Livebericht Carcass (mit Obituary und Napalm Death) |
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Ein Livebericht von Opa Steve aus Köln (Live Music Hall) - 02.11.2015 (32415 mal gelesen) |
Wer dieses Line-up zusammengestellt hat, dem gehört auf jeden Fall noch der Hintern geküsst. Vier große Namen aus dem oldschool Extreme Metal, die sich hier auf der Bühne die Klinke gegenseitig in die Hand drücken. Großbritannien, Kanada und die Vereinigten Staaten bilden die Basis dieses lauten Abends und mischen progressiven Space Metal, Florida-Death, Grindcore und europäischen Death Metal. Als wir nach einem dicken Stau und unvorhersehbaren Akkreditierungsproblemen vor Ort endlich die Halle betreten können sind VOIVOD bereits auf der Bühne. Was mich als alten Voivoden besonders ärgert, da mich diese Band seit 1985 ständig ganz oben auf meiner Evergreen-Liste begleitet und begeistert. Ein beständiges Kapitel in der Geschichte der vielseitigen Kanadier ist ja das Auf und Ab in Erfolg und Line-up. Nachdem die Jungs in Daniel Mongrain an der Gitarre schon das Unmögliche geschafft haben und einen Ersatz für den verstorbenen Piggy fanden, hat vor einiger Zeit Ur-Bassist Blacky die Band zum zweiten Mal verlassen. Wie mir Daniel beim Plausch in einer der Umbaupausen noch verraten wird, gab es wohl einige Unstimmigkeiten zwischen ihm und dem Rest der Band, weswegen eine gemeinsame Zukunft nicht mehr möglich war. Neu am Start ist Rocky, der ein alter Kumpel von Daniel ist und ebenso als Session-Musiker schon vielfältige Erfahrung sammeln konnte. Auf der Deathcrusher-Tour verlassen sich VOIVOD auf einen Querschnitt ihres 30-jährigen Schaffens. Alle Songs sind aus der ersten Phase bis zur umstrittenen "Angel Rat"-Scheibe, von welcher der Titel 'The Prow' von Snake mit einem lässigen "Do you wanna dance?" eingeleitet wird und fast den beschwingtesten Song des ganzen Abend darstellt. Der Rest ist ordentliche Prügelei, die sich in das restliche Line-up gut einfügt - schließlich zählten VOIVOD vor dem Album "Nothingface" zu den extremsten Bands dieses Sektors. So gefällt der Krach von "Rrröööaaarrr" und "War And Pain" (natürlich der Opener 'Voivod', der hier als Rausschmeißer fungiert) auch den Maniacs in der Crowd, die immer wieder "Voivod!"-Chöre anstimmen und die Kultband hochleben lassen. Doch bevor VOIVOD diesen Gassenhauer zum Besten geben, präsentieren sie noch einen neuen Titel namens 'Forever Mountain', der bis heute nur auf einer Split-Single zusammen mit einem NAPALM DEATH Song erhältlich ist. Was verwundert, denn dieser Titel ist extrem verspielt, beinahe jazzig, und bietet sehr verschwurbelte Gesangsmelodien, die Snake live mit etwas Intonationsproblemen wiedergibt. Ein neues Album ist laut Daniel allerdings in der Mache, und so darf man gespannt sein, wohin der VOIVOD-Treck in Zukunft fahren wird. Ein viel zu kurzer Gig, der aufgrund des schlechten Sounds leider nicht unter die Highlights dieser Band fällt. Da lobe ich mir doch die Headliner Clubtour, die sie vor wenigen Jahren ins nebenan gelegene Underground führte und von der ersten bis zur letzten Sekunde Gänsehaut pur war. Ach ja, im Pausenplausch mit Daniel kann ich anschließend auch endlich mal das Geheimnis seines omnipräsenten "Hopfenstark"-Shirts lüften. "Hopfenstark" ist der Name einer winzigen Craft-Brauerei in der Nähe von Montreal. Dass er auf offiziellen Fotos wirklich IMMER dieses Shirt trägt, ist auch schon wieder Kult. Die Deathcrusher-Tour agiert mit wechselnden Line-up-Reihenfolgen. In Köln sind nach einer kurzen Stärkung am Live-Music-Hall-Imbiss nun NAPALM DEATH auf den Brettern. Der schlechte Sound bleibt leider bestehen und man kann froh sein, dass die Drums noch so dominant sind. So hat man wenigstens eine grobe Orientierung bei dem akustischen Schlachtfest, welches NAPALM DEATH über das nächste Dutzend Songs entfachen. Barney lässt sich zwischen den Songs wie gewohnt viel Zeit für seine Ansagen, in denen er die neue Weltordnung anprangert, gegen Kapitalismus, Religion und Konsum wettert und überhaupt die ganze Welt verbessern möchte. Man merkt, dass ihm seine Message genauso wichtig ist wie die Musik. Da kommt der alte Punk in ihm durch, wie er auch durch sein MELVINS-Shirt auf der Bühne nochmal deutlich unterstreicht. An Bühnenperformance ist Barney ohnehin ein echtes Original. Wie ein ADHSler am Ende seines Pillenblisters zappelt er über die Bühne, schüttelt nonstop wie ein Wahnsinniger sein kurzes Haupthaar und kennt keine ruhige Minute. Dabei brüllt er sich wie ein Berserker durch das Material. Spätestens bei 'Scum' ist dann auch die ganze Halle am Austicken. Immer wieder purzeln Crowdsurfer in den Fotograben, wenn der Moshpit vor der Bühne eine Gelegenheit dazu gibt. Der Ersatzgitarrist, welcher den verhinderten Mitch Harris ersetzt, drescht sich zielsicher durch die Songs und Shane Embury präsentiert seine Alltime-Gedächtnisplatte auf der Rübe, während er rabiat den Bass bearbeitet. Vornehmlich wird Material von der neuen Scheibe "Apex Predator - Easy Meat" runtergerotzt, dessen Titeltrack den Gig einläutet, aber natürlich dürfen die alten Kult-Songs nicht fehlen. 'Suffer The Children' wird mit den Worten angesagt "Dieser Song ist nun 25 Jahre alt - und nichts hat sich seitdem geändert!". Bei dem ganzen Krach, den die Briten entfesseln, ist es schon verwunderlich, dass ausgerechnet der Dreisekünder 'You Suffer' einer der präzisesten Titel dieses Gigs ist. Von ihrer ursprünglichen Setlist haben NAPALM DEATH aus Zeitgründen ein paar Titel gestrichen oder ersetzt. So müssen 'Dear Slum Landlord' und 'Plague Rages' dran glauben und selbst mit diesen Streichungen kämpfen NAPALM DEATH ständig gegen die Uhr und sorgen bei den letzten Songs für ein pausenloses Sperrfeuer ohne viele Ansagen, bevor 'Copulating Snakes' das Inferno beendet. OBITUARY haben an diesem Abend die Rolle des Co-Headliners und dürfen nicht nur ein längeres Set spielen, sondern haben auch den besten Sound des Abends. Derb und erdig krachen die Florida-Jungs los und entfesseln eine 45-minütige Soundwalze, die vor allem aus älteren Songs und vor allem meist schleppenden Midtempo-Werken besteht. Schon der 'Redneck Stomp', der den Reigen vom Album "Frozen In Time" eröffnet, bringt die Nacken der nun proppevollen Halle synchron zum Headbangen. Die Mikro-Hälfte der Tardy-Brüder schlurft nach vielen Instrumental-Takten dieses Groovegewitters lässig an den Bühnenrand und sofort gibt es einen Sprung von 10 Jahren zu 'Century Of Lies' des aktuellen Albums. John Tardy beeindruckt wie immer durch seine enorme Matte und seine Sicherheit, mit der er das Publikum mit wenigen Gesten in den Griff bekommt. Er steht vorn am Bühnenrand, lässt seine Grunts los und die Meute lässt die Matte fliegen. Ein Mann großer Ansagen ist er - im Vergleich zu NAPALM DEATH - gewiss nicht. Wenn überhaupt gibt es nur wenige Worte zum nächsten Song und die Band lässt lieber die Musik sprechen. Für mich ist der erste Teil des Gigs ein wenig monoton, da sich das Tempo fast nie ändert. Aber der Groove packt natürlich voll zu und die Crowdsurfer genießen den Trip auf den Händen, während sich Riffs von 'Visions In My Head' durch die Matten wühlen. In der Mitte des Sets ist dann endlich mal bisschen Gas angesagt, als die Band zurück zum Debütalbum "Slowly We Rot" geht und 'Intoxicated' und 'Bloodsoaked' mit ordentlich Doublebass-Wumms losfeuert. Zwischen den letzten Songs gibt es dann ordentliche Feedback-Orgien, um die Stimmung weiter anzuheizen. Zum Schluss hat die Band nochmal ein ordentliches Kontrastprogramm für das Kölner Publikum vorbereitet. Nach dem sperrigen 'Don't Care', welches sich etwas zu lange hinzieht und etwas mehr Ungeduld ins Publikum bringt (was sich auch im Desinteresse für Johns Mitbrüll-Animationen äußert) gibt es am Ende endlich den Titelsong des Debüts, nämlich 'Slowly We Rot'. Die Band zieht das Tempo gegenüber dem Original nochmal deutlich an und beendet den Gig nochmal mit einem geilen Sperrfeuer, welches aus dem Publikum die letzten Reserven vor der nächsten Umbaupause rausholt. Warum der Zeitplan in Köln keine Zugaben vorsieht erschließt sich an dieser Stelle wirklich nicht, denn OBITUARY haben richtig gut abgeräumt und die proppevolle Halle motiviert. Leider erklärt es die sofort eingespielte Pausenmusik nach diesem Hammerstück zu deutlich, dass Zugabenrufe nicht beachtet werden. Sehr schade! Vor allem in Hinblick auf die Uhr die nicht einmal 22:00 zeigt. Auch CARCASS können auf eine lange Schaffensperiode zurückblicken und starten erst einmal mit einem neuen Song 'Unfit For Human Consumption'. Die Resteverwertung "Surgical Remission" muss allerdings bei der Setlist außen vor bleiben und das neue Material konzentriert sich auf "Surgical Steel", von welchem noch 'A Congealed Clot Of Blood', 'Captive Bolt Pistol' und 'Cadaver Pouch Conveyor System' folgen. So dominieren CARCASS klar mit neuen Titeln diesen Gig und passend zum sterilen Albumcover wird die Bühne immer wieder in sehr helles und kaltes Licht getaucht. Sowohl auf die Bassdrum als auch auf das Backdrop mit dem "Surgical"-Cover werden Projektionen geworfen. Der Überraschungseffekt ist nicht von schlechten Eltern, als dort auf einmal ein Hakenkreuz seine Runden dreht, aber schnell ist klar, dass es sich hierbei um eine gegenläufige Hindu-Swastika handelt, weil kurz darauf noch weitere religiöse Symbole folgen. Zu Beginn des Sets ist Jeff Walkers Gesang deutlich zu leise, während die Bassdrum alles dominiert. CARCASS haben leider nicht das Glück wie OBITUARY, denn obwohl der Gesang nach einer kleinen Korrektur wieder gut hörbar ist und Jeff seine charakteristisch gequetschten Screams abliefern kann, kann der Sound insgesamt nicht die Qualität des Co-Headliners erreichen. Vor allem die Gitarrenleads sind etwas zu weichgespült und setzen sich nicht aggressiv genug durch. Das geht leider auf Kosten des Melodiegefühls, denn CARCASS haben für eine britische Band einen großen Anteil Schweden-Death in den Leads und verdienen für diese Details gerne mehr Durchsetzungskraft am Mischpult. Neben den aktuellen Songs gibt es ansonsten noch sehr große Sprünge in die Vergangenheit. Neben dem seinerzeit vielbeachteten 93er Album "Heartwork" finden auch noch die allerersten Scheiben aus den 80ern Berücksichtigung. 'Reek Of Putrefaction' und 'Exhume To Consume' legen die Härtegrade im Doppelpack gleich viel höher und animieren das Publikum zu einem erneuten Moshpit. Auch die Lightshow verzichtet bei den alten Grind-Angriffen auf das sterile Weißlicht und bringt düstere Farbe ins Spiel, bevor das Drum-Intro von 'Corporal Jigsore Quandary' wieder Erholung im Midtempo-Death verspricht. Danach wird es nochmal richtig ungewöhnlich ruhig. 'Mount Of Execution' packt nochmal viele Gitarreneffekte und starke Melodien aus und die Gitarristen üben sich in passenden Twin-Guitar-Posen, während das Publikum noch ein letztes Mal zufrieden die Matten fliegen lässt. Mit diesem Song geht ein Abend mit exzellentem Line-up, aber leider einem sehr straffen Zeitplan und nicht immer bestem Sound zu Ende. Ich hätte den Bands noch gerne die Spielzeit von jeweils 1-2 Songs mehr gegönnt und vor allem VOIVOD und NAPALM DEATH einen vernünftigen Soundcheck. Das ist eben der Nachteil, wenn man mitten in der Woche einen Abend mit so vielen Bands gestalten möchte, aber das Line-up und vor allem die famose Songauswahl von OBITUARY und CARCASS sowie das räudige Inferno von NAPALM DEATH machten die vier Stunden zu einer kurzweiligen Angelegenheit für die geneigten Fans des harten Oldschoollagers. Wie sagte dieser Mensch im Sakko (!) beim Auslass so treffend: "Fettes Geballer - Leck mich am Arsch!". Recht hat er. |
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