Interview mit Markus, Stefan und Tilly von Bowmen

Ein Interview von Rockmaster vom 17.05.2020 (30819 mal gelesen)
Ich treffe Markus, Stefan und Tilly von den BOWMEN, und: Was soll ich sagen? Irgendwie passt es nach Videodreh zum aktuellen Album "Play Some Rawk" kurzfristig zusammen. Wir sitzen mit einem Bierchen bei untergehender Sonne im Freien, die Jungs sind extrem gut gelaunt und mega im Erzählmodus.

Ich muss mich schon jetzt entschuldigen, für vermutlich dutzende lustige Episoden, die es einfach aus Platzgründen nicht in die Textform hier schaffen können. Vielleicht lassen sich einzelne davon im Review zum aktuellen Album, "Play Some Rawk" verarbeiten, oder vielleicht werden die BOWMEN mal so berühmt, dass sie meine Vergesslichkeit finanziell fördern könnten. Ich heb die Aufnahme vom Interview mal vorsichtshalber auf. Heute jedoch haben wir vor allem einen lustigen Abend. Autos auf der Straße nebenan fahren prinzipiell nur, wenn Stefan spricht ("Ich schwöre, sonst fährt hier nie ein Auto. Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Aber auch die kommen heute mit dem Auto"), ansonsten das perfekte Ambiente.

Ihr habt gerade ein Video aufgenommen. Welcher Titel war das?

Stefan: Wir haben einen Live Stream aufgenommen.

Markus: Das waren eigentlich alle, wir haben die ganze Scheibe eingespielt. Das wird ein Video zu unserem Release, das ist am 15.5. Ob das Video am 15. online gestellt wird, wissen wir noch nicht genau. Der Dreh war schon geil, vor allem, dass ich vergessen habe "Record" zu drücken, DAS war MEGA geil.

Man bezeichnet euch als die älteste Boyband Deutschlands. Wer hat euch den Titel zugedacht?

Markus: Das war ein Produzent, eigentlich ein berühmter, der aber mit Rock nichts zu tun hat, Harald Reitinger.

Tilly: Uli Fischer hat mit ihm zusammen diese Bayern-Hymne geschrieben, die immer beim Einlaufen des FC Bayern läuft, das war ihr größter Erfolg. "Mia san mia", oder wie die heißt.

Markus: Nein, "Always Number One". (korrekt recherchiert: "Forever Number One") Wir waren damals mit unserem Debüt-Album "Mission" in seine Sendung "Welt der Wunder TV" gekommen, und er hat dort diesen Titel geprägt.

Ihr seid nun auch wirklich keine zwanzig mehr und habt schon einiges an musikalischer Erfahrung hinter euch. Die BOWMEN gibt es aber erst seit 2015. Wie lange kennt ihr euch persönlich, und was war der Anlass, dass ihr gesagt habt: "Wir gründen jetzt 'ne Band"?

Stefan: Wir kennen uns nicht viel länger. Also, Markus und Tilly schon. Wir hatten im Studio für andere Musik gemacht und uns dort kennengelernt. Markus und Tilly hatten schon mal woanders zusammen gespielt.

Tilly: CRANE hieß die Band, da war der Sänger von RAILWAY dabei, eine Münchner Hard Rock-Band. Der Markus kam dazu, als ein Gitarrist ausgestiegen ist, und ich bin total dankbar, dass ich den Kerl da kennengelernt habe. Das harmoniert ganz toll, auch wenn wir uns manchmal anzicken. Stefan Pfaffinger habe ich dann durch meinen Schwager kennengelernt, und wir haben sehr schnell gemerkt, dass das super funktioniert.

Stefan: Ich hab den Tilly mal vor dreißig, vierzig Jahren in einem Irish Pub spielen sehen, und dachte, was für ein geiler Schlagzeuger. Mit dem möchte ich gerne mal zusammen spielen.

Tilly: Der Stefan ist immer total geradeaus, und er ist ja ein bisschen älter als wir, er ist unser großer Bruder.

Ihr habt auch alle schon in mehr oder weniger bekannten Bands gespielt. Darunter ZAUBERBERG, SARAGOSSA BAND und CAPT'N HAMMER. Von Kult bis kommerziell alles dabei, nur so richtig harte Rock-Projekte sind schwer zu finden. War euer jetziger Stil schon immer eure geheime Leidenschaft?

