Mir Zur Feier - Nachtwächter | |
---|---|
Review von Zephir vom 01.06.2024 (11091 mal gelesen) | |
Wenn eine Death/Core-Formation Rilke vertont, dann wird der Kreis derer Rezensent:innen, die begeistert "hier!" schreien, vermutlich eher etwas schrumpfen. Weil es aber mein Ding zu sein scheint und ich mich zudem an das recht verhalten ausgefallene Review meines Kollegen Wulfgar erinnere, der das Debüt von MIR ZUR FEIER 2019 zu Ohren bekam und sich dafür nicht erwärmen konnte, habe ich nun mit großer Neugier den Zweitling "Nachtwächter" übernommen, um diesen einer Anhörung aus anderer Perspektive zu unterziehen. Vorab ein paar Verse zur Band: MIR ZUR FEIER gründeten sich bereits 2011, also nur zwei Jahre nachdem EDEN WEINT IM GRAB sich mit "Der Herbst Des Einsamen" der Lyrik Georg Trakls (1887-1914) widmeten. Musikalisch lassen beide Gruppen keinerlei Vergleiche zu, aber die Schwerverständlichkeit der deutschsprachigen Lyrik am Tor zur Moderne des 20. Jahrhunderts dürfte Überschneidungen in den Zielgruppen nach sich ziehen: MIR ZUR FEIER widmen sich voll und ganz, vom Bandnamen bis zu den Songtexten, dem Werk Rainer Maria Rilkes (1875-1926). Ihr Debüt veröffentlichten sie spät, und zwar erst, nachdem sie 2018 den FemME-Battle, den europaweit größten Contest für Female Fronted Metal, gewonnen hatten. An der Front singt Mara Bach, Daniel Vorkamp spielt Gitarre und René Meistrell sitzt hinter den Drums. Bassist Leo Brömser ist 2023 ausgestiegen, weshalb die Bielefelder derzeit nur zu dritt sind. "Nachtwächter" wurde aber noch von allen vieren gemeinsam eingespielt. Wer MIR ZUR FEIER schon kennt, weiß in etwa, was kommt: Wuchtiger, sperriger Death Core, der so gar keine Lust auf Gefälligkeit hat. Weder setzt die Band in Sachen Songwriting auf eingängige Grooves - die sie können, aber offensichtlich lahm finden - noch begnügt sich die stimmgewaltige Frontfrau mit "schönem" Gesang - den sie kann, aber nicht immer will. Begleitet von brachialen, tiefgestimmten Death-Riffs singt Mara mal mit dunkelheller, klarer und vermutlich ausgebildeter Stimme, mal growlt und keift sie, was das Zeug hält. Unter all dem liegt das instabile Fundament rafiinierter Drum-Arbeit mit ständigen Rhythmusbreaks. Zum Nebenher-Hören ist "Nachtwächter" natürlich nichts. Die ruhelose Hyperaktivität der Songs, die ständigen Wechsel aus Instrumentierungsfülle und spannungsgeladener Leere, das Potpourri des stimmlichen Variantenreichtums der Sängerin, die schwer eingängigen, gerne mal verminderten Harmoniegefüge und die meist gut verständlichen und daher umso kryptischer wirkenden Lyrics sind fordernd bis anstrengend - und sie sind anti-mainstream und irgendwie sophisticated. Im Übrigen gehe ich ganz stark davon aus, dass die Musik von MIR ZUR FEIER ein echter Live-Kracher ist. Insofern kann ich sie nur denjenigen Nischenfans empfehlen, die sich wirklich auf die Materie einlassen können. Diese dürften "Nachtwächter" dann aber auch mindestens faszinierend finden. Gesamtwertung: 7.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Prolog 02. Ein Jeder Engel 03. Der Wahnsinn 04. Gethsemane 05. Jede Nacht 06. Nachtwächter 07. Metall & Glas 08. Einsamkeit 09. Der Ritter 10. Epilog | Band Website: Medium: CD Spieldauer: 36:06 Minuten VÖ: 10.05.2024 |
Alle Artikel