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Headbangers Open Air 2013 |
Take off: 25.07.2013 - Review (12550 mal gelesen) |
Zwischen Balingen und Hamburg kann man jedes Jahr im Sommer verdammt viele Bändchen für's Handgelenk sammeln. Im September kann man dann seinen Campingstuhl im Garten aufstellen, die letzten übriggebliebenen Dosen noch fast zeltwarmen Bieres geniessen und mit einem lachenden und einem weinenden Auge an den nunmehr sattgolden im Wind wogenden Weizenähren abzählen, wie oft man seit Mai POWERWOLF, ATTIC und ORDEN OGAN gesehen hat.
Zumindest gemäß dem Fall, dass man nicht sein gesamtes Erspartes auf dem HEADBANGERS OPEN AIR auf den Kopf gehauen hat. Was auf jeden Fall allererste Wahl für den mainstreammüden Metalliebhaber ist, denn das HOA steckt mit der erlesensten Palette exklusivster, ewiggestrigster und undergroundigster Bandverpflichtungen seit 1998 so ziemlich alles nördlich von Lauda-Königshofen in die Tasche.
Schierenhöh, 25364 Brande-Hörnerkirchen. Eigentlich würde es sich anbieten, die Betitulierung als Strasse zu mockieren, hätte der Norddeutsche mit seinem trockenen Realismus nicht gleich davon abgesehen, bei der Bennenung dieser Route irgendeine Suggestion eines befestigten Weges aufzunehmen. Stattdessen findet man nach einer mehr (mit der Bahn) oder weniger (mit allen anderen Verkehrsmitteln) anstrengenden Anreise zwei Felder zum Campen, ein einsames Einfamilienhaus inmitten, und endlose Hektar Holsteiner Idylle vor. Perfekt!
Camping ist in den Festivaltickets direkt mit drin, ein kleiner Müllpfandobulus muss separat entrichtet werden. Und dann kann der Festivalspaß auch schon starten! Das Wetter könnte am Mittwoch, dem ersten Anreisetag, besser nicht sein und darf noch ungestresst genossen werden, die ersten Bands spielen nämlich erst am Donnerstag! Die ersten Buden haben aber schon ihren Betrieb aufgenommen und die ersten CDs, Platten und Merchandiseartikel wechseln schon den Besitzer. Im Bühnenbereich kann man ab Donnerstag dann auch Merchandise der anwesenden Bands kaufen und eine umfassende Sammlung an second hand CDs auf Schnäppchen scannen und die Problematik, dass in der besagten Idylle mit der Bevölkerungsdichte von Kamtschatka kein Aldi in Marschweite ist, wird mit ungemein humanen Preisen an den Fressständen angegangen.
Donnerstag wird um fünf dann erstmals die Bühne gestürmt, und zwar von den Spaniern von 77, danach übernehmen KISSIN' DYNAMITE die Fackel mit ihrem Maultaschenglam. Und dann die Knüppelpremiere mit FORTÉ! Speed Metal aus Oklahoma, der seit einer Ewigkeit keine Bühne mehr gesehen hat. Hier werden auch erstmalig Titel des 2012er-Albums "Unholy War" vorgestellt, aber die Klassiker der vier Alben aus den Neunzigern kommen natürlich auch nicht zu kurz. MPIRE OF EVIL thrashen 70 Minuten, dann kann man im Garten erstmalig Headlinerluft atmen, denn die 80 Minuten bis Mitternacht gehören OVERKILL! Bobby Blitz war agil wie eh und je und keifte und kreischte die 12 Songs runter wie ein Jungspund. Gassenhauer der Marke 'Rotten To The Core', 'Wrecking Crew', 'In Union We Stand' oder 'Fuck You' waren ein einziger Publikumschor und wurden mit Sicherheit noch bis in die nächste Siedlung gehört, und das will hier ernsthaft was heissen. Um Punkt 12 war der Zauber dann vorbei und die Messlatte für die kommenden zwei Festivaltage gesetzt.
Mit Beschluss vom 7.12. verläuft der Äquator offiziell durch Brande, und deshalb verlässt man entweder das Zelt um 8 Uhr morgens, oder man backt am Boden fest. Einmal draussen kann man an dem spitzenmäßigen Wetter aber durchaus Gefallen finden und sich auf einen langen Tag vor der Bühne vorbereiten.
Der Campground verfügt über einen Wassertrog mit vier Hähnen, der zur Rush Hour einem enormen Andrang ausgesetzt ist. Die sommerlichen Temparaturen spielen dabei sicherlich auch eine Rolle, aber mit ein paar Minuten Wartezeit sind Zähneputzen und Katzenwäsche auch zu erledigen. Duschen kann man auch, das kostet aber ein paar Groschen. Gleiches gilt für's Spühlklo, die Dixialternative hat sich aber auch als sehr erträglich erwiesen.
Wenn man will, kann man dann zur Mittagsstunde frisch gewaschen vor der Bühne stehen und Axxion entgegenhibbeln. Das Debutalbum der Kanadier ist gerade eine Woche alt, und doch steht da eine beachtliche Zahl vor der Bühne. Vermutlich nicht unschuldig daran sind die zwei ex-SKULL FISTer, die da oben stehen und versuchen, mit ihrer neuen Band noch so einen Senkrechtstart hinzulegen wie letztes Jahr. Die Titel der taufrischen "Wild Racer" waren beim Publikum nicht so firm, aber was von der selbstbetitelten EP gezockt wurde, wurde zumindest in den vorderen Reihen resolut befeiert.
Für 40 Minuten Spielzeit hat's gereicht, dann sind die Italo-Thrasher von GAME OVER an der Reihe. Nach wiederrum einer Dreiviertelstunde steht KING LEORIC auf der Setlist und spielen eine der für mich besten Shows dieses Jahr. Der Vierer aus Hannover hat Album nummer drei zu promoten, und "Lingua Regis" geht nach dem Gig weg, wie warme Semmeln.
Von MIDNIGHT PRIEST muss man nur das Logo sehen und man weiss, welcher Band mit dem Demo - EP - Album-Gespann im Gepäck gehuldigt wird. Ja, es ist okkult und ja, die Klampfe klingt wie aus Hank Shermans Amp, aber Himmel, klingen die nach MAIDEN! Tatsächlich gibt es mit 'Prowler' auch ein Tribut an die Paten, was die Stimmung (und die Sprachbarriere beim Mitgröhlen) zwischen den portugiesisch getexteten Eigenkreationen merklich auflockert!
Danach: SCREAMER! Wie spitz das HOA auf die Schweden ist, lässt sich an der Fülle vor der Bühne ablesen. Zwar nähert sich die Running Order um kurz nach vier langsam der heissen Phase, aber der sympathische Vierer, der seit 2011 zwei Alben rausgehauen hat, wird hier schon heiss erwartet und die 10 Songs mit einem 6:4 Verhältnis neuer zu alter Titel kommen ausgesprochen gut an.
Nachdem SKILTRON und BLOODFEAST ihre Sets runtergebrettert haben, sind IRON SAVIOR an der Reihe. Nach einer längeren Pause kamen die Hanseaten 2011 ja relativ überraschend nach vier Jahren mit einem neuen Album und einigen exklusiven Auftritten - etwa beim Turock Open Air oder dem Börsencrash - um die Ecke, und dieses Jahr hat sich auch das Headbangers erbarmt, das Quartett um Piet Sielck neue und alte Brecher von der Gartenbühne feuern zu lassen. Gerade das hammermäßige letzte Drittel um 'Coming Home', dem 'Iron Savior' / 'Watcher In The Sky'-Medley und schliesslich 'Atlantis Falling' hat nochmal alle Kräfte mobilisiert, die vielleicht im Lauf eines anstrengenden Tages vor der Bühne überansprucht wurden. Finaler Rauswerfer dann - simpel, aber effektiv - das JUDAS PRIEST-Cover 'Breaking The Law'.
A propos Börsencrash! Da sollten eigentlich VICIOUS RUMORS das Billing anführen, aber denen kam was dazwischen und zu dem Gig ist es nie gekommen. Wozu es aber gekommen ist, ist eine Mordsparty, als dass kalifornische Speed Metal Flaggschiff am 26.07.2013 um 21:40 Uhr mit 'Digital Dictator' die Bühne stürmt und 80 Minuten lang einen Höllenlärm macht. 'Minute To Kill', 'Abandoned', 'Murderball', 'Hellraiser' - nichts hat gefehlt und satte 21 Songs lang bleibt niemand an einer Stelle. Was für ein Feuerwerk! Aber da sollte noch einer draufgesetzt werden, und zwar mit DEMON in der Headlinerposition. Gleich mit 'Night Of The Demon' wurde die selbige eingeleitet und mit einem flotten Wechsel rockiger und epischer Nummer fortgeführt. Zwischen Evergreens der Marke 'Sign of A Madman', 'Life On The Wire' und 'The Plague' funkelten obskure Perlen wie 'Heart of Our Time' oder 'Remembrance Day' hindurch. 'Don't Break The Circle' war natürlich der Strassenfeger überhaupt und hat, wie OVERKILL am Vortag, so ziemlich das komplette HOA zum Mitgröhlen an die Front beschworen!
Endspurt! Der letzte Festivaltag beginnt genau so, wie der vorherige: mit Kleintieren, die an den Zeltreissverschlüssen brutzeln. Eine unüberwindbare Barriere zwischen den Ameisen des Ackers und den Leckereien im Rucksack ist zwar in der Theorie eine feine Sache, aber die Umstände, die dazu führen, sind mit dem Wunsch, mal länger als acht zu schlafen, leider nicht zu vereinbaren. Zur ersten Band gilt es also wieder, vier Stunden tot zu schlagen, aber wie schon gesagt, bietet das HOA dazu massig Gelegenheit.
MIDNIGHT MESSIAH sind also Opener am Samstag, soso! Sicherlich ein Haufen Jungspunde aus dem UK, die sich ihre Bühnensporen erst noch verdienen müssen - falsch gedacht, denn hier handelt es sich um die neue Band von Paul Taylor und Phil Denton, die seinerzeit mit ELIXIR mit an der Spitze der NWoBHM standen. Insbesondere Taylors Gesang drückt dem Quintett einen Stempel auf, der stark an die alten Briten erinnert, aber auch die eigenen Songs knüpfen stark an ELIXIR an. Dass hier und da auch ein direkter Querverweis in Form eines Covers gelingt, versteht sich von selbst und geschieht in Form von 'The Star Of Beshaan', 'Treachery' und 'Son Of Oden'.
Im Anschluss haben MEGAHERA ihre Show vom letzten Jahr nachgeholt, und dann war es auch schon an der Zeit für SACRED STEEL, die aus irgendeinem Grund auf allen Festivals ab mittlerer Größe nur so einen undankbaren Mittagsslot kriegen, obwohl sie seit 4, 5 Alben die Speerspitze des deutschen Underground bilden. Durch das Wörtchen "Underground" ist dieses Statement wohl selbsterklärend, aber nicht minder tragisch.
Da stehen sie also und eröffnen das Set mit 'Black Magic' als wären sie SLAYER anno '84. Nicht nur dreht die Masse mit jedem überheftigen, sauschnellen Heavy Metal-Projektil mehr am Rad, Sänger Gerrit Mutz hat auch sichtlich Spaß daran, die Meute mit ulkigen Ansagen bei Laune zu halten. Wie leitet man 'Open Wide The Gate' ein? Mit einer Anekdote über Türen natürlich! 'Maniacs Of Speed', 'Tonight The Witches Ride' und 'Battle Angel' verhalten sich auch, wie der Quirl im Erdbeerquark und 'No God / No Religion' zeigt stellvertretend, wie viele Ärsche die neue Scheibe 'The Bloodshed Summoning' tritt. Besonders gehuldigt wurde auch dem OMEN-Cover 'Battle Cry', und an der entfalteten Wirkung gemessen, sollte 'Metal Is War' in Zukunft häufiger den Rauswerfer machen.
Die Entscheidung, danach eine kleine Rast am Zeltplatz einzulegen, ist nicht nur das Naheliegendste bei der Totalen Auspowerung durch das SACRED STEEL-Massaker, es stellt sich auch als hervorragende Idee für die Leute heraus, die sich noch von ihrem Pavillion verabschieden wollen, da kurz darauf ein biblisches Unwetter über Brande hinwegzieht, das einfach mal alles wegfegt, was nicht festgenietet ist und kurzerhand den kompletten Campground unter Wasser setzt.
Der Hoarricane zieht aber bald weiter und macht Platz für SAVAGE, noch so ein britisches Juwel aus dem Pleistozän! Von denen kommt seit Anfang der Achtziger immer mal wieder ein Album, zuletzt 2012. Aber die Klasse des Debuts "Loose 'n' Lethal" bleibt bis heute unerreicht, was die vier auch wissen, und spielen einfach mal das komplette Album plus vier weiterer Songs aus der restlichen Diskographie.
Nach MURO stehen nur noch PRAYING MANTIS und METAL CHURCH vor einer rührseligen Heimfahrt. Erstere sind seit 2006 schon zum vierten Mal auf dem Headbangers und ziehen ihren Auftritt routiniert, aber auch etwas eingefahren ab. METAL CHURCH dagegen überzeugen auf ganzer Linie, denn nicht nur sind sie einfach nur METAL CHURCH, nein, sie zocken auch ihr komplettes selbstbetiteltes Debutalbum durch. Der Rest des satten 100-Minuten-Sets ist gespickt mit geilen Dauerbrennern von zwischen 1986 und 1993 sowie einem Song der "A Light In The Dark" als kleinen Ausreißer in die Gegenwart und 'Highway Star' von Deep Purple. Mit 'Human Factor' endete dann ein klasse Best Of Set einer der US-Metal-Legenden schlechthin und ein wie immer großartiges Festival.
Weiss jemand ein Festival, das noch nicht mit einem Slogan wie "Von Fans - Für Fans" geworben hat? Selten hört man ihn jedenfalls nicht. Und mit Sicherheit wird sich oft genug Mühe gegeben, die Sache mit Substanz zu füllen und dem Besucher das Gefühl von Willkommenheit zu vermitteln. Alle Mühe ist da leider vergebens, denn das Headbangers Open Air macht's besser! Preise und Qualität wie in der Dorfmetzgerei, kein künstliches Kultgetreibe oder Medientrubel und eine Bandauswahl, die einfach zeigt, dass die Veranstalter wissen, was die Meute hören will und nicht einfach immer den selben 08/15-Driss reinholt. Und wenn es mal immer das selbe ist, dann ist es immer noch PRAYING MANTIS!
Für's nächste Mal sind übrigens schon GRAND MAGUS, XENTRIX, PARADOX, TURBO, WIZARD, EVIL INVADERS, TYGERS OF PAN TANG, COLDSTEEL und SOLDIER bestätigt. In den letzten Jahren hat das HOA einen festen Platz in meiner Sommerplanung eingenommen, weil es einfach immer mindestens eine Band gibt, die man schon immer einmal sehen wollte! Beste Bands, beste Preise, bestes Festival! |
Billing
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Overkill, Vicious Rumors, Demon, Metal Church, Praying Mantis, Iron Savior, Sacred Steel, Persian Risk, King Leoric, Kissin' Dynamite, Heretic, Megahera, Muro, Bloodfeast, Sleepy Hollow, Trespass, 77, Blaspheme, Forte, Game Over, Midnight Messiah, Savage, Midnight Priest, Empire Of Evil, Skiltron
(Stand April) |
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