Markus: Ja, auf jeden Fall. Rock war schon immer da. Wenn du deine Laufbahn als Musiker anfängst, dann überlegst du auch, du musst ja auch irgendwie Geld verdienen. Deswegen hat auch jeder von uns schon mal versucht, in einer "Geld"-Band sein Auskommen zu haben. Ich bin aber auch eitel genug zu sagen, das war cool, du hast damals in Stadien gespielt, Fernsehshows. Das war echt fett, wir wurden mit der Limo abgeholt und so. Aber vom Herzen her war das nie meins. Nicht im Ansatz.

Stefan: Also für mich wars schon geil. Ich hab einen wahnsinnig breit gefächerten Musikgeschmack und habe auch schon Rock gemacht, nur leider waren die Bands nie erfolgreich. Ich habe auch neben ZAUBERBERG auch immer ein bis zwei andere Bands gehabt, aber damit Geld zu verdienen ist wirklich schwer. Mit dreizehn habe ich mir meine erste Single gekauft, das war "Whole Lotta Love" von LED ZEPPELIN. Da war's um mich geschehen.

Tilly: Bei mir ging's los mit PUHDYS. Ich habe mit dreizehn angefangen Schlagzeug zu spielen, und mein Vater - der war Berufsmusiker - sagte einfach: "Wenn du von mir ein Instrument bezahlt kriegst, musst du auch Unterricht nehmen." Aber vor dem Unterricht habe ich zu dem Rock 'n' Roll-Album der PUHDYS angefangen, Schlagzeug zu spielen. Ich hab mich vor den Sessel und das Sofa gesetzt, das war dann mein Schlagzeug, und ich hab die quasi staubfrei getrommelt. Und 2014 war ich mal in einer Fernsehshow und habe tatsächlich backstage die PUHDYS kennengelernt. Ich hab dann bei CAPT'N HAMMER gespielt, genauer, CAPT'N HAMMER UND DIE RAKETEN, die haben so Heavy Punk T(h)rash Power Foxtrott gespielt. Wir nannten das immer einen Strauß bunter Melodien. Live war das immer geil und lustig. Aber nach drei Alben war halt auch so der richtige Knaller noch nicht dabei, und dann haben wir das sein lassen. Und dann kamen halt die BOWMEN. Was wir machen, ist musikalisch das Ausgereifteste, was ich je gemacht hab.

Jetzt am 15. erscheint euer neues Album, "Play Some Rawk". Was war für euch an den Arbeiten zum Album besonders?

Stefan: Das Album ist nicht im Studio eingespielt worden, sondern größtenteils live. Wenn man das fertige Album mit unserem ersten vergleicht, auf dem waren schon viele verschiedene Richtungen drauf. Da hat jeder so sein Ding eingebracht. Das Interessante am neuen Album ist, wir haben uns bei jeder Nummer in die gleiche Richtung bewegt, irgendwann hat sich herauskristallisiert, wo wir hin wollen. Und so klingt das jetzt. Das ist das geile.

Markus: Wir haben uns auch jetzt musikalisch gefunden. Vorher war das auch mal ein bisschen Rumprobieren.

Tilly: Wir hatten festgestellt, das funktioniert einfach gut. Wir funktionieren zusammen. Und dann wollten wir natürlich auch live auf die Bühne und testen, was geht. Da war Funk dabei und alles Mögliche, das war das Interessante an "Mission". Jetzt sind wir soundtechnisch weiter, das ist alles kompakter. Klar sind auch alle Stile noch vertreten.

Stefan: Ich kann nichts damit anfangen, wenn man in der Musik immer nur das gleiche, eingefahrene Zeug macht. Ich glaube, so hätte es nie einen der großen Klassiker gegeben, von Tschaikowsky bis ...

Tschaikowsky? Der war doch bei der einen Death Metal-Band, oder?

alle: (lachen)

Die Veröffentlichung eures Albums fällt jetzt mitten in die Corona-Krise. Was bedeutet das für euch? Home-Office geht nicht, touren geht nicht, promoten dürfte verdammt schwer werden, oder?

