Livebericht Omnium Gatherum (mit Mors Principium Est ) |
---|
Ein Livebericht von Akhanarit aus Hongkong (Hidden Agenda) - 03.08.2016 (23955 mal gelesen) |
Endlich ist auch in Hongkong mal was los an der Metal-Front. Heute geht es ins Hidden Agenda, um OMNIUM GATHERUM meine Aufwartung zu machen, wobei die Band bisher gehörig an mir vorbeigezogen ist. Doch mit MORS PRINCIPIUM EST im Vorprogramm, die ja schon zwei Mal in Folge (mit "...And Death Said Live" und "Dawn Of The 5th Era") bei den Reviews mit der vollen Punktzahl triumphieren konnten, muss ich selbstverständlich hin! Nachdem mein Kumpel Dick einen Tag vorher abgesagt hatte, schloss ich mich kurzerhand mit seinem Freund Louis zusammen, den ich bisher nur von den sozialen Netzwerken her kannte. Gegen 18:00 Uhr geht es erstmal mit dem Bus zur nächsten MTR-Station (hiesige U-Bahn). Ein kleines Schwätzchen mit dem Manager im lokalen Instrumentenfachhandel stimmt mich so langsam auf diesen Abend ein. Und dann geht es auf in die Schlacht. Das bedeutet vorerst mitten in der Rush-Hour Bahn fahren. Man könnte es auch "Kuscheln mit Fremden" nennen. Dass Kutten nicht sehr verbreitet sind, merkt man am ungläubigen Starren der anderen Fahrgäste aller Altersschichten. Da es keine Abteile gibt, schiebt sich der gigantische Beförderungswurm voll besetzt durch die Tunnel und ich erreiche nach zwei Mal Umsteigen mein Ziel (Ngau Tau Kok) schon gegen 19:00 Uhr. Da ich Louis erst in einer halben Stunde treffe, nutze ich die Zeit für etwas MORS PRINCIPIUM EST aus der Konserve. Da erst zwei Tage vorher ein kleiner Taifun über uns hinwegfegte, ist die Luft halbwegs erträglich, obwohl das Shirt unter der Kutte bereits zur Hälfte nass ist. Lecker! Als dann ein langhaariger schmächtiger Asiate im BLACK SABBATH-"Sabotage"-Shirt vor mit auftaucht, habe ich meine Begleitung und zugleich menschliches Navigationsgerät gefunden. Auf Schusters Rappen geht es weiter ins Industriegebiet und je tiefer wird in die Eingeweide der Stadt vordringen, desto düsterer werden die Gassen. Vom hektischen Trubel, der sonst überall in Hongkong herrscht, ist hier nicht mehr viel zu spüren. Hier hält sich nur noch auf, wer einen Grund hat. Nach etwa einer Viertelstunde sind wir am Ziel angekommen. Das Hidden Agenda Live-House ist noch nicht einmal mit einem Schild gekennzeichnet und nur wer sich hier auskennt, findet das Venue zielsicher. Noch eine weitere Viertelstunde bis zum Einlass und es stehen gerade mal neun Leute vor der Garageneinfahrt, in der es heute noch finnischen Melodic Death Metal auf die Ohren geben soll. Als ich wissen will, wie viele Fans wohl da sein werden meinte Louis "Vielleicht 100 oder so. Für Metal wird öffentlich nicht gerade Werbung gemacht, weshalb kaum einer Bescheid weiss, dass heute überhaupt ein Gig statt findet." Metal-Fans vernetzen sich hier eher über Facebook & Co. und weisen sich gegenseitig auf anstehende Gigs hin. Pünktlich um 20:00 Uhr ist Einlass und mit dem Lastenaufzug geht es nach oben. Schon stehen wir vor der zierlichen Kartenabreißerin, die meine Karte mit der Nummer 5 entwertet. Louis grinst und zeigt stolz seine Nummer: 1! Direkt hinter ihr befindet sich der Merchandise Stand. Drei oder vier verschiedene Shirts und die neuen Alben von MORS PRINCIPIUM EST und einer weiteren Band, die ich weder kenne und die auch nicht an diesem Abend spielt, sind ganz schön mau. Auf Nachfrage, was denn mit der neuen OMNIUM GATHERUM sei, grinst der junge Mann am Merch-Stand. "Hatten wir, sind aber schon weg. Waren ja nur zwei Kopien!" WTF? Ich griff mir dann eine der übrigen "Dawn Of The 5th Era"-Scheiben und zahlte 120 HKD (Hong Kong Dollar). Umgerechtet 13,89 €, was absolut in Ordunng für ein neues Album ist. OMNIUM GATHERUM gehen wegen Abwesenheit von Tonträgern dagegen leer aus. Selber Schuld! Wir gehen weiter in das Konzertzimmer (Konzertsaal kann man es ja nicht wirklich nennen) und nehmen auf einer der seitlichen Bänke Platz. Ich lasse meinen Blick durch die Besucher schweifen. Das Hidden Agenda ist gerade mal zu einem Drittel gefüllt und da das Fassungsvermögen 300 