Die besten Album-Triples der Rock- und Metal-Geschichte: SUMMONING - Summoning

Ein Artikel von Tailgunner vom 30.12.2021 (15320 mal gelesen)

SUMMONING


Zum Geleit


Wir schreiben das Jahr 1995. Ich atme mit jeder Pore die zweite Black Metal-Welle, welche insbesondere durch skandinavische Acts losgetreten und auch so ziemlich dominiert wurde. Es konnte gar nicht räudig und rumpelig genug zugehen. Bands wie DARKTHRONE, GORGOROTH und IMMORTAL entfesselten damals eine unfassbar brachiale Energie. Ein Keyboardeinsatz hätte bei mir einen sofortigen Boykott bewirkt. Eine Abkehr von dieser Hörgewohnheit schien mir in meiner jugendlichen Arroganz weiland darüber hinaus auch vollkommen abwegig. Und dann sah ich diese Platte: Eine mystische Festungsanlage mit dräuenden Wehrmauern, flankiert von schroffem Fels. Darunter der Titel "Minas Morgul". Da ich den Herrn der Ringe bereits früh gelesen hatte und mich diese fantastische Welt, welche Tolkien seinerzeit erschaffen hat, ungemein faszinierte, wurde das Album blind bestellt, wie das eben früher oft so gewesen ist. Was dann folgte, sollte tatsächlich eine der größten musikalischen Lieben meines Lebens werden und hat meinen Fokus in Null Komma Nichts von Norwegen nach Österreich gelenkt. Denn die Herren Silenius und Protector, seit Album Nummer zwei fortan nur noch als Duo unterwegs, haben mit ihren Kompositionen dem Subgenre des Athmospheric, beziehungsweise Epic Black Metals den Weg geebnet und Standards etabliert. Dinge, die bis dahin für mich nicht denkbar gewesen sind, wurden von mir ob der unnachahmlichen Atmosphäre, welche SUMMONING erschufen, akzeptiert. Keyboards? Drumcomputer? Geschenkt! Wohl an. In diesem Special soll es also um die Vorväter und immer noch amtierenden Könige des Athmospheric Black Metal gehen.

Die Werke


"Minas Morgul" 01.10.1995
imgcenter
Es gibt gute Gründe, mit SUMMONINGs zweitem Album zu beginnen. Das Debüt "Lug Burz" verfügte zwar auch schon über einen sehr eigenständigen Charakter, aber es war tatsächlich noch unausgegoren und stilistisch auch eindeutig dem räudigen, nordischen Black Metal zuzuordnen. Zu dieser Zeit agierte die Band auch noch mit einem richtigen Schlagzeuger. Jedoch ist es "Minas Morgul", welches den späteren, oft kopierten aber nach meiner Meinung bis heute unerreichten Sound definiert hat. An diesem Album lässt sich die Entwicklung hin zum klassischen SUMMONING-Sound sehr gut nachvollziehen. So brachial und gitarrenlastig sollten SUMMONING nie wieder zu hören sein, gleichzeitig bildeten sich hier aber schon ganz offensichtlich die Markenzeichen der Österreichischen Formation heraus. Überlange Kompositionen, die mittels elektronischer Unterstützung umgesetzt wurden, und ein Händchen für epische Melodien, die düster und erhaben zugleich sind. Nach dem etwas sperrigen Intro klirrt uns 'Lugburz' entgegen und wer hier nicht vom ersten Ton an sofort mitgenommen wird, für den wird diese Band in diesem Leben dann vermutlich nicht mehr das Richtige sein. Das anschließende 'The Passing Of The Grey Company' entwickelte sich damals gar zu einem kleinen Hit. Ich kann mich an kaum eine Metal-Disco erinnern, wo beim Ertönen der elektrischen "Fanfaren" nicht alle bei drei auf der Tanzfläche waren. Diese Kombination aus klirrender Brutalität und epischer Erhabenheit erklingt auch in 'Dagor Bragollach', der Schlacht des jähen Feuers. Kenntnisse des Tolkien-Kosmos sind beim Hören von SUMMONING in jedem Fall von Vorteil, da sich Silenius und Protector bis auf ganz wenige Ausnahmen auf späteren Alben dem Schaffen des Briten verschrieben haben und so eine maximale, wunderbar düstere Epik erreichen. Zum Ende hin hat das Album tatsächlich ein paar Längen, diese können den famosen Gesamteindruck jedoch nicht trügen. "Minas Morgul" sollte von nun an das Fundament sein, auf dem in der Folge weitere wunderbare Alben erschaffen wurden.