Markus: Das ist tatsächlich schwer. Die Online-Versandhändler sind mehr ausgelastet als vorher, können aber wegen der Auflagen weniger Leute in den Lagern beschäftigen. Wenn wir dann unser Album dahin schicken, dann wird da erst mal nicht viel passieren. Wir mussten unsere Tour absagen und haben das Release verschoben. Schließlich haben wir aber dennoch beschlossen, wir bringen es jetzt raus. Bis in den Juni brauchen wir auch nicht mehr warten. Wenn sich heute die Lage normalisiert, und du ein Album im Juni oder Juli rausbringst, dann ist Herbst, bis du auf Tour gehen kannst - falls du überhaupt noch Locations kriegst, denn dann wollen alle zur gleichen Zeit. Jetzt wollen wir versuchen, das Album so gut zu promoten, wie möglich. Sobald wir wieder spielen, wissen wir mehr.

Stefan: Wir hatten eine wunderschöne Tour, auf die wir uns sehr gefreut haben, mit KAISER FRANZ JOSEPH, die wir sehr mögen. Aber die muss leider ausfallen.

Markus: Da waren auch geile Shows dabei, London, Paris, ein paar in Deutschland.

Tilly: Ich find's trotzdem geil, dass jetzt am 15. das Release ist, und dass wir hier mit dir sitzen und schwätzen können.

Ihr habt dann auch die "Corona Stay Home"-Session von "Play Some Rawk" eingespielt, die das Feeling des Albums gut einfängt.

Markus: Danke! Aber das ist alles schön, was wir machen, aber das ersetzt alles nicht das, was wir eigentlich machen wollen. Wir wollen live spielen.

Und in der Zwischenzeit verkauft ihr BOWMEN-Mund-Nasen-Masken in eurem Merch-Shop?

Tilly: Das haben wir tatsächlich überlegt, aber die gibt es nicht (alle lachen).

"Play Some RAWK", drückt das Wortspiel eure Art aus, wie ihr Rock interpretiert? Durchaus roh und heavy, aber nicht zwangsweise Vollstoff-Tempo?

Markus: Die Energie muss auf jeden Fall da sein. Es sollte echt sein. Live, und man sollte immer das Gefühl haben, das ist jetzt nichts Durchproduziertes. Wir halten es da auch ein bisschen wie Beethoven: Es ist unwichtig, ob du einen falschen Ton spielst, aber es ist unverzeihlich, wenn du ohne Leidenschaft spielst.

Ihr macht aber durchaus auch sehr Experimentelles, wie den Titel 'Make Racism Wrong Again'. Tolle Vibes im Background-Gesang - und ihr rappt.

Tilly: Ja, haha. Das ist so geil.

Markus: Dieser letzte Chorus, wo Stefan den eigentlichen Chorus singt, Tilly diese Melodie dazu, und wo ich das Rappen anfange, das ist dieser Zerrissenheit und der Vielschichtigkeit des Themas geschuldet. Wir haben das so gelöst, dass wir einen Refrain aus drei verschiedenen Stimmen gemacht haben. Jede ist für sich cool, aber zusammen ist das klasse.

Stefan: Dieser gerappte Chorus passt super zu unser Aussage, die wir Rassisten gegenüber rausschreien wollen.

Tilly: Als wir angefangen haben, den Song zu spielen, war der hart und sperrig. Inzwischen finde ich, die fühlt sich unglaublich geil an. Die ist so kompakt, und das baut sich so schön auf. Mir gefällt das gut.

Markus: Den Song sprechen wirklich viele an.

Stefan: Das lässt für die Menschheit hoffen, dass der Song derart Beachtung findet.

Welche Themen treiben euch sonst noch um?

Markus: Das Klischeehafte, Themen aus dem Leben. Wir greifen aber auch gerne Umweltthemen auf, eben Rassismus und Sozialkritisches. Aber manchmal auch ganz Banales.

Tilly: Wir sind ja keine siebzehn und achtzehn mehr. In unserem Alter hat man schon andere Themen.

Euer Erstling "Mission" (beziehungsweise, vollständig: "Mission 27° 59' 17'' N 86° 55' 31'' E") beinhaltet noch die Längen- und Breitenangaben des Mount Everest. Wie kam's dazu, und wie weit seid ihr als Band tatsächlich schon rumgekommen?

