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Unterwegs im Spendendschungel |
Ein Artikel von Kex vom 23.06.2013 (13912 mal gelesen) |
Mit der Festivalsaison bietet sich für unsereins oft eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich an Hilfs- und Spendenprojekten zu beteiligen. Daneben haben wir rund ums Jahr die Gelegenheit, beim Downloaden einzelner Songs oder beim Ersteigern besonderer Fan-Artikel Gutes zu tun. Der eine möchte prinzipiell gerne spenden, braucht die Rücklagen aus dem Dosenpfand aber eigentlich selbst. Der andere ist zu misstrauisch und gibt erst nach stundenlanger Recherche etwas Geld zu einem Spendenprojekt. Aber ist Geld wirklich so sinnvoll? Zerstören gespendete Güter nicht die Wirtschaft der Empfängerregionen? Da es für alles ein Für und Wider gibt, möchte ich verschiedene, mir in den letzten Jahren begegnete Spendenprojekte etwas näher beleuchten.
Festivals
Sowohl das Summer Breeze Open Air, das Bang Your Head wie auch das weniger metallische Hurricane bieten dem spendenwilligen Musikfreund einfache Möglichkeiten, sein Geld loszuwerden. So kann man mit dem Kauf eines Tickets des Bang Your Head mit einem bewussten Klick mit der 2 Euro "teureren" Variante die Tafeln in Balingen unterstützen. Für das beim gleichen Veranstalter angesiedelte Rock of Ages gibt es diese Option auch, das Geld geht dann an die Rottenburger Tafeln. Diese Option gibt es seit 2011. Im Schwarzwaldboten vom 20.07.2011 kann man nachlesen, dass so 4000 Euro im ersten Anlauf für die BalingerTafeln gesammelt werden konnten. In Rottenburg wurden stolze 2000 Euro gespendet. Für das Jahr 2012 konnte ich leider keine Zahlen finden.
Prinzipiell ist nichts gegen die Unterstützung einer Organisation einzuwenden, die mit Hilfe ehrenamtlicher Mitarbeiter Menschen mit entsprechendem Bedürfnis-Nachweis Nahrung zukommen lässt. Kritiker bemängeln, dass auf diese Art und Weise der Staat aus der Verantwortung genommen wird. Schließlich bringe er durch seine Leistungsbemessung den Einzelnen erst dazu, solche Hilfsangebote wahrnehmen zu müssen. Auflösen kann man dieses Dilemma nicht. Die Existenz der Tafeln macht allerdings deutlich: Der Bedarf ist da und aus meinem Arbeitsalltag kann ich vermelden, dass auch eine nicht geringe Zahl verantwortlicher, nichtrauchender Eltern dieses Angebot wahrnehmen muss. Wer die Idee gut findet, sein Festivalticket aber günstiger haben möchte, kann im Übrigen bei der Leergutrückgabe mal die Augen offen halten, ob sich nicht ein Spendenknopf für die Tafeln am Automaten findet. LIDL hat diese mittlerweile flächendeckend installiert. Auf der Homepage der Tafeln Deutschland ist zu lesen, dass seit 2008 über 500 Millionen Euro zusammengekommen sind. Ähnlich wie im Fall des Bang Your Head sind aber keine Zahlen für das laufende Jahr zu finden. Genauso unklar ist, ob ein Anteil für Verwaltungsgebühren an Lidl draufgeht. Beim Bang Your Head wie auch beim Rock Of Ages geht das Geld direkt an die Tafeln.
Pfand in Geld umwandeln kann man aber auch vor Ort: Auf dem Summer Breeze Open Air sammeln ehrenamtliche Helfer seit einigen Jahren Pfand für die Aktion Govinda. Hier wird ein Dorf in Nepal durch Finanzhilfen unterstützt. Im Jahr 2011 konnten 21.000 Euro, im Jahr 2012 sogar 27.000 Euro an Pfand ersammelt werden. Die Veranstalter des Summer Breeze Open Air gaben in beiden Jahren noch etwas aus den Festivalgewinnen hinzu. Unter diesem Link könnt ihr nachlesen, wofür das Geld genutzt wird. Im Forum wurde über die letzten Jahre viel diskutiert, ob man nicht lieber Anwohnern die Möglichkeit geben sollte, ihr Einkommen durch Pfand aufzubessern. Die Mehrzahl der Community sprach sich für Govinda aus. Die Projekte, die nicht ausschließlich Waisenkinder in Nepal unterstützen, zielen vor allem auf eine nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation vor Ort. Neben Bildungseinrichtungen werden Bauern durch Mikrokredite unterstützt. Hilfe zur Selbsthilfe ist das Motto.