"Dol Guldur" 19.01.1997
imgcenter
"Minas Morgul" hatte mich bereits zum beinharten SUMMONING Fan gemacht, und so war ich im Vorfeld der Veröffentlichung von Album Nummer drei gespannt wie ein Flitzebogen. Ich bin mir gar nicht mal mehr sicher, was genau ich von "Dol Guldur" eigentlich erwartet habe. Vermutlich ein weiteres Album im Stil von "Minas Morgul". Aber dem sollte nicht so sein, denn die Österreicher haben mit dem nun vorliegenden dritten Album ihren Stil weiter verfeinert, ich möchte fast sagen, schlussendlich definiert. Die harten Gitarren wichen etwas in den Hintergrund zurück und fügten sich auf Augenhöhe mit dem Keyboard in ein ausgewogenes und homogenes Klangbild ein. Die klirrend frostige Atmosphäre wich einer eher organischen, bedrohlichen, wärmeren Atmosphäre. Geblieben ist das unerhörte Gespür der Österreicher für packende Melodien. Der Auftakt von 'Nightshade Forests' nach dem schummrigen Intro 'Angbands Schmieden' lässt mir heute noch die Haare zu Berge stehen. Ich würde es gar als einen der Top-5-Momente im gesamten Schaffenswerk von SUMMONING sehen. Auch mit 'Khazad Dûm' hat man einen "Hit" für die Ewigkeit gelandet. Diese diffuse Spannung, welche sich langsam aufbaut, die dräuende Atmosphäre. Besser kann man den grausamen Minen von Moria kein musikalisches Denkmal setzen. Zugegebenermaßen musste ich mich an den veränderten Sound von SUMMONING erst einmal gewöhnen, aber "Dol Guldur" hat mir dieses Unterfangen sehr leicht gemacht. Im Zusammenhang mit "Dol Guldur" muss hier an dieser Stelle allerdings noch die EP "Nightshade Forests" erwähnt werden, welche nur etwas ein halbes Jahr später veröffentlicht wurde und mit vier herausragenden Kompositionen aufwartet, die kein SUMMONING Fan missen darf. Die EP entstammt der selben Aufnahmesession wie "Dol Guldur", weswegen ich sie hier nicht als dritten Teil vom Triple behandele, denn hier wird im Anschluss noch ein besonderes Album besprochen.

"Stronghold" 11.05.1999
imgcenter
Es gibt diese Alben in der Diskographie von Bands, die einen kreativen Höhepunkt darstellen und an den Bands dann im Anschluss allzu oft nicht mehr herankommen. Im Falle von SUMMONING stellt "Stronghold" diesen Scheitelpunkt im Schaffen der Österreicher dar. Auf diesem vierten Album erleben wir die perfekte Harmonie und Balance im Songwriting. Wir erkennen die Entwicklung, die SUMMONING mit jeder Veröffentlichung bis hierher durchgemacht haben. Die Formel SUMMONING ist auf "Stronghold" im Grunde genommen perfektioniert, denn auf den kommenden Werken sollten sich die Österreicher zu sehr in atmosphärischen Elementen verlieren - auf Kosten der Härte. Mit den letzten beiden Veröffentlichungen zeigte die Formkurve jedoch erfreulicherweise wieder stark nach oben, aber hier soll es ja nun um "Stronghold" gehen. Tatsächlich sehe ich in "Stronghold" ein nahezu makelloses Album ohne Längen und Ausfälle. Die Stücke sind so ergreifend wie abwechslungsreich und selbst der weibliche Gesang in 'Where Hope And Daylight Die' ist einfach nur passend wie die Faust aufs Auge und es spricht wiederum für SUMMONING, dass es dabei geblieben ist und man dieses Element nicht überstrapaziert hat. Ich persönlich habe darüber hinaus auch nie verstanden, warum grundsätzlich niemals die Lyrics in den Booklets abgedruckt sind, denn die Texte von SUMMONING sind alles andere als platt, nachzuhören etwa in dem tollen Opener 'Long Lost To Where No Pathway Goes' oder 'The Loud Music Of The Sky'. Jedenfalls gestaltet dieser Facettenreichtum das Album ausgesprochen abwechslungsreich und kurzweilig. Egal ob wir das garstige und fies schleppende 'The Rotting Horse On The Deadly Ground' vernehmen, oder 'The Shadow Lies Frozen On The Hills', welches zwischenzeitlich in purer Raserei ausartet und an SUMMONINGs Anfänge erinnert. Schlussendlich wird "Stronghold" noch mit dem nach meiner Meinung stimmungsvollsten Cover der gesamten Diskographie veredelt. Da bleiben am Ende wirklich keine Wünsche mehr offen.

Abschließende Gedanken


Ich möchte nicht behaupten, dass SUMMONING die ersten gewesen sind, die diese Art von Ambient- oder Athmospheric Black Metal geschaffen haben, aber sie haben dem Genre erstens mit Sicherheit Tür und Tor geöffnet, und zweitens haben sie sich zum unangefochtenen Herrscher über eben jenes emporgeschwungen. Tatsächlich existiert für meine Ohren keine zweite Band, die so klingt. Auch die zahlreichen Bands, die sich in Folge diesem speziellen SUMMONINGschen Stil verschrieben haben, kommen nicht im Ansatz an das Original heran, wenngleich es in dem Bereich durchaus richtig gute Truppen oder Projekte gibt. Insbesondere CALADAN BROOD konnten 2013 mit "Echoes Of Battle" einen eindeutigen Achtungserfolg erzielen. Beteiligt daran war ein gewisser Jake Rogers, von dem wir später noch hören sollten. Leider blieb es bei dieser einen Scheibe. Darüber hinaus existieren eine ganze Reihe an "Substituten", die die Formel SUMMONING mehr oder weniger gut kopiert haben, wie etwa EMYN MUIL oder FIRIENHOLT. Am Ende führt aber kein Weg daran vorbei, dass, wenn man SUMMONING hören möchte, man auch SUMMONING hören muss, und es zu hoffen bleibt, dass ein neues Album nicht in allzu weiter Ferne liegt. Denn insbesondere die beiden Letzten Scheiben, "With Doom We Come" und "Old Mornings Dawn", wussten wieder richtig zu gefallen und es ist schon erstaunlich, dass auch nach all den vielen Jahren niemand SUMMONING den Herrschersitz in Mordor, dem Land, in dem die Schatten drohen, streitig machen kann.

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten