Opas verborgene Perlen - Teil 1

Ein Artikel von Opa Steve vom 01.02.2011 (16367 mal gelesen)
Legendäre Perlen ... oder: 10 Reviews auf einen Schlag. Keine alltäglichen Reviews, denn ich habe für die Auswahl dieser Schätze harte Grundsätze angelegt. Natürlich weiß jeder Heavy-Fan, wie wichtig Alben wie DEEP PURPLEs "In Rock" oder IRON MAIDENs "Number Of The Beast" für die Entwicklungsgeschichte unserer geliebten Musik sind. Warum also darüber noch Worte verlieren? Dies ist alles schon geschrieben und bekannt. Aber hier geht es um diejenigen, die einst eine phänomenale Leistung ablieferten, aber heute nicht nur vergessen sind, sondern es nicht einmal jemals zu höherem Bekanntheitsgrad geschafft haben. Zu vielen dieser Alben habe ich eine besondere Beziehung, denn sie prägten mich während des metallischen Heranwachsens (was natürlich noch nicht beendet ist). Was für die weite Welt ein "Number Of The Beast" oder "In Rock" war, waren für mich zusätzlich ganz andere Scheiben, die ich heute teilweise sogar noch höher bewerte als die klassischen Vertreter. Und da ich jede Scheibe hiervon mindestens 10 Jahre kenne, ist auch sichergestellt, dass sich keine Eintagsfliegen verirren, sondern ganz große und wahrenswerte Kunst (nach meinen eigenen subjektiven Maßstäben). Teilweise sind die Exemplare heute superrar und vergriffen, aber mein besonderer Dank gilt der weltweiten YouTube-Gemeinde, denn nur durch sie seid ihr heute in der Lage, selbst in die raresten der hier vorgestellten Titel reinhören zu können! Ich war darüber bei den Recherchen hochgradig positiv überrascht, dass ich euch tatsächlich lückenlos mit Anspiellinks versorgen kann.

Auf geht's, auf eine Zeitreise in die verborgenen Winkel des Metals!


BACKWATER: "Revelation" (1984)


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VENOM als dreckige Vertreter des Ur-Black-Metals kennt eigentlich jeder. Aber auch mitten in Deutschland gab es eine Band, die den Spirit von Cronos, Mantas und Abaddon komplett inhaliert hatten. "Revelation" war ihr Debütalbum und rumpelte fast genauso herrlich wie VENOMs "Black Metal". Die Gitarre wurde durch extreme Choruseffekte gejagt (was bei der damaligen Vinylpressung ziemliche Soundprobleme bereitete) und Schreihals Thomas Guschelbauer klang mindestens so besoffen wie sein Vorbild aus Newcastle. "Revelation" ist eine prima rumpelige und dennoch grundsympathische Sache. Gerade die Unperfektion und der rüde Sound machen BACKWATER auf dieser Scheibe so lebendig, da sie absolut nicht berechnend vorgingen, sondern einfach das taten, auf was sie Bock hatten. Diese Zwanglosigkeit war beim Nachfolger "Final Strike" leider auch schon komplett verschwunden, was just das Ende der Band einläutete. Anspieltipps sind die extrem räudigen Bollergranaten wie 'The Black Knight And The Holy Sword' oder 'Hell Cat'. Kaum ein Album verbreitet die Aufbruchstimmung des deutschen Extrem-Metals Mitte der Achziger so gut wie diese Perle hier. Somit ist "Revelation" ein Stück hartmetallischer Zeitgeschichte und als Referenz unsterblich.


VOIVOD: "Dimension Hatröss" (1985)


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Wie könnten VOIVOD in dieser Sammlung fehlen (... jaja, ihr kennt mich, haha!).... Die Kanadier um die beiden Masterminds Away und Piggy (RIP) sind seit einem Vierteljahrhundert unermüdlich unterwegs, und mangels großem Durchbruch sogar manchmal unter deprimierenden Bedingungen. Auch wenn die Scheiben nach Piggys tragischem Tod trotz auf Laptop überliefertem Riff-Vermächtnis nicht mehr die Klasse des alten Materials erreichen können gebührt ihnen aufgrund ihres Lebenswerk dennoch Respekt. Eine Menge beachtenswerter und legendärer Outputs gehen auf das Konto der Vier, aber die Scheibe, die unbedingt in den Mittelpunkt gestellt werden muss, ist "Dimension Hatröss". Sie markiert nämlich den Scheideweg vom apokalyptischen Endzeit-Thrash der ersten Alben zur progressiven Phase ab "Nothingface". Kurzum: sie hat das Beste aus zwei Welten. Immer noch extreme und furiose Titel, aber ein Füllhorn voller Ideen und Songs, die vielseitig wie Galaxien sind. Nie war der Voivod - die Titelfigur fast aller Songs - präsenter als hier (und später nochmal auf dem kaum minder genialen Album "Phobos"). Die Technisierung des Fantasiewesens spiegelt sich in den Songs wieder, die effektbeladen den Begriff Cyber-Thrash prägten. Hört man das Album am Stück, wähnt man sich im freien Fall und lässt sich vom kontrollierten Chaos den Boden unter den Füßen wegreißen. Beim unvergesslichen LSD-Anfangsriff von 'Brainscan' werden schon deutlich die PINK FLOYD Einflüsse hörbar, die die Band auch später noch öfter begleitet haben.