Etwas anders läuft es da auf dem Hurricane oder dem Mera Luna ab. Hier werden vor allem Becher auf dem Festivalgelände für die Aktion Viva Con Agua gesammelt. Festivalbesucher müssen hier nicht, wie oft befürchtet, ihr Pfand vor übereifrigen Sammlern verstecken, sondern entscheiden selbst, was sie investieren wollen. Auf der Homepage kann man sehen, wie viel Becher-Pfand bereits gespendet wurde. Derzeit (stand 21.06.2013) liegt die Leiste bei 8970 Bechern und es werden noch einige Festivals folgen. Viva Con Agua unterstützt Projekte der Welthungerhilfe. Diese ist mit dem Deutschen Spendensiegel zertifiziert. Ziel ist es, Menschen in Entwicklungsländern Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen. Dass dies nach wie vor auch bei uns ein aktuelles Thema ist, zeigte sich kürzlich in einer Entscheidung der EU-Komission, Trinkwasser nicht zu privatisieren. In Teilen Afrikas gibt es die Situation, dass Arbeiter, die für einen Konzern Trinkwasser abfüllen, an ihrem Wohnort keinen Zugang zu sauberem Wasser haben. (Mehr dazu kann man in einem Beitrag der Sendung Weltspiegel erfahren). Auf der Website selbst ist ersichtlich, dass 91% der Spenden direkt an diese Projekte gehen, 6% fließen in die Verwaltungs- und Infrastruktur und 3% in Aufklärungsarbeit an KITAS und Schulen.
Musik
Wer kein Festival besucht, aber sich weltweit engagieren möchte, kann dies über Spendensongs machen. Im Dezember 2012 brachte die Organisation Aktion Deutschland Hilft e.V. den Song 'A New Day' unter die Leute. Wer den Song herunterlädt, sorgt dafür, dass Einnahmen inklusive der anfallenden GEMA Gebühren (Information laut Homepage) an Projekte zur Katastrophenhilfe weltweit fließen. Da die letzte News aus dem April dieses Jahres entstammt, finden sich keine Infos darüber, wie viel der Song bisher an spenden eingespielt hat. Aktuell sammelt die Aktion Deutschland Hilft auch für das Hochwasser in Deutschland. Der Verein ist mit durch das deutsche Spendensiegel zertifiert.
Ein noch recht junges Projekt wird derzeit von Gordeon Records mitbeworben. Das United Nations Environment Programme (UNEP) sucht Unterstützer für eine Initiative derGlobal Alliance for Clean Cookstoves. Auf der Homepage heißt es, dass ca. alle 16 Sekunden jemand durch Rauch einer traditionellen Kochstelle zu Tode kommt. Ziel ist es, ca. 100 Millionen Haushalte aufzufordern, saubere und effiziente Kochstellen zu installieren. Derzeit gilt es vor allem Gelder für die Umsetzung des Projektes zusammeln. Später wird es darum gehen, den mitwirkenden Familien keine zusätzlichen Kosten entstehen zu lassen, falls sie sich für eine saubere Kochstelle entscheiden. Wer dies unterstützen möchte, kann dies z.B. über den Download des Songs 'A Better Life' machen. Die Organisatoren machen darauf Aufmerksam, dass die GEMA-Gebühren bei der GEMA verbleiben, es ist aber anzunehmen, dass der an den Künstler zurückfließende Teil gespendet wird. Unklar bleibt leider auch, inwiefern kulturelle Begebenheiten berücksichtigt werden. An der Formulierung "fordert 100 Millionen Haushalte auf" ist zumindest zu erkennen, dass Familien sich dem Programm freiwillig anschließen können.
Worauf man achten sollte
Neben diesen Möglichkeiten gibt es noch eine Vielzahl weiterer Aktionen, bei denen In- und Ausländische Projekte unterstützt werden. Mit jedem Wacken Open Air Ticket wird seit Jahren die Lebenshilfe unterstützt, da die "Full Metal Bags" in deren Werkstätten gepackt werden. Da es bei unzähligen Projekten auch viele schwarze Schafe gibt, hier ein paar Tipps, worauf man achten kann:
1. Ist die Organisation durch das Deutsche Spendensiegel (DZI) oder ein ähnlich seriöses Siegel zertifiziert?
Das Kinderhilfswerk UNICEF verlor 2008 beispielsweise während eines Finanzskandals für 2 Jahre das Spendensiegel. Angeprangert wurde, dass unter anderem der Vorstand einen unangemessenen Anteil der Spenden in die eigene Tasche wirtschaftete. Auf der Homepage des DZI findet ihr auch Infos darüber, vor welchen Projekten gewarnt wurde.
2. Transparenz:
Wie oben geschrieben listet die Organisation "Viva Con Agua" genau auf, welcher Anteil ihrer Arbeit für Bildungsarbeit im deutschen Inland und für Organisation aufgewendet wird. Ebenso ist bei den Songs 'A New Day' und 'A Better Life' ersichtlich, wo GEMA Gebühren anfallen und wo sie gespendet werden. Hier kann jeder selbst entscheiden, in welche Nebenkosten er investieren möchte.
3. Informationen auf den Websites:
Wichtig ist, dass man klar erkennen kann, wo die Gelder hinfließen, welche Erfolge bereits erzielt wurden und, ob kulturelle Begebenheiten berücksichtigt wurden oder nicht. Nur wenn diese Infos da sind, kann man als Spender auswählen, ob eine reine Finanzspende im eigenen Interesse ist oder ob es eher ein Projekt sein sollte, bei denen in Armut lebende Menschen durch Güter für den Aufbau eines Geschäftes unterstützt werden sollten. Ob finanzielle Hilfe oder Güter mehr helfen, hat 3Sat in einer Doku recht gut beleuchtet. Diese findet ihr unter diesem Link (Stand Juni 2013).
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