SLM - Kreislauf

Review von Zephir vom 08.12.2023 (7760 mal gelesen)
SLM - Kreislauf Noch gut erinnere ich mich an das 2021er Album "Trauerweideneinsamkeit" von SLM. Mich persönlich hatte das lyrische Post-Black-Ambient-Derivat des Kölner Musikers, der sich zuvor oder parallel durchaus auch anderen musikalischen Richtungen widmete, überaus angesprochen. Umso neugieriger war ich nun auf das Nachfolgewerk: "Kreislauf" ist kürzlich erschienen, wiederum in Eigenregie, wiederum als Soloprojekt.

Was sofort ins Auge fällt: Das Artwork hat kräftig zugelegt. Wie in dendrologischer Reminiszenz an "Trauerweideneinsamkeit" findet sich inwendig des Digipacks ein vertrautes, düsteres Spiel aus Ästen und Zweigen. Das Cover trägt seinerseits ein morbides Todesvogelwesen zur Schau sowie die japanische Transkription des Albumtitels. - Japanisch? Über die Hintergründe hierzu ist mir nichts bekannt; überraschen tut der Schriftzug, der den deutschen Titel überragend dominiert, jedoch auch nicht. Kommen wir später darauf zurück und stellen zunächst fest: Das Artwork ist erstens sehr ansprechend gemacht und stammt zweitens - wie auch der ganze Rest - vom Mastermind selbst. Damit punktet "Kreislauf" in jedem Falle schon einmal.

Der Einstieg ins Musikalische erfolgt dann ohne Vorwarnung ziemlich abrupt. Auf ein Intro wurde verzichtet und 'Novemberschein' eröffnet das Album ohne großes Vorgeplänkel, sodass der Zugang zum merklich avantgardistischer gewordenen Geschehen zunächst ein wenig schwer fällt. Die Texte weiterhin auf Deutsch gehalten, mit keifendem Harschgesang vertont, gehen die Kompositionen nun mit Kemper und zuweilen Klavier deutlich progressiver und experimenteller zu Werke. Typische Blastbeats mischen sich noch immer mit melodischeren und teils von Pianoklängen getragenen Passagen, jedoch hören wir nun immer wieder ein Unwetter an harmonischen Wendungen und Windungen, die mitunter in wilde Raserei ausarten.

Da ist der Opener noch einer der getrageneren Tracks (und mit über acht Minuten Spielzeit übrigens auch der ausladenste): Schon die 'Kriechtierballade' verzichtet nahezu gänzlich auf klassische Schönheit und huldigt der Ästhetik des Grotesken mit wechselnden Rhythmen und annähernd willkürlichen Akkordgefügen. Die Willkür ihrerseits spielt sich wohl eher im tonalverwöhnten Kopf des Hörers ab denn in der Kreation des meines Wissens nach klassisch ausgebildeten Songwriters.

'Verzweiflungsschrei' untermalt mit Haken schlagenden Un-Harmonien und schrillen Schräglagen die desperate Thematik des Songs. Der Wermutstropfen: Hier klingt das Gefüge in besonderem Maße synthetisch, was sich bei einem Soloprojekt mit musikalischem Output dieses Kalibers nicht immer vermeiden lässt. Die Möglichkeiten des programmierten Sounds geraten irgendwann an ihre Grenzen; bei "Kreislauf" ist dies der Fall, weil die klangliche Leistung der technischen Hilfsmittel der Komplexität des Kompositionsgefüges aus schnell wechselnden Riffharmonien schlicht nicht genüge tut. Als groteskes Alptraumtheater, das manche Dark Metal-Kollegen gekonnt mit E-Orgel untermalen, hat der Sound durchaus seinen Reiz, jedoch scheint sich "Kreislauf" keineswegs auf einer Bühne abzuspielen, sondern viel eher die Welt zu bedeuten.

Der Titeltrack 'Kreislauf' wagt dem dann auch noch einmal einen obendrauf zu setzen: Freunde der Avantgarde dürfen an diesem Track ihr Ohr schulen. An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal ins Interpretatorische abdriften und auf den japanischen Albumtitel zurückkommen. Dass sich mitteleuropäische Morbidität immer wieder elegant mit fernöstlicher Spiritualität mischt, haben wir bereits mehrfach erfahren, so etwa im Gesamtkontext des kanadischen Projekts UNREQVITED. Vor diesem Hintergrund wage ich den Deutungsversuch, dass auch 'Die Zerstörung Der Welt' einem sich stetig erneuernden Zyklus unterworfen sein mag, den das Album aller Destruktionswut zum Trotze musikalisch abbildet.

Noch immer erinnert so mancher Moment von "Kreislauf" sowohl musikalisch als auch lyrisch an manch älteres Werk von ALEXANDER PAUL BLAKE, und zwar dort, wo es ruhiger zu Werke geht und in schwarzromantischer Getragenheit verfangen bleibt. Dies gilt beispielsweise für den Track 'Traumgestaltenwandel', der im Songwriting allerdings einige schleppende Längen aufweist und damit ein wenig schwächelt. Am besten wirkt das neue Album von SLM dort, wo es melodisch-melancholisch zugeht; hierfür ist in Teilen wiederum der klavieruntermalte Rausschmeißer 'Ödlandecho' exemplarisch. Für die ausgesprochen avantgardistischen Elemente, die der Mastermind zweifellos beherrscht, fehlt es dann doch an geeignetem Instrumentarium.

Kurzum: Mit dem Fokus auf Black Ambient ist "Kreislauf" abermals ein starkes Werk geworden. Das schwarzmetallische Experiment kommt hingegen aus technischen Gründen nicht so recht zur Geltung, weshalb mir die quantitaive Bewertung schwer fällt. Eine Hörempfehlung gebe ich in jedem Falle, denn was das Soloprojekt SLM mit "Kreislauf" abliefert, wäre in umfangreicherer Besetzung auf jeden Fall ein Kracher aus Tradition und Avantgarde.

Gesamtwertung: 7.0 Punkte
blood blood blood blood blood blood blood dry dry dry
Trackliste Album-Info
01. Novemberschein
02. Kriechtierballade
03. Verzweiflungsschrei
04. Kreislauf
05. Zerstörung Der Welt
06. Traumgestaltenwandel
07. Ödlandecho
Band Website: www.strangelovemusic.de
Medium: CD
Spieldauer: 38:04 Minuten
VÖ: 24.11.2023

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten