Interview mit Dirk und Dennis von My Cold Embrace

Ein Interview von RJ vom 25.05.2014 (14564 mal gelesen)
MY COLD EMBRACE die 2. Eine Bestandsaufnahme nach 11 Jahren.

Zu MY COLD EMBRACE und dem bisherigen Werdegang habe ich bereits im Rahmen meiner Rezension zur EP "Earth Exhausted" ein paar Worte verloren. Die Kasseler Death Metaller haben mit der EP ihr 15-jähriges Bestehen im Untergrund gefeiert und gezeigt, dass man sich mit dem Status recht wohl fühlt. Was es noch zu sagen gibt, erzählen uns Gitarrist Dirk Wettlaufer, der im Übrigen auch der Interviewpartner des ersten B4M-Interviews aus dem Jahre 2003 war, und Sänger Dennis Hirth.

Hallo und erst einmal einen schönen Gruß nach Kassel bzw. Umgebung. Ich hoffe, bei euch ist alles fit. Was macht ihr gerade? Arbeitet ihr schon wieder fleißig an neuen Songs?

Dirk: Hallo und besten Dank für die Grüße. Bei uns in Kassel ist wieder alles in bester Ordnung. Kurz nach dem Release unserer neuen Scheibe "Earth Exhausted" ist Gründungsmitglied Tim am Bass ausgestiegen und wir mussten seinen Nachfolger Pato am Bass einarbeiten. Mittlerweile hat er seine Bühnenfeuerprobe mit uns auch schon überstanden und bringt sich fleißig ins Songwriting ein. Die nächste Scheibe wird auf keinen Fall wieder so lange dauern wie die letzte. Im Moment sind wir da sehr zuversichtlich und sehr motiviert, frischer Wind tut immer gut.

Ich habe mir mal ein paar der Kritiken zu eurer EP angeschaut und festgestellt, dass auch meine Rezi-Kollegen ganz angetan waren. Für euch war das doch sicherlich eine tolle Bestätigung, oder?

Dirk: Die tollen Kritiken sind eine schöne Bestätigung für unsere harte Arbeit. Das motiviert natürlich, wenn die Scheibe nicht nur bei den Fans, sondern auch bei den Magazinen und Veranstaltern und so weiter gut ankommt. Natürlich macht man Musik in erster Linie für sich selbst, aber wenn die Rückmeldungen nicht stimmen, ist der Ofen bei so mancher Band schnell aus. Wir sind jetzt 16 Jahre im Underground-Geschäft, was doch für sich spricht, oder?

Den: Ist immer schön zu sehen, dass die harte Arbeit und das Herzblut, dass man als Band in die Songs gepumpt hat, auch die Hörer mitzieht. Letztlich geht es bei Musik für uns ja auch immer um transportierte Emotionen und Botschaften. Doch was bleibt davon, wenn es außer uns niemand hört?

Ihr bietet eure EP in verschiedenen Varianten vom Einzel-Download bis hin zum Cardsleeve an. Welche Variante lief denn bis jetzt am besten und können die Fans noch CDs bei euch abgreifen?

Dirk: Die Downloads werden regelmäßig immer wieder in Anspruch genommen, was ich so gar nicht erwartet hätte. Viele testen tatsächlich erst einmal einen Song und kaufen dann doch die CD. In Sachen Promotion lief die CD-Version übrigens um Längen besser als die Onlinebemusterung, das muss man an der Stelle auch mal sagen. Die Magazine haben von Streams und Downloads offensichtlich den Kanal voll. Bei den Verkäufen hilft es natürlich, dass immer wieder gute Kritiken erscheinen. Am meisten verkaufen wir da die CD und das geht am besten am Merchstand nach dem Konzert. Leider mussten wir durch unseren Wechsel am Bass ein paar gute Konzertangebote ausschlagen, ich hoffe aber, dass wir jetzt wieder in die Vollen gehen können, um ein paar gute Slots zu erwischen, so dass dann hoffentlich der CD-Verkauf auch noch mal etwas anzieht. Natürlich haben wir noch CDs und wer auch ältere Scheiben zu einem super fairen Bundle-Kurs von uns haben will, der schreibt uns einfach eine Email an info@mycoldembrace.de. Leider haben wir keinen Vertriebsdeal und das Nicht-Vorhandensein unserer CD bei Platzhirschen wie Nuclear Blast oder EMP macht den Verkauf nicht gerade einfach für uns. Vor zehn Jahren noch haben massig Leute einfach Kohle in einen Briefumschlag gesteckt und direkt bei Underground-Bands bestellt, diese Zeiten sind durch. Absolut.

