Livebericht The Gaslight Anthem (mit Bayside und Deer Tick) |
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Ein Livebericht von Stormrider aus Frankfurt am Main (Jahrhunderthalle) - 14.11.2014 (15794 mal gelesen) |
Ein kühler Novemberfreitag in Liederbach, einem Randbezirk von Frankfurt. Hier rund um die Jahrhunderthalle ist wenig Glamouröses zu entdecken. Das passt irgendwie sehr gut zum Alternative Rock und dem Handwerker-Karo-Hemden-Image von THE GASLIGHT ANTHEM, die ihre Fans, so man die optische Messlatte anlegt, quer durch alle Schichten und alle Altersklassen rekrutieren. Das zeigt aber zum Glück auch, dass ehrliche, schnörkellose Rockmusik ohne Glitzer und Glamour immer ihre Anhänger hat. Pünktlich um 19:30 starten jedoch zunächst BAYSIDE aus Long Island in ihren halbstündigen Set und finden eine bereits mehr als zur Hälfte gefüllte Halle vor. Die seit 2000 aktive Band, die in 2005 einen schweren Schicksalsschlag in Form eines Tourbusunglücks zu überwinden hatte, spielt Indie-Punk beeinflussten Alternative-Rock, der in seinen besten Momenten durchaus an den heutigen Headliner erinnert, bleibt im Großen und Ganzen aber meist farb- und akzentlos. Da der Volumeregler auch auf Zimmerlautstärke eingependelt wurde, wird sich vielerorts mehr unterhalten, als dem statischen Treiben der Amis auf der Bühne zu folgen, und am Ende des Gigs bleiben zwei Dinge im Gedächtnis: zum einen die, insbesondere bei den ersten Tracks, sehr gut arrangierten Backingvocals. Hier hört man ja bei Gigs häufiger mal sehr schiefe Töne, aber das haben BAYSIDE wirklich drauf. Zum anderen ist es der Song 'Mona Lisa', der von einem französischen Chanson beeinflusst ist und damit im ansonsten doch sehr eintönigen Songmaterial einen echten Farbklecks darstellt. Als um 20:00 Uhr die Bühne wieder geräumt wird, hat man das Gefühl, einen typischen Supportact gesehen zu haben. Nett zum Anhören, aber irgendwie doch nix was wirklich angeheizt hätte. Knapp zwanzig Minuten später betreten dann DEER TICK die Bühne und bleiben musikalisch in ähnlichem Gefilden. Allerdings ersetzen sie den leichten Punk-Einschlag durch Country-Elemente. Auch hier fallen zunächst die schön gesungenen Backings positiv auf, und leider auch wieder der viel zu leise Sound. Überall in der Halle unterhalten sich die Leute und müssen sich dabei nicht einmal anschreien. Wenn nun das Songmaterial nicht so gut ist, dass es wirklich Aufmerksamkeit zieht, dann wird die Band schnell zur Hintergrundbeschallung. Immerhin bemühen sich DEER TICK, ab und an ein kleines Showelement einzubauen, so z.B. einen Duckwalk im Song 'I Got A Rocket In My Pocket', was den Rockabilly-Touch des Songs auch optisch unterstreicht. Und auch der vom Lead-Gitarrero gesungen Song hat durchaus etwas, erinnert an BRUCE SPRINGSTEEN und wird mit einem Sax-Solo garniert. Insgesamt eine gefällige Show, die ohne großartige musikalische oder showtechnische Aha-Effekte vorbeizieht. Selbst beim letzten Track, der durchaus sehr rockiges Potenzial hat, ist der Drummer das einzige Bandmitglied, das mal so richtig aus sich rausgeht. Als um 21 Uhr die Arbeitszeit von DEER TICK vorüber ist, hat man zwei nette aber irgendwie auch nichtssagende Vorbands erlebt. THE GASLIGHT ANTHEM müssen derzeit an einigen Ecken kämpfen. Die alten Fans, aus der "Sink Or Swim"-Phase, werfen der Band vor, sich mit dem aktuellen Album, "Get Hurt", mittlerweile viel zu weit von den eigenen Wurzeln entfernt zu haben und sich dem Mainstream anzubiedern. Brian Fallon möchte nicht ständig mit dem SPRINGSTEEN, Eddie Vedder oder anderen großen Sängern verglichen, sondern als eigene Persönlichkeit wahrgenommen werden. Und zu guter Letzt kann Bassist Alex Levine einen Teil der aktuellen Europa-Tour aus familiären Gründen nicht mitfahren. Von all dem merkt man nichts, als um 21:30 Uhr die ersten Riffs von 'Stay Vicious' durch die PA drücken. THE GASLIGHT ANTHEM eröffnen Ihren Set mit dem härtesten Riff der Bandgeschichte und die Stimmung in der Jahrhunderthalle steigt sofort auf ein vernünftiges Level an. Die Lautstärke ist endlich einem Rockkonzert angemessen und der Bass ist dermaßen hochgedreht, dass man Angst haben muss, dass einem der Herzrhythmus leicht aus dem Takt gerät, so man denn in der Nähe der Bühne sein Plätzchen, in der mittlerweile sehr gut gefüllten, aber nicht ausverkauften Halle, gefunden hat. Bedenkt man, dass die Vier sowohl mit dem aktuellen, als auch den Vorgängeralben in den wichtigsten Musikmärkten USA, UK und Deutschland überall absolute Top-Chartplatzierungen feiern konnten, wirkt der Bühnenaufbau ziemlich spartanisch. Benny Horowitz hat ein überschaubar großes Drumkit und als Backdrop fungiert lediglich das umgedrehte Herz des "Get Hurt"-Covers. Da Alex Rosamilia auf der Bühne ähnlich schüchtern wirkt wie zuvor im Interview, liegt die größte Last die Menge anzuheizen erwartungsgemäß auf Brian Fallon, der auch unangefochten der Fix- und Mittelpunkt der Band ist. Dieser hat sich aber zunächst dazu entschlossen, die Musik sprechen zu lassen und geizt daher mit seinen Ansagen. Auch THE GASLIGHT ANTHEM verzichten weitgehend auf von der Musik ablenkenden Elementen, haben aber eine schöne, effektvolle und angenehm unaufgeregte Lightshow mitgebracht. Vor 'Biloxi Parish' kommt dann richtig Stimmung auf, und das Publikum stimmt THE GASLIGHT ANTHEM-Sprechchöre an, die Brian dann in Benny Horowitz-Sprechchöre überleitet. Das scheint dem Fronter durchaus zu gefallen, denn danach wird er lockerer und kommuniziert auch vermehrt mit dem Publikum. Den Gipfel seiner Ansagen bzw. Kommunikationsfreude erreicht er dann bei einem Monolog in dem er zunächst über Kaffee und dann über Unterwäsche philosophiert (sehr amüsant: "Frauen, nur zu Eurer Information: Männerunterwäsche wird immer im Dreierpack verkauft! Wenn er heimkommt und Euch erzählen will er hat ein Paar neue Unterhosen, spätestens dann müsste ihr misstrauisch werden!"). THE GASLIGHT ANTHEM verzichten insgesamt auf große Showelemente, stellen ihre Setlist aber so geschickt zusammen, dass sowohl die anwesenden Pärchen, Damen, als auch Herren jeweils glücklich nach Hause gehen können. Da die Band eine beachtliche Menge Hits in den letzten Jahren fabriziert hat, kommen über die gesamte Spielzeit irgendwann Fans aus allen Phasen der Bandgeschichte auf ihre Kosten. 'Handwritten', '45', 'Sugar & Spice' (inkl. kleinem Pogo in der Hallenmitte) und '1930' heißen die Songs, bei denen die Halle am meisten in Bewegung kommt. Zu 'Great Expectations' kommt dann Sänger Anthony Raneri von BAYSIDE nochmal zum Duett auf die Bühne, und auch wenn Brian Fallon den Vergleich mittlerweile nicht mehr so gerne hört, auch der große Geschichtenerzähler aus New Jersey schafft es immer wieder ohne echte Show sein Publikum zu begeistern, und in diesem Fahrwasser bewegen sich nunmal auch THE GASLIGHT ANTHEM. Interessant finde ich den Ansatz, auf Zugaben zu verzichten, da sie nicht mehr dazu dienen, seiner Begeisterung freien Lauf zu lassen, sondern mittlerweile einfach vorausgesetzt werden und die kurze Pause häufig für das Smartphone genutzt wird. Brian weist das Publikum aber bereits vorab darauf hin, dass sie nach ihrem letzten Song dann wirklich schon fertig wären und nicht nochmal zurückkommen. Als 'We're Getting A Divorce, You Keep The Diner' mit der schönen Textzeile "Stay hungry, stay free and do the best you can" verklingt, denke ich, dass das doch ein schöner Schlusspunkt wäre. Aber wirklich in die kalte Novembernacht entlassen, werden die Fans dann erst mit 'The Backseat'. Fazit: THE GASLIGHT ANTHEM wissen mittlerweile genau wo sie hinmöchten, und auch wo sie nicht hinmöchten. Man merkt ihnen auf der Bühne an, dass ihnen die durchaus vorhandene Kritik vieler Journalisten an "Get Hurt" herzlich egal ist, denn der Erfolg gibt letztlich ihnen Recht. Und so sie liefern sie in Frankfurt eine Show, die solides, musikalisches Rockhandwerk mit einer schicken unaufgeregten Lightshow verbindet. Nothing less, nothing more. Setlist: 01. Stay Vicious 02. The 59 Sound 03. Years 04. Handwritten 05. Old White Lincoln 06. Rollin And Tumblin 07. Helter Skeleton 08. Biloxi Parish 09. Too Much Blood 10. 45 11. Get Hurt 12. Red Violins 13. We Came To Dance 14. Film Noir 15. Great Expectations (Duett mit Anthony Raneri von BAYSIDE) 16. 1930 17. Sweet Morphine 18. Wooderson 19. Even Cowgirls Get The Blues 20. American Slang 21. We're Getting A Divorce, You Keep The Diner 22. She Loves You 23. The Backseat |
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