Markus: Das hast du rausgefunden? Respekt. Danach hat uns noch keiner gefragt. Wir hatten damals überlegt, wie soll man das Album nennen. Keiner der Titel war so, dass man gesagt hätte, das ist es. Davon wollte wir keinen nehmen. Der Everest ist ja der höchste Berg der Welt, und diese Scheibe zu produzieren, das war für uns so schwer wie der Weg da hoch. Das war echt lang, aber wenn man dann oben ist, dann ist das unbeschreiblich.

Stefan: Wir haben bei dem Album wirklich alles selber gemacht. Wir haben das selber produziert, selber gepresst. Es war keiner da, der uns unterstützt hätte, kein Label, kein Promoter.

Markus: Na ja, so fängt jeder an.

Stefan: Aber das war der Grund, warum wir den Titel gewählt haben.

Tilly: Es gibt auch ein Video davon, das wir mit einem befreundeten Kameramann gemacht haben, und das gibt das treffend wieder. Auch, wie wir halt einfach so sind. Das war auch kein Interview wie jetzt mit dir, wir haben von selber immer so herausgelassen, was uns bewegt. Das lief dann auch in München im "Loft" auf unserer Release-Party.

Gibt's in eurer Bandgeschichte ein herausragendes Live-Erlebnis?

Markus: Ja, klar. Das Erste war in der "Garage Deluxe" (in München), da waren tatsächlich fünf Leute da. Das Wernigeroder Schloss, die "Schlossrock-Nacht" (im Harz) war genial.

Tilly: Das ist so ein altes Jagdschloss, da hatte uns eine befreundete Band eingeladen.

Markus: "Rock the King" war dasselbe in Grün, nur im Allgäu.

Tilly: Wir haben da ziemlich abgefeiert. Das hat so Spaß gemacht, mit den Jungs Party zu machen. Wir hatten echt alle einen Ballerkopf, aber auf der Bühne haben wir abgeliefert. Das ist wie ein Schalter, BAM!

Markus: Was auch schön war, war das Kaminwerk im Allgäu, da haben wir als Support für BONFIRE gespielt. Das Kaminwerk hat einen Hammer-Sound. Das ist so nusstrocken, diese Halle klingt unglaublich.

Stefan: Die haben auch 'ne geile Crew.

Wo seht ihr euch in fünf Jahren? Der Backstage Club ist euch dann vermutlich schon zu klein. Vielleicht das Lollapalooza? Oder habt ihr ganz andere Ziele?

Markus: Wir wollen eigentlich immer einen Schritt weitergehen. Wo es uns in fünf Jahren hinverschlägt, weiß niemand. Aber das darf gerne so weit gehen, wie's geht.

Tilly: Es dürfen gerne so viele Menschen wie möglich kommen.

Markus: Uns ist natürlich ob unseres Alters klar, dass wir vielleicht keine Nummer-1-Hits und die ganz großen Dinger nicht mehr erleben werden, aber, wie gesagt, das darf gerne so weit gehen, wie's geht.

Stefan: Wobei so richtig geile Club-Gigs auch sehr viel Laune machen.

Tilly: Backstage Club ist schon eine tolle Location.

Stefan: Ja, der Club ist auch geil. Die haben einen tollen Sound. Wir hätten da mit KAISER FRANZ JOSEPH gespielt.

Markus: Wir haben auch den 14.9. schon im Club quasi die Wiederholungs-Show reserviert, da spielen wir auch mit KAISER FRANZ JOSEPH. Schaun wir mal, ob das stattfindet. Wichtig ist, dass man immer Spaß hat. Ob man vor zehn Leuten spielt oder vor hundert Leuten oder mehr.

Was wünscht ihr euch bis dahin von euren Fans?

Markus: Dass sie dranbleiben. (Tilly verschwindet mal kurz)

Stefan: Wir müssen auch immer Pause auf der Bühne machen, wenn Tilly muss.

Markus: Wir wünschen uns, dass unsere Fans auch immer diesen Spaß haben, den wir haben, wenn wir unsere Musik auf die Bühne bringen.

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Ich danke den BOWMEN für das tolle Interview und die vielen Anekdoten und freue mich schon mal auf den 14.9.

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