Den: Wenn es nur nach unserem Willen gegangen wäre, hätte wir das Ganze auch noch als Digipak, Vinyl, Tape und Laserdisc unters Volk geworfen. Doch die Mittel waren und sind beschränkt, ergo ist bei einem Cardsleeve und einer Downloadversion geblieben. Damit kann man aber sowohl die Freunde der "harten Ware" als auch des Digitalen bedienen und ist von daher für uns ideal. Die Art des Musikkonsums hat sich in den letzten 10 Jahren wirklich krass verändert. Vinyl starb aus und kommt jetzt zurück, MP3s wurden Streams, und plötzlich ist die CD, das innovative Musikmedium unserer Generation, irgendwie… alt. Mit all diesen Änderungen haben sich aber auch die Hörgewohnheiten verändert. Musik ist überall verfügbar, einzelne Songs viel gefragter als ganze Alben. Da muss man sich als Vorrentnertruppe erst mal drauf einstellen, aber ich denke, wir finden so langsam unseren Weg.

Euch gibt es jetzt bereits seit über 15 Jahren. Gab es eigentlich in dieser Zeit schon mal Bestrebungen, mehr zu erreichen und MY COLD EMBRACE aus dem Untergrund herauszuführen?

Dirk: Es ist nicht so, dass wir keine Bestrebungen hätten, mehr aus MY COLD EMBRACE zu machen. Die Frage ist halt zu welchem Preis und welche Opfer wir dafür bringen müssten. Mittlerweile sind wir altersbedingt natürlich auch beruflich und familiär stärker gebunden als früher, da sind die Träume deutlich geerdeter und realistischer. Wir haben in all den Jahren immer wieder mit Plattenfirmen verhandelt, so zum Beispiel EMP beachtliche Stückzahlen unserer letzten CDs verkauft, wir hatten massig Interviews, Radio Airplay und so weiter. Zum Teil haben wir wirklich beachtliche Shows mit Rang und Namen wie zum Beispiel MISERY INDEX, KRISIUN, DYING FETUS, ASPHYX, WOLFSBRIGADE und viele andere gespielt, aber irgendwie hat immer das letzte Quäntchen Glück für die nächste Stufe gefehlt. Wahrscheinlich auch, weil wir unsere präzise Vorstellung von D.I.Y. nie in kommerzielle Muster haben pressen können, wir sind da vielleicht einfach zu eigen. Wir haben keinen Bock auf rechtsoffene Vertriebe, Veranstalter und Magazine, wir sind strikte Gegner von Pay to play, wir machen keine Buy-Ons und Buy-Ins und nehmen aus Prinzip an keinen Battles und Votings teil. Das bringt uns zwar viel Szene-Respekt ein, aber erschwert unser Vorankommen doch nicht unerheblich. Wenn man dann auch noch ehrlich ist und dem ein oder anderen "Szeneoriginal" kritisch in die Suppe spuckt und ganz ehrlich immer wieder anprangert und aufzeigt, wie dieses Haifischbecken "Metal" in Wirklichkeit funktioniert, dann lassen einen die "kommerziellen Verwerter" aller Couleur vorsichtshalber in Ruhe. Egal wie, ich spiele lieber nur eine Hand voll Shows, wenn sie fair für alle Beteiligten sind. Ich scheiße lieber auf Deal und Vertrieb, solange wir unsere Vision von MY COLD EMBRACE zu 100 Prozent umsetzen können und uns niemand sagt, was wir zu tun oder zu lassen haben.

Was treibt euch an? Immerhin wirkt das, was ihr macht, recht professionell und manch einer hätte bei der Qualität einhergehend mit dem Untergrund-Status schon längst das Handtuch geworfen.

Dirk: Freundschaft treibt uns an, der Wille in guten wie in schlechten Zeiten zusammenzuhalten und nicht aufzugeben, egal welcher Job oder welche Frau gerade kommt oder geht. Das schweißt unendlich zusammen und je mehr Jahre vergehen, umso größer wird die Lust, das nächste Jubiläum auch noch erreichen zu wollen. Wir liefern das, was wir können, schon immer so professionell ab wie wir können und sparen weder am Cover, noch an den Recordings, noch an den Bildern oder etwas anderem und liefern immer das größte Paket ab, das wir zu leisten im Stande sind, aus eigener Befriedigung heraus und zur Freude aller Beteiligten. MY COLD EMBRACE ist eine Aufgabe, etwas, das dich begleitet und verfolgt. Der Trick ist, auch mit kleinen Dingen glücklich zu sein. Hey und wenn mal ein Konzert nicht läuft und du feierst mit 50 Nasen - egal! Habe eine gute Zeit und genieße alles was du machst als ein Geschenk, freue dich über die Dinge, die du hast, mehr als dass du dich über die Dinge ärgerst die du nicht hast.

Den: Zum Musik machen gehört immer ein gewisser Wille zur Selbstverwirklichung. In deinem Kopf muss irgendeine Vision herum spuken, und wenn du Glück hast, findest du einen Haufen Bekloppter, die so ähnlich ticken und dich der Verwirklichung ein Stück näher bringen. Das trifft in Summe sicherlich auf uns alle zu. Und solange wir diese Dinge teilen, wird das auch noch eine ganze Weile so weitergehen.

Welche Pläne habt ihr? Kommt von euch in absehbarer Zeit ein neuer Longplayer?

Den: Definiere absehbar! Nach der wirklich langen Zeit zwischen "Hausgeist" und "Earth Exhausted" haben wir hierfür ein wenig das Gespür verloren. Aber Spaß beiseite. Wir sind bis in die Zehennägel motiviert und schreiben fleißig neuen Kram - und diesmal für etwas im Full-Album-Format, auch wenn Dirk hier lieber alle sechs Monate neue Splits und EPs raustrümmern würde. Der überwiegende Teil der Band hat aber Bock auf was größeres, etwas, das uns mal wieder ein bis zwei Jahre trägt und auf Konzertbillings bringt. Und auch was das Medium der Veröffentlichung angeht, werden wir uns diesmal richtig was einfallen lassen. Nichtsdestotrotz wollen wir so oft wie es geht auf die Bühne. Keine Shows, kein MY COLD EMBRACE.

Wie sieht es mit euren Live-Aktivitäten aus? Gibt es einige Auftritte in der Pipeline?

Den: Im Juli, genauer gesagt am 26.07., starten wir endlich mal wieder bei unserem Lieblings-Open-Air. Das Fest-Evil in Manrode hat uns viele denkwürdige Auftritte beschert, und dieses Jahr gibt es mit REAPER, BURDEN OF GRIEF, DARK RAGE und RAPTURE quasi das All-Star-Line-Up der letzten Jahre. Alles Bands, die uns seit ewigen Zeiten begleiten und auf die wir uns heftigst freuen. Am 06. September knallt es auf dem Burgbergfestival in Homberg, am 18. Oktober zerschroten wir unter anderem mit TANKARD das Bullblast in Schrecksbach und am 08. November sind wir auch endlich mal wieder in der Kasseler Heimat zu Gast. Ist also schon ganz ordentlich, darf aber gerne mehr werden!

Ihr habt ja schon mit einigen - auch recht bekannten - Bands die Bühne geteilt. Mit welcher Band war es für euch ein besonderes Erlebnis und gibt es die eine oder andere interessante Tour-Story oder ein besonderes Erlebnis bei einem Auftritt, von dem ihr unseren Lesern berichten könnt?