ZNÖWHITE: "Kick 'em When They're Down" (1985)


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Geschwindigkeitsrekorde waren nicht selten von Schwarzen bestimmt, die zwar bei extremen Musikrichtungen eher selten auftreten, aber wenn, dann so richtig auf die Kacke hauen. Hierzu fallen einem die BAD BRAINS im Punk ein, aber auch z.B. HIRAX im Metal. Auch beim US-Schneewittchen - damals schon stilsicher mit Metal-Umlaut - rockten in der Urbesetzung drei farbige Brüder, die von der weißen Nicole Lee am Mikro unterstützt wurden. In dieser Besetzung wurden lediglich zwei EPs veröffentlicht, die auf eine Vielzahl Recording-Sessions zurückgehen und in sich recht inhomogen klingen. Darüber hinaus war Nicole nie eine besonders herausragende Sängerin, was sie aber mit einer dreifachen Portion Enthusiasmus wieder wett machte. Allerdings war die Kombination des gerade auftretenden Speed Metals mit dem hymnenhaften Charakter der Songs so zündend, dass man über die qualitativen Probleme gerne hinwegschaut. Spätere Versuche, die Band durch immer neue Mitglieder am Leben zu halten, scheiterten an der Messlatte, die ZNÖWHITE damals mit legendären und energischen Livegigs aufbauten. Man kann sich nur ausmalen, was zu unvergesslichen Songs wie 'Too Late' oder 'Sledgehammer' zur Stagediver-Hochphase los war.

SAVAGE GRACE: "Master Of Disguise" (1985)


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SAVAGE GRACE haben ihren Platz unter den Metal-Legenden definitiv verdient, obwohl sie gerade mal 2,5 Alben veröffentlichten. Gegründet von dem kongenialen Gitarrenduo Christian Logue und Kenny Powell (heute OMEN) waren SAVAGE GRACE die Band, die den Speed Metal mitbegründet hatten. Extrem schnelle Gitarrenduelle paarten sich mit großartigen Metal-Vibes und auch fantastischen Melodien aus der Feder Logues, der nach Powells Ausstieg mit dem Album "Master Of Disguise" für offene Münder im weltweiten Underground sorgte. "MAIDEN on speed" war nur eine der treffenden Bezeichnungen. Neben der fantastischen Gitarrenarbeit prägte jedes Bandmitglied auf dieser Scheibe den GRACE-Sound gleichwertig mit: Beast's pulsierender Bass, Dan Finch's ausuferndes Drumming, und die 100%igen Zeitgeist-Vocals von Mike Smith. Da zu dieser Zeit keine Technik wie Trigger oder digitaler Schnitt zur Verfügung standen klingt das Album unsauberer als aktuelle Speed-Produktionen, aber man spürt in jedem Takt, dass die Band mit Energie an ihrer physischen Grenze arbeitet. Diese spielerische Energie, wie sie z.B. der Titelsong bietet, sucht man heute meist vergeblich. Mit SAVAGE GRACE war es leider schneller vorbei, als es losgehen konnte. Nach dem Ausstieg von Mike versuchte Chris Logue einen Egotrip und übernahm in einem Anflug von Selbstüberschätzung selbst das Mikro. Schwindelerregende Gitarrenlicks wie in 'Sins Of The Damned' und Singen kann natürlich nicht funktionieren. Und so verpatzte die Band den so wichtigen Europa-Einstieg auf dem denkwürdigen Metal Hammer Festival im gleichen Jahr, bei dem Logues furchtbarer Gesang heute noch die Besucher von damals erschaudern lässt. Logues sture Dominanz und die ständigen Gelenkprobleme des Drummers, der nach einem denkwürdigen Absturz auf einem nahe der Loreley stattfindenen Weinfestes die Band dann aus gesundheitlichen Problemen verließ, führten dann dazu, dass die Band keinen Fuß mehr auf den Boden bekam. Logue versuchte 2010 einen Restart als Sänger mit der Backing-Band von ROXXCALIBUR, aber trotz aller denkwürdigen Titel der Vergangenheit sind so die Songs nur noch die einer Coverband.


GRIFFIN: "Protectors Of The Lair" (1986)


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Mitte der Achziger - die NWOBHM bestimmte den neu auferstandenen Metal-Höhenflug - und damit den Metal-Mainstream. Doch was kaum jemand registrierte war, dass im Land des Glam-Rocks, den USA, eine Band existierte, die kein Haarspray benutzte, und einen Furz auf die eher simplen britischen Songschemata gaben. Auf der wohl besten GRIFFIN-Scheibe mischten die Jungs die frühen Speed-Metal-Einflüsse mit zündenden und vielseitigen Songs, die sich für damalige Zeiten überraschend energisch von allen Schemata freischwammen. Sänger William R. McCoy sorgte für einen enormen Wiedererkennungswert, ähnlich wie es Eric A.K. bei FLOTSAM & JETSAM tat. Die Songs ergeben so wunderbare Einheiten und sind einfach stimmig und packend. Kaum zu glauben, dass eine Band aus Kalifornien eine solch tiefgehende Stimmung fernab aller Easy-Livin'-Oberflächlichkeiten hervorbringen konnte. Anspieltipps sind die hammergeilen Headbanger 'Tame The Lion' und 'Truth To The Cross'.


NECRONOMICON: "Necronomicon" (1986)


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Die vier jungen Kerle aus Süddeutschland waren so etwas wie die musikalischen Ziehkinder von DESTRUCTION. Gerade ihre ähnlich verrückt-primitiven Riffs erinnern an die Frühwerke von Schmier & Co.. Dennoch lassen sich NECRONOMICON und DESTRUCTION nicht so einfach vergleichen, denn NECRONOMICON bringen eine Menge Punk-Vibes in den Black-Thrash. Sägende Gitarren und chaotische Strukturen paaren sich mit den prägnanten Vocals von Volker Fredrich, und für einen Newcomer hat das Album verdammt geilen Druck und klingt einfach "live". Was für KREATOR 'Tormentor' war, war 'Magic Forest' für NECRONOMICON: ein unaufhaltsamer Presslufthammer. Und mit 'Insanity' huldigen NECRONOMICON den göttlichen DISCHARGE nicht nur musikalisch, sondern im Break auch sogar noch textlich. Wenn sie diese Aggression und Räudigkeit hätten bewahren können, hätte aus NECRONOMICON was Großes werden können - dafür ist speziell diese Scheibe heute Kult, und selbst nach einem Vierteljahrhundert lege ich sie immer noch genauso gerne auf.

FEAR OF GOD: "Within The Veil" (1991)


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In der Zeit des Wandels vom Thrash zum Death Metal gab es da eine völlig unbeachtete Band, die die straighten Strömungen des Metals verachtete, und auch sonst alle Zeitgeister wie Crossover mied. Wäre die Sängerin Dawn Crosby, ehemals bei der Szenegröße DETENTÉ am Mikro, nicht auch bei FEAR OF GOD gewesen, wäre es um den Bekanntheitsgrad vermutlich noch schlechter bestimmt. Düsterer Psycho-Thrash war das experimentelle Kapitel, welches FEAR OF GOD auf "Within The Veil" eindrucksvoll aufschlugen. Die Stimmung dieser Scheibe ist vor allem wiederum Dawn Crosby geschuldet, die mit allen möglichen kranken Stimmen das Album Spur für Spur würzte. Dabei kann es auch mal schleichend langsam gehen, manchmal aggressiv. Interessanterweise findet sich nur wenig livetaugliches Material auf der Scheibe wieder - trotz damals noch verbreiteter analoger Aufnahmetechnik setzen sich die Songs wie Collagen zusammen. Geräusche und Effekte spielen dabei eine große Rolle. Titel wie 'White Door' werden so zu perfekten Horror-Soundtracks, Paradoxien wie 'Red To Grey' (Symbiose von drogenumnebelten Melodien mit Doublebass) entstehen, aber auch straighte Banger wie 'Diseased' konnte die Band rausschütteln. Wer heute noch ein Original dieser Scheibe besitzt, kann sich glücklich schätzen, denn Sammler bieten dafür hohe Preise.



