Interview mit Nachtgarm von Negator

Ein Interview von Opa Steve vom 24.05.2013 (13278 mal gelesen)
Wir gaben Nachtgarm Gelegenheit, das neue Album sowie die Position zur Szene zu kommentieren.

Ein Hallo nach Norddeutschland! Ist der Panzer noch schön warmgeschossen, oder habt ihr euch eher am langen kalten Winter der vergangenen Monate erfreut?

Nachtgarm: Moin! Der Panzer läuft immer auf Hochtouren, auch wenn der Winter dieses Jahr echt genervt hat. Zumindest hier im Norden. Nichts gegen 'nen anständigen Winter, aber so ungares Wetter mit ein bisschen Schnee, dann wieder Regen und so "Weichspül-Temperaturen" kann schon echt nerven. Nu scheint wieder die Sonne hier oben und das ist auch gut so.

"Gates To The Pantheon" erscheint dieser Tage in den Läden. Wie ist euer Gefühl bei der Scheibe, und wie sehen die ersten Reaktionen aus?

Nachtgarm: Wir freuen uns sehr darauf, das Album endlich auf die Menschheit loszulassen. Hat ja nun auch lang genug gedauert. Die Reaktionen sind bisher gut, zumindest von Seiten der Fans. Einigen Kritikern ist das Album "zu gut produziert" ...

Ich finde, die neue Scheibe klingt nicht mehr ganz so durchschlagend wie der Vorgänger, sondern eher greller. Was waren die Unterschiede in der Produktion?

Nachtgarm: Wir finden, dass die Platte dieses Mal noch mehr Wumms hat als seine Vorgänger, aber das mag auch subjektiv sein. Die Unterschiede in der Produktion sind nicht so groß. Wir hatten sehr wenig Zeit, eine klare Vorstellung, wie die Scheibe klingen soll und dank Eike Freese ist das Ergebnis mehr als zufriedenstellend. Zumindest für uns. Natürlich haben wir dieses mal andere Amps, andere Gitarren etc. benutzt, aber wenn ich jetzt den ganzen Technik-Quatsch aufzähle, schreibe ich wahrscheinlich morgen noch.

Dennoch bietet "Gates To The Pantheon" musikalisch genau eure Trademarks, nämlich rasenden Black Metal mit dezenter nordischer Prägung. Besteht die Gefahr, dass dieser Stil auf Dauer die Musik limitieren könnte, oder siehst du hier noch genügend Potenzial für die nächsten 20 Jahre Extrem-Black-Metal?

Nachtgarm: Mit "Gates" haben wir uns frei gemacht von genau diesen Limitierungen, die Du ansprichst. Natürlich haben wir unsere Trademarks weiter verfolgt, aber haben darüber hinaus so viele neue und evtl. untypische Elemente mit eingebaut, dass wir uns jetzt auf jeden Fall eine Arbeitsgrundlage geschaffen haben, die mit Sicherheit noch Potenzial für die nächsten 20 Jahre in sich birgt.

Gibt es eigentlich Rezensionen oder Meinungen, die euch auch mal total anpissen?

Nachtgarm: Klar. Vor allem, wenn man direkt herauslesen kann, dass das Album vom jeweiligen Schreiber kaum bis gar nicht gehört wurde. So nach dem Motto: "Die ersten 2 Songs reichen, um mir ein Bild von dem Album zu machen". So etwas nervt dann schon. Anstrengend sind auch schlecht bis gar nicht recherchierte Hintergründe, zu denen dann aber Fragen gestellt werden. Aber hey... am Ende des Tages ist es mir egal, ob ein Schreiber mein Album mag, oder nicht. Die Fans sollen schließlich entscheiden, ob ihnen das Album gefällt oder eben nicht. Und ich bin halt naiv genug zu glauben, dass der geneigte Hörer sich immer noch selber seine Meinung bildet.

Die Promoter haben vor einiger Zeit auf euer Betreiben hin einen ziemlichen Rundum-Anschiss verteilt, weil wohl euer Album schon früh im Netz stand. Was genau ist damals gelaufen, und glaubt ihr, dass Drohungen etwas bewirken?

Nachtgarm: Hä? Weißt Du etwas, von dem ich nichts weiß? Wir haben damals bei "Panzer Metal" ein paar Leute von unserem Label/unseren Anwälten anschreiben lassen, bei denen nachgewiesen werden konnte, dass diese das Album vor VÖ zum illegalen Download ins Netz gestellt haben. Was da "die Promoter" aber gemacht haben entzieht sich meiner Kenntnis. Ob Drohungen etwas bewirken, weiß ich nicht. Ich denke aber schon, dass es zumindest den/die "Täter/in" kurz wachrüttelt und ihn/sie eventuell beim nächsten Mal davon abhält. Dass ein Album irgendwann im Netz landet ist klar, wenn aber nur eine kleine Auswahl an Leuten die Scheibe vor VÖ bekommen und diese dann teilen, ist das einfach mal scheiße.

Agiert ihr im Studio eher wie auf der Bühne aus dem Bauch heraus, oder steckt ihr während der Produktion eine Menge Feinarbeit in das Material, um es so präzise wie möglich auf den Silberling zu bannen?

Nachtgarm: Wenn wir ins Studio gehen ist die Platte bereits komplett vorproduziert und bis zum letzten Beckenschlag durchkonzipiert. Bei so wenig Zeit, die wir im Studio immer haben, sind Fehler kontraproduktiv und kosten Zeit und somit auch Geld. Natürlich entwickeln sich im Studio immer noch kleine Feinheiten heraus, aber müsste ich eine Zahl nennen, würde ich sagen, dass unsere Scheiben zu 98% fertig sind, bevor wir das Studio betreten. Im Studio selber geht es denn "nur" noch um die eigentliche Aufnahme und den Sound, was ja mehr als genug Arbeit ist.