Dirk: Fast jeder Auftritt ist etwas besonderes. Alle in der Band lieben zum Beispiel MISERY INDEX, dann aber wirklich mal direkt vor den Jungs zu spielen, mit ihnen das komplette Equipment des Abends zu teilen und auf Augenhöhe respektvoll stundenlang tolle Gespräche mit seinen "Idolen" führen zu können macht schon sehr glücklich. Basketball spielen mit DYING FETUS, mit TOTENMOND in der eigenen Küche nach dem Konzert einen trinken, das ist schon eine tolle Sache. Das ist der Gewinn und die Belohnung, die wir aus unserer harten Arbeit ziehen. Besonders rührend haben sich zum Beispiel damals auch ROTTING CHRIST um uns gekümmert, nachdem sie mitbekommen haben, wie übel VADER mit uns umgegangen sind. WOLFBRIGADE haben uns umarmt und namentlich begrüßt, das sind alles wertvolle, sehr glückliche Momente. In Sachen Tour-Story ist sicherlich auch unser Auftritt in Istanbul zu erwähnen. Wir kamen des Nachts im asiatischen Teil der Stadt an, der Opa des lokalen Promoters überließ uns nach Kaffee und Tee seine komplette Wohnung, sein Bett und ließ uns frei gewähren, so wir uns doch hoffentlich nur wohl fühlen wollen in seiner Wohnung. So viel Vertrauen und Respekt von eigentlich unbekannten Menschen zu erfahren, die froh sind, dass wir uns den Weg zu ihnen machen, erfüllt uns mit tiefem Respekt und Dankbarkeit. Solche Momente zeigen, wie völkerverbindend und vertraulich unsere Szene weltweit sein kann. Als Metal-Fan bist du nirgends alleine auf der Welt. Oder wolltest du lieber ein paar Sex, Drugs & Rock 'n' Roll-Stories? Auch damit wären unsere Giftschränke reichlich, aber gut verschlossen, gefüllt, aber wir brauchen ja auch noch Luft für ein weiteres Interview bei euch!

Passt schon, ich habe ohne speziellen Hintergrund gefragt und wollte auf die Frage eure persönlichen Eindrücke hören und die Erlebnisse, die euch wichtig sind und Eindruck hinterlassen haben. Kommen wir zu meiner nächsten Frage. Da ihr ja nicht von eurer Musik leben könnt, stellt sich die Frage, wie ihr den Kühlschrank füllt. Was macht ihr im richtigen Leben, wenn ihr nicht gerade als MY COLD EMBRACE aktiv seid?

Den: Das ist teilweise so spießig, dass man es eigentlich kaum erzählen darf. Deswegen sagen wir einfach, das Trommel-Dennis nebenberuflich Raumstationen entwickelt, Gitarrist Marco inkognito Formel-1-Rennen fährt, Basser Pato unregelmäßig als Surflehrer auf Haiti agiert, Dirk sein Geld als Haarmodel verdient und ich eigentlich die meiste Zeit faulenze und andere für mich arbeiten lasse...was übrigens auch beinahe wahr ist.

Dirk: Ich hätte gesagt, dass die meisten von uns nicht umsonst studiert haben und Diplome mit sich rumschleppen, aber sei es drum, als Model verdienst du eh am meisten Kohle.

Man hat ja so seine Vorstellungen und Visionen. Wie soll es in den kommenden Jahren mit MY COLD EMBRACE weitergehen, welche speziellen Pläne habt ihr noch und was dürfen die Fans von euch erwarten?

Den: Das ist nicht so einfach zu beantworten, da die Realität einem doch so ein ums andere Mal in den Traumeimer scheißt. Aber wenn es nach uns geht, gibt es nächstes Jahr ein mordsfettes MY COLD EMBRACE-Album, gefolgt von einem dicken, vollen Konzert- und Festivalkalender, dem Metal Gods Award für "most underrated underground band" und dem weltweitem plötzlichem Herztod aller Faschisten.

Zum Abschluss meines Interviews möchte ich mich bei euch bedanken und eine gute, alte Tradition pflegen und euch die letzten Worte überlassen. Fühlt euch frei, unseren Lesern und euren Fans einige persönliche Worte zu widmen.

Den: Danke für das Interesse an MY COLD EMBRACE und die Plattform, die ihr uns und anderen Bands bietet. All das ist essentiell und hält die Szene am Leben. Macht weiter so und bückt euch für niemanden. Und was eure Leser da draußen angeht: Szene sauber halten, unbequeme Fragen stellen, den Nachbarn lieben oder die Nachbarin, wenn sie hübsch ist.

Dirk: Auch von meiner Seite aus herzlichen Dank für die interessanten Fragen, ich hoffe sie werden reichlich gelesen und zur Kenntnis genommen. Auf ein Wort noch mit den Veranstaltern da draußen: Für Spritgeld und eine Flasche Kräuterschnaps spielen wir an jedem Zipfel der Erde und wenn eure Metal-Party noch eine Lücke im Billing hat, dann wendet euch an uns. Up the irons!

Na, wenn das mal kein Angebot ist! Euch noch viel Spaß und Erfolg mit euren weiteren Plänen und ich freue mich bereits auf das avisierte full length.

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