Besucher bedienen kann, lag Louis mit seiner Einschätzung genau richtig. Den meisten Besuchern sieht man eine zugehörigkeit zur Metalszene so gar nicht an. Business-Shirts und normale Alltagskleidung bestimmen das Gesamtbild. Nur vereinzelt erspäht man Band-Shirts (darunter AVANTASIA, DIMMU BORGIR, AMON AMARTH, SICK OF IT ALL, DYING FETUS, SLAYER und sogar OBSCURA). Beim Merch-Stand scheint sich niemand eingedeckt zu haben. Als einziger Kuttenträger fühle ich mich gar an meine Schulzeit erinnert. Auch lange Haare sind eher die Seltenheit, was im Übrigen auch für Tattoos gilt. Hier sind es eher ein paar Mädels, die sich sogar einen kompletten Sleeve in die Haut haben hacken lassen. Die Herren gehen mit der Norm konform und wirkliche Metaloutfits sieht man bestenfalls bei den "Guai Lo's" (Geist-Typen), den Weißen. Etwa gegen 20:30 Uhr geht es dann los. Das Licht geht aus und Drummer Mikko Sipola nimmt hinter seiner Schießbude platz und bedient das programmierte Intro. Die Bühne ist winzig, gerade mal einen halben Meter hoch und großgewachsene Musiker müssen höllisch aufpassen, dass sie mit dem Kopf nicht an die massiven Deckenbalken knallen. Dann kommt der Rest der Meute auf die Bühne und MORS PRINCIPIUM EST starten mit 'The Unborn' ihren Auftritt. Der Sound ist prima und die Atmosphäre ausgesprochen familiär. 'I Will Return' und 'Altered State Of Consciousness' folgen, bis dann mit 'Leader Of The Titans' der erste Song vom neuen Album an die Reihe kommt. Die Reaktionen im Publikum sind gut. Ich sehe Louis in der ersten Reihe bangen, was das Zeug hält, während die folgenden Reihen eher verhalten im Takt mitnicken. Frontmann Ville Viljanen hat die Lage fest im Griff und immer wieder recken sich die Pommesgabeln ihm entgegen. Der Gute ist heute prächtig bei Stimme und keift sich die Seele aus dem Leib. Bei 'Pressure' wird die Temperatur im Hidden Agenda noch weiter gepusht und ich bin dankbar, dass sich die Klimaanlage direkt über meinem Kopf befindet. So habe ich durchgehend eine kühle Brise. 'Birth Of The Starchild' folgt, und irgendwann bemerkt Gitarrist Andy Gillion ganz nüchtern, dass er bei seinem Solo den Monitor zerbrutzelt hat. Wir mögen doch bitte dem Soundmann dafür einen kleinen Applaus spenden, was wir natürlich gerne tun. Dann folgt das Intro vom neuen Studioalbum 'Enter The Asylum' wobei man etwas verschnaufen kann, bis dann das mächtige 'God Has Fallen' amtlich in der Magengrube drückt. Jedoch merkt man, dass Andy ohne seinen Monitor etwas gehandicapt ist und immer wieder dezente Timingprobleme bekommt. Er ist aber routiniert genug, diese Situation zu meistern. Gelernt ist eben gelernt. Dann ein Sprung zum Debüt-Album, welches mit 'Life In Black' vertreten ist. An dieser Stelle sollte ich vielleicht erwähnen, dass MORS PRINCIPIUM EST derzeit mit einem Session-Gitarristen auskommen müssen, da Kevin Verlay die Band 2015 verlassen hat. Wer da jetzt nun in die Saiten greift, habe ich nicht herausfinden können. Da er aber unglaublich intensive grüne Augen sein Eigen nennt, bekommt er jetzt einfach das Pseudonym "Mr. Greeneyes". Greeneyes verkörpert das Bild des typischen Nordmannes. Lange blonde Haare, selbstverständlich Bart und seine verstimmte Ibanez als Kriegswaffe ... Schnell muss das Instrument deswegen gewechselt werden (ich sag ja immer, Floyd Rose-Tremolo ist Mist, String-through-body garantiert noch die beste Stabilität) und hier ist es von Vorteil, dass die Bühne so nah ist. So konnte der aufmerksame Beobachter zwei kleine Fotos auf der Oberseite seiner Klampfe erkennen, die vermutlich seine Kinder zeigen. Nette Geste, die ihn nur noch sympathischer macht. Mit 'Finalty' und dem als Video zum neuen Album ausgekoppelten 'Monster In Me' geht es weiter und so langsam ist jeder Besucher im Hidden Agenda auf Betriebstemeratur, als MORS PRINCIPIUM EST sich mit 'Pure' verabschieden. Es war ein toller Set. Nur schade, dass 'We Are The Sleep' gefehlt hat. Das wäre in der Tat die Krönung gewesen. Jetzt schnell zum Getränkestand, der es allen Besuchern sehr einfach macht. Die verfügbaren Getränkedosen sind in einer Reihe aufgestellt, so dass man nur auf das gewünschte Flüssigkaltnass zeigen muss. Lautstärke oder Sprachbarrieren ausgeschlossen. 20 HDK (2,32 €) für eine Dose sind ebenfalls vertretbar. Zudem darf man auch seine eigenen Getränke dabei haben. Security gibt es auch nicht. Hier wissen die Leute schon, wie sie sich zu benehmen haben und da jeder hier dankbar ist, dass Musiker aus aller Welt extra nach Hongkong kommen, auch wenn keine Stabilität bei den Besucherzahlen gewährleistet werden kann, zeigt man sich von seiner besten Seite. Jetzt ist es 22:00 Uhr. Nach nicht einmal zehn Minuten betreten OMNIUM GATHERUM schon die Bretter. Die ersten drei Alben werden komplett ausgespart und der Fokus soll auf der neuen Scheibe "Grey Heavens" liegen. Als 'The Pit' beginnt, bricht Jubel aus. Sekunden Später betritt auch Frontmann Jukka Pelkonen die Bühne und röhrt erstmal das gesamte Hidden Agenda mit seinem unmenschlichen Organ in Grund und Boden. Verschnauft wird nicht, denn sofort geht es mit 'Ego' weiter. Erst danach wendet sich Jukka ans Publikum und bereitet uns auf einen weiteren neuen Track, 'Skyline', vor. Da dieser bereits als Teaser vorab veröffentlicht wurde, sieht man sogar schon ein paar Fans mitsingen. Schnell haben die Besucher den Dreh raus, mit der zweihändigen Pommesgabel das OMNIUM GATHERUM-Symbol zu stilisieren, was natürlich auch daran liegt, dass Jukka es gefühlte hundert Mal pro Song vormacht. Bei 'Nail' recken sich die Fäuste geschlossen der Bühne entgegen, begleitet von "Hey, hey, hey"-Shouts aus der Menge. Als ich mich umdrehe bemerke ich, dass sich der kleine Saal ein wenig gefüllt hat. Zwei Drittel des Hidden Agenda scheinen nun genutzt zu werden. Sehr schön! Dann sind ja genug Leute da, um 'The Unknowing' zu hudigen. Ich wusste gar nicht, dass man mit nur zehn Leuten einen Circle-Pit zustande bringt, doch in Hongkong ist vieles möglich. Jukka will wissen, wer sich traut, da rein zu gehen. Ich traue mich nicht, schließlich will ich die kleinen Leute da ja nicht kaputt machen. Der zwei Köpfe kleinere Bodybuilder vor mir traut sich auch nicht und hält sich stattdessen lieber krampfhaft an seiner "Muscle-Milk"-Flasche fest. Irgendwie muss ich grinsen, denn drollig ist das Bild schon. Zugpferd des neuen Albums ist natürlich 'Frontiers' bei dem wohl der meiste Jubel aufbrandet. Waren Jukka's Clean-Vocals in der ersten Hälfte noch konsequent daneben, so hat sich das ab jetzt eingependelt und auch OMNIUM GATHERUM präsentieren den Fans durchweg einen guten Live-Sound. So machen Konzerte Spaß! Auch 'The Sonic Sign' und 'Ophidian Sunrise' werden gnadenlos abgefeiert. Dann verschwinden die Musiker kurz von der Bühne, während das Instrumental 'Luoto' erklingt. Nach und nach kommt ein Musiker nach dem anderen zurück und steigt mit ins Geschehen ein, während Jukka erstmal Pause hat. Doch 'New Dynamic' lässt nicht lange auf sich warten und wir werden konstant angefeuert, uns mit Gesten und Schlachtrufen zu beteiligen. Das muss man uns natürlich nicht zwei Mal sagen. So scheint der Schweiss bei 'New World Shadows' beinahe schon von der Decke zu tropfen und OMNIUM GATHERUM verabschieden sich kurz und knapp von den Fans. Moment, so haben wir nicht gewettet!!! Lautstark fordern wir unsere wohlverdiente Zugabe ein, die uns die Band dann doch nicht vorenthalten will. Mit 'Stormy Front' findet ein großartiger Gig dann aber doch sein Ende. Welch ein musikalischer Leckerbissen. Das Wortspiel OMNOMNOM GATHERUM hält sich bei uns daher hartnäckig, ist aber liebevoll gemeint und erschöpft sowie durchgeschwitzt treten wird die Heimreise an. Es geht langsam auf Mitternacht zu und wer (wie ich) eine etwas weitere Heimreise hat, der muss sich sputen, um auch noch den letzten Bus zu erwischen. Bis dahin fahren die Bahnen im 2-3 Minutentakt, doch schon bald wird die MTR wie ausgestorben wirken, bis es am frühen Morgen wieder heißt: Rush-Hour. Und dann beginnt das unablässige Gewusel in den Straßen der knapp 8 Millionen-Stadt wieder von Neuem, während ich mich erhebe, um euch diese Zeilen zu spendieren. Cheers! |
Alle Artikel