NEFILIM: "Zoon" (1996)


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Die legendären FIELDS OF THE NEPHILIM sind jedem ein Begriff, der sich auch nur halbwegs für Gothic-Rock interessiert. Weniger bekannt ist, dass der charismatische Sänger Carl McCoy seinerzeit auch ein waschechtes Metal-Brett am Start hatte. "Zoon" ist das einzige mir bekannte Album, aber genau das macht es so wertvoll. Schließlich hatte "Zoon" alles, was seine ehemaligen Fields-Mitstreiter mit RUBICON vergeblich versuchten: nämlich Carls Stimme (wohl die unbestritten beste des harten Gothic-Segments), und die Atmosphäre der ehemaligen legendären Band. Nur auf einem wesentlich härteren Level. "Zoon" ist daher die perfekte Kombination für Metaller, denen Gothic sonst zu rüschenhaft ist. Vor vorne bis hinten nur Gänsehaut-Songs, und wem es bei 'Shine' nicht eiskalt den Rücken runterläuft, dem ist nicht zu helfen.

BETLEHEM: "Sardonischer Untergang Im Zeichen Irreligiöser Darbietung (S.U.I.Z.I.D.)" (1998)


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Ich gebe zu, dass ich mit BETLEHEM jeden bekannten Pfad des musikalisch allgemein anerkannten Verständnisses verlasse. Dennoch sind BETLEHEM trotz aller Verrücktheit eine Offenbarung, in die es sich einzutauchen lohnt. Dazu benötigt man auf S.U.I.Z.I.D. allerdings eine große Portion Toleranz, denn BETLEHEM haben auf diesem Album ihren perfekten Stil gefunden, der zwischen Dark/Black-Metal und drogenvernebelten Experimenten balanciert. Mit etwas Glück sind die Jungs einfach nur begabte Schauspieler, aber wahrscheinlicher ist die Annahme, dass sie wirklich so schräg in der Birne drauf sind, wie dieses Album suggeriert. Hallfahnen, völlig sinnlose Texte, gruselige Tapeten im Booklet, und eine Menge Geräusche bilden ein Gesamtkunstwerk, welches eine Atmosphäre "realer Horrorhäuser" wie z.B. in "Freitag Der 13." aufbaut. Der Irrsinn auf dieser Scheibe strahlt eine Faszination aus, und manchmal sind die Kompositionen überraschend straight und finden den direkten Zugang zu den Emotionen des Hörers. Der Minimalismus von 'Du Sollst Dich Töten' fesselt genauso wie das doomige 'Gestern Starb Ich Schon Heute' - der Dadaismus von 'Teufelverrückt Gottdreizehn' kontrastiert den stimmungsvollen Gothic-Einschlag von 'Nexus'. Ein einzigartiges, wohl nicht zu wiederholendes Experiment kranken Metals. Aber auch das kann bei großer Authentizität ganz große Kunst sein.

DISMAL EUPHONY: "All Little Devils" (1999)


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Eigentlich hätte vor 12 Jahren alles glatt gehen müssen. Bei Nuclear Blast unter Vertrag (OK, NuBla waren damals noch bedeutend kleiner), von Waldemar Sorychta im Woodhouse produziert, und musikalisch plaziert zwischen der auf dem Höhepunkt angekommenen norwegischen Black Metal Bewegung und Gothic Metal. Letzteres machten eigentlich viele Kapellen, aber der Sound von DISMAL EUPHONY, denen nur ein kurzes Bandleben beschert war, war dennoch einzigartig. Unverständlicherweise ging dennoch alles schief. Dabei ist "All Little Devils" von wunderbarem Songwriting geprägt, verspielt, und für die ausschlaggebenden Genres beinahe progressiv. Mehr als einmal fließen die Melodien durch eine spontane Gänsehaut und sind mit einem mitreißenden Drive unterlegt. Beinahe jeder Song reizt die Facetten von akustischen Parts bis hin zu Schredder-Guitars aus, und das theatralische Wechselspiel zwischen den Vocals von Anja Natasha und Ole Helgesen gestaltet die Titel fühlbar lebendig. Bisweilen wurden die Songs sogar Musical-mäßig komplett auf die Gesangsdominanz konzipiert und verlassen das rocktypische Riffschema vollständig, was bei 'Psycho Path' erstaunlich gut funktioniert.

Wir lesen uns wieder in einigen Jahren, wenn ich neue Scheiben in meinen persönlichen Kultstatus hebe!

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