Viele Stile haben sich im Laufe ihrer Zeit in verschiedene Richtungen entwickelt, indem andere Einflüsse eingebracht wurden oder auch mal eherne Regeln der Szene-Wächter gebrochen wurden. Welche neuen Tendenzen wären deiner Meinung nach eine legitime Veränderung dieser Musikrichtung, ohne ihre Wurzeln und Intention zu verleugnen?

Nachtgarm: Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden. Ich denke, solange man einer Sache, oder einer Musikrichtung "dienlich" ist, ist alles erlaubt. Die "Dienlichkeit" ist dabei natürlich subjektiv, deswegen ist es schwierig, da eine allgemeingültige Antwort zu geben. Spreche ich aber nur von mir, kann ich mit ruhigem Gewissen sagen, dass alles an Veränderungen erlaubt sein sollte, solange es der Musik, oder der Stimmung, die eine bestimmte Musik transportieren soll, dienlich ist. Bei Techno-Beats im Black Metal würde ich aber auch 'nen Schuldigen suchen, den ich dafür quälen kann!

Ist euer privater Musikkonsum genauso Black-Metal-lastig, oder hat vielleicht der eine oder andere in seiner CD-Sammlung ein paar "Leichen im Keller", die man so nicht direkt vermuten würde?

Nachtgarm: Ich kann auch hier nur von mir sprechen und auch hier mit ruhigem Gewissen sagen, dass es so etwas wie "Leichen im Keller" im Bezug auf Musik nicht geben sollte und bei mir nicht gibt. Ich höre privat so gut wie gar keinen Metal mehr. Wenn ich zu Hause Musik höre, dann eher gesangsorientierten Kram wie ROCKY VOTOLATO, DAMIEN RICE, PUSCIFER, PINK FLOYD, oder gerne auch mal den ganzen Tag Klassik Radio. Würde ich mir 24/7 Blastbeats reinziehen, wäre mein Horizont als Musiker so groß wie der einer toten Kuh auf Valium.

Betrachtet ihr euch auch als Teil einer Szene, oder geht es ausschließlich um die Kunst?

Nachtgarm: Welche Szene? Wir haben schon immer unser eigenes Ding gemacht, ohne Rücksicht auf irgendeine Szene und wurden dafür auch oft verurteilt. Geht uns aber am Arsch vorbei. Wir machen, worauf wir Lust haben, und sollte ich deine Frage in deinen Worten beantworten, würde ich sagen: Ja, es geht nur um die Kunst.

War die Doppelbelastung mit DARK FUNERAL für dich einer der Hauptgründe, bei den Schweden auszusteigen, oder liegt der Fokus ganz klar auf NEGATOR, die ja noch nicht den großen Ruf wie erstgenannte genießen?

Nachtgarm: Die Gründe, die zu meinem Ausstieg bei DARK FUNERAL geführt haben, sind völlig irrelevant. Wichtig ist nur, dass ich jetzt wieder 200% für NEGATOR geben kann und nicht bloß 100%, wie zu meiner Zeit bei DARK FUNERAL.

Zu eurem Wappen gibt es einen Spruch. "Angetreten, um Werte zu schaffen...." - was genau sind diese Werte, die ihr erschaffen wollt?

Nachtgarm: Genau diese Frage ist eine der Fragen, wo ich mich immer frage: Warum, zum Henker, werden wir das noch immer gefragt? Ich habe über die letzten 10 Jahre schon ca. 1000-mal erklärt, worum es dabei geht, aber für Dich mach ich das natürlich gerne zum 1001. Mal: Die angesprochenen Werte sind hier metaphorisch zu sehen. Es soll nicht vergessen werden, was einst war und was die Szene einst geprägt und ausgemacht hat, als wir damit groß wurden (Ende der 80er, Anfang der 90er). Und da rede ich nicht von Brandstiftung, Mord oder dergleichen. Es geht um ehrliche Musik, mit ehrlichen Emotionen. Ein Wertegefühl, das heute kaum einer mehr kennt oder kennen will. Es geht immer nur um: Wer ist böser als der nächste? Wer hat die längeren Nieten? Wer hat den miesesten Sound... Alles Bullshit in meinen Augen.

".... gemacht, um unentbehrlich zu sein" - wann wäre dies aus eurer Sicht erreicht, oder habt ihr dieses Ziel vielleicht schon auf eine Weise erreicht, die ihr für euch definiert habt?

Nachtgarm: Unentbehrlichkeit liegt ja im Auge des Betrachters, und jede Band, die etwas Ehrliches leistet, ist unentbehrlich. Wir sprechen bloß aus, dass es so ist.

Deutsche Titel sind aus eurem Songwriting offenbar mittlerweile verschwunden (oder ich habe sie übersehen). Was war der Grund dafür, mittlerweile darauf zu verzichten?

Nachtgarm: Wir haben seit jeher uns immer für die Sprache entschieden, die am "songdienlichsten" ist. Auf der neuen Platte passten einfach keine deutschen Texte, rein vom Klang der Wörter. Wir sehen den Gesang ja auch immer noch mehr als weiteres Instrument, denn als eigentlichen Gesang. Es gibt dafür dieses Mal einige altgriechischen Passagen und auch kurze Teile auf Sumerisch.

Dann darf man gespannt sein, wie ihr euren Status ausbauen könnt, bis diese Art von Musik eines Tages körperlich zu anstrengend werden wird, aber euer Ruf dennoch bewahrt bleibt. Die letzten Worte gehören traditionell unseren Interviewpartnern - was möchtet ihr unseren Lesern zum Schluss noch mitgeben?

Nachtgarm: PANZER FOREVER PANZER!

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