in dieser Zeit haben wir die Planung der EWIGHEIM-Tour im Januar/Februar 2017 abgeschlossen und im Moment sitze ich gerade mit DF – von EISREGEN – an der Vorproduktion für die zweite EISBLUT-Platte … ja, richtig faul sind wir nicht. (grinst)

Seid ihr mit den Reaktionen auf das neue Album zufrieden?

Yantit: Ja, wirklich sehr, und auch ein wenig überrascht. Nachdem klar war, dass "Schlaflieder" doch sehr ruhig und melancholisch ausfallen würde, hatten wir schon ein paar Bedenken, dass es einigen Hörern zu ruhig sein könnte.

Ihr habt die "Schlaflieder" selbst als todtraurig bezeichnet. Liegt in diesem Begriff auch ein bisschen Sarkasmus? Und selbst wenn – sie sind tatsächlich todtraurig und berührend. Was hat euch hierher geleitet, bewegt?

Yantit: Du hast es erkannt. Man könnte es sarkastisch verstehen, muss man aber nicht, da es eben einfach traurig ist. (lacht) Was uns dazu gebracht hat sage ich jetzt lieber nicht, die Erklärung würde sicher sehr pathetisch ausfallen und gerade das wollten wir auf "Schlaflieder" vermeiden. (lacht)

Gehen wir mal auf ein paar inhaltliche Details ein. Ist beispielsweise im Titeltrack, 'Schlaflied', der Schlaf des Todes Bruder? Oder sind die beiden Begriffe einfach Synonyme?

Yantit: Irgendwann als Kind ist mir aufgefallen, dass die meisten Lebewesen liegend oder – im besten Fall sogar – schlafend sterben. Da lag der Gedanke nahe, dass man sich irgendwann ein letztes Mal "schlafen" legt und das fand ich immer irgendwie rührend … darum geht's.

Ein interessantes Motiv taucht mehrfach auf: Den Mond berühren. In 'Himmelsleiter' wird der Mond erst berührt, dann vom Himmel abgehängt und mitgenommen. Was bedeutet es, den Mond zu berühren?

Yantit: Puh … das ist nicht so einfach zu erklären. Ich habe schon so lange ich denken kann versucht, mir den Moment des Sterbens vorzustellen. Dabei erschließen sie einem natürlich genauso viele Möglichkeiten wie Todesarten. Also je nachdem ob man friedlich "einschläft" oder sich zum Beispiel erhängt. Die Variante, eine Leiter hinaufzusteigen, den Mond zu berühren und auf das Leben hinter sich zurückzublicken fand ich irgendwie schön auch irgendwie beruhigend.

Das 'Mondlied' ist in jeder Hinsicht etwas Besonderes … das Arrangement ist total spannungsgeladen, der Text liefert viel Interpretationsspielraum. Worum geht es eigentlich?

Yantit: Dann habe ich ja bald das ganze Album erklärt (lacht) Der Text ist für mich ein Synonym für eine gescheiterte Beziehung. Man hat sich nichts mehr zu sagen oder zu geben und verlässt einander. Am Ende stellt man fest, dass das eigene Dasein ohne den anderen doch keinen Sinn hat … und das ist … traurig.

'Ein Stück Näher' ist der vierte Track auf dem Album und der erste, der nahezu tanzbar arrangiert ist. Er ist trotzdem furchtbar melancholisch. Hat es einen Grund, dass ihr ausgerechnet hier mehr Gas gebt?

Yantit: Nein, nicht wirklich, aber genau diese Ambivalenz war schon immer sehr wichtig bei EWIGHEIM. Im Endeffekt geht es darum, dass man einer Stimmung mit den richtigen Mitteln einen ganz andern Beigeschmack geben kann.

Ganz ehrlich: Musste von euch Dreien eigentlich auch jemand weinen, als ihr an Titeln wie 'Schlaflied' oder 'Einmal Noch' gearbeitet habt?

Yantit: Nein, (lacht) aber es gab schon ein paar Klöße im Hals. Gerade beim Schreiben der Texte kam es öfter vor, dass ich den Stift aus der Hand gelegt habe und mich ein paar Minuten an die frische Luft setzten musste.

Sowohl in 'Dies Ist Der Preis' als auch in 'Besessen & Entseelt' scheint mir eine ganz leichte Prise Sarkasmus zu liegen, die ich von euren früheren Werken kannte, die man auf dem neuen Album aber nur noch sehr reduziert vorfindet. Insgesamt mag ich den Ernst der Scheibe, war aber richtiggehend erleichtert, als sich hier ein bisschen die Mundwinkel kräuseln durften … auch wenn es bitterer, trauriger Sarkasmus ist. Man kann sich ja kaum vom Inhalt dieser Lieder distanzieren, vermutlich erkennt jeder ein Stück von diesen kleinen Menschen in sich selbst … Lässt sich mit ein bisschen sarkastischer Distanz das Menschsein leichter ertragen?

Yantit: Mir hilft sie leider nicht und ich denke, was dich bei den angesprochenen Liedern zum Lächeln gebracht hat war eher das etwas unkonventionelle Vokabular. (grinst) Grundsätzlich mag Sarkasmus für den Moment hilfreich sein, etwas ändern oder gar verbessern wird er nicht. Wer genetisch nicht mit einer gewissen sanguinen "Blödheit" gesegnet – das meine ich wirklich nicht böse! – und ehrlich zu sich selbst ist, wird am Ende des Tunnels kein Licht sehen und kann nur auf das letzte Licht im Tunnel hoffen.

Was hat es mit 'Wir, Der Teufel Und Ich II' auf sich? Es gab ja quasi einen Part I auf dem Vorgängeralbum "24/7". Ich habe allerdings erst einmal keinen Zusammenhang zwischen den beiden Liedern erkannt. Gibt es einen?

Yantit: In den beiden Texten geht es darum, was der Teufel heute für mich ist – Teil Eins – und wie ich ihn als Kind für mich entdeckt habe – Teil Zwei. Abgesehen davon, dass ich gern "Hail Satan" sage, rede ich ungern darüber. Aber ich nehme ihn sehr ernst und bin froh, dass es ihn in gibt.

Bitte sag noch ein paar Worte zum letzten Track, der mit drei Pünktchen irgendwie in die Ferne, in eine ungewisse Zukunft weist ...

Yantit: Keine Ahnung, jeder wird irgendwann alles verlieren, was er liebt, oder die zurücklassen, die ihn geliebt haben. Diese Vorstellung ist furchtbar und es gibt eigentlich keine Worte dafür, darum die drei Pünktchen. Ich denke, jeder hat diese Gedanken, doch wir werden dazu erzogen, ihre Tragweite zu verdrängen – um ein einigermaßen glückliches Leben führen zu können. Wenn es tatsächlich einen Preis dafür gibt, ein Mensch zu sein, dann ist es dieser, das eigene Bewusstsein ertragen zu müssen … wie gesagt, wenn man nicht total debil ist, kann man sich nicht ewig etwas vormachen.

Die zwei Bonustracks, 'Des Teufels Schönstes Kind' und 'Negativ', klingen eher wie frühere Arbeiten von euch, oder? Sie haben mehr Drive und mehr Sarkasmus. War das der Grund, dass ausgerechnet die zwei zu Bonustracks auserkoren wurden?

Yantit: Ich finde sie beide großartig und sie wären unter normalen Umständen sicher auch ein nicht unwichtiger Teil einer EWIGHEIM-Platte. Als sich abgezeichnet hat, wie ruhig und melancholisch "Schlaflieder" werden würde, hatten wir eigentlich keine andere Wahl, als sie zum Bonus zu "degradieren". Alles andere hätte mit Sicherheit die Stimmung des kompletten Albums ruiniert.

Mal was ganz anderes: Im vergangenen Sommer wart ihr auf dem Amphi Festival in Köln. Ich selbst habe das Festival vor Jahren ein paar Mal besucht, es wurde mir aber insgesamt zu EBM-lastig. Wie ist es euch dort ergangen?

Yantit: Es war schon recht merkwürdig, aber auch total positiv. Wir hatten eigentlich nicht damit gerechnet, vor einer vollen Halle zu spielen und es war auch nicht abzusehen, dass uns größere Teile des Auditoriums kennen. Am Ende hat es trotzdem nur ein paar Minuten gedauert die Leute zu begeistern … das war wirklich abgefahren und ich habe mich sehr darüber gefreut, wie offen die Leute auf uns reagiert haben. (lächelt)

Allen sagte in einem Interview (hier nachzulesen), dass ihr explizit auf einem Gothic-Festival spielen wolltet. Das hat mich überrascht, weil ich meine, der Begriff "Gothic" hätte sich im Laufe der Jahre reichlich abgenutzt.

Yantit: Du hast es ja schon selbst erklärt. EBM. Gothic, Gothic-Rock ... eigentlich egal, denn wirklich frisch sind diese Begriffe alle nicht. Wir wollten einfach wissen, wie ein anderes Publikum auf uns reagiert. Ein paar Wochen nach dem Amphi haben wir beim Barther Metal Open Air vor einer Hörerschaft, die fast zu Hundert Prozent aus Black Metallern bestand, gespielt und es hat genauso gut funktioniert … wir sind einfach neugierig und kein bisschen feige. (lacht)

Habt ihr weitere Pläne, was Live-Auftritte angeht?

Yantit: Ja, und sie sind auch schon sehr konkret. Wir werden von Ende Januar bis Ende Februar 2017 sieben Konzerte – an vier Wochenenden – zu "Schlaflieder" geben. Darüber hinaus ist noch nichts weiter geplant.

Woran werdet ihr als nächstes arbeiten? Immerhin seid ihr ja noch in anderen Bands aktiv.

Yantit: Da kann ich nur für mich sprechen. EISREGEN-Keyboarder DF, M. Roth und ich legen gerade letzte Hand an ein Album, das eigentlich das zweite EISBLUT-Album werden sollte. Da haben sich allerdings einige Sachen geändert, sodass man im Frühjahr 2017 mit einer ziemlichen Überraschung von uns rechnen sollte … mehr möchte ich aber auch noch nicht verraten. (grinst)

Ich bedanke mich ganz herzlich für deine Zeit und Mühe! Bitte gib unseren Lesern noch ein Schlusswort mit auf den Weg.

Yantit: Wir haben zu danken und würden uns sehr freuen, ein Paar von euch im Frühjahr auf Tour zu sehen. Ansonsten wünsche ich einfach viel "Spaß" mit "Schlaflieder", ein paar besinnliche Tage und ein tolles Jahr 2017.

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