Wytch Hazel - V: Lamentations

Review von baarikärpänen vom 04.07.2025 (4865 mal gelesen)
Wytch Hazel - V: Lamentations Es gibt da draußen unzählige Musiker/ Bandleader, die eine klare Vorstellung, eine Vison, davon haben, was sie erreichen oder ausdrücken wollen. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Man nehme nur die ollen Rock'n'Roller wie Jerry Lee Lewis oder Carl Perkins (haben die ÄRZTE mittlerweile eigentlich Buddy Holly's Brille gefunden?). Ein paar Jahre und Substanzen später wurde es psychedelisch, danach brachten BLACK SABBATH uns die Dunkelheit, eine gewisse Truppe aus der Bay Area kam um's Eck mit höher-schneller-weiter, wovon sie auch knappe 45 Jahre später immer noch zehren. DEF LEPPARD veröffentlichten in den 80er Jahren mit ihrer Musik, wenn man's mal so vergleichen will, Hollywood-Hochglanzfilme, während ihre Konkurrenz immer noch auf Super-8 kuschelige Heimfilmchen veröffentlichte. Jeder, der Musik nicht nur als Nebenbeschallung betrachtet - und das dürfte der Großteil unserer Leser sein - kann die Liste beliebig ergänzen oder fortführen.

So ein Musiker mit Vision, die er unbeirrt weiterverfolgt, ist der Brite Colin Hendra, Mastermind und Songwriter von WYTCH HAZEL. Das macht er mittlerweile seit der Veröffentlichung der ersten Single 2011 schon 14 Jahre. Dabei weiß Hendra natürlich, dass die Zeiten der Megaseller schon lange vorbei sind, die Mischung aus Hard Rock und Heavy Metal vielleicht noch einen Blumentopf gewinnt, garantiert aber kein sorgenfreies Leben finanziert, er bestimmt nicht mit WYTCH HAZEL die Royal Albert Hall ausverkaufen wird. Klar, dieses beharrliche Verfolgen der Vision trotz aller Unwägbarkeiten hat Hendra nicht exklusiv. Wöchentlich erscheinen Alben von Künstlern, die bei aller Qualität das gleiche Schicksal teilen. Immerhin erkennen immer mehr Fans, dass da, wo Hendra draufsteht, auch zu 100% Hendra drin ist. Musik mit Herz und Seele, ohne jegliches Kalkül, einfach das, was der Meister am besten kann. Kein Wunder, dass alle vier Vorgänger des jetzt erscheinenden "V: Lamentations" allesamt exquisite Reviews eingefahren haben. Der neue Langdreher wird da keine Ausnahme machen. So sicher wie das Amen in der Kirche!

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Dabei galt es für Hendra, einige Steine aus dem Weg zu räumen, die das Leben ihm da platziert hatte. Im Prinzip waren die Songs, die sich auf "V: Lamentations" befinden, schon fertig, als der Vorgänger veröffentlicht wurde. Aber Hendra fühlte sich nicht nur depressiv oder ausgebrannt - nein, zu allem Überfluss war auch seine Stimme dahin. Hendra musste, wie er sagt, erst wieder lernen zu singen, was einige Zeit in Anspruch nahm. Dass sämtliche Hindernisse überwunden sind, davon zeugt das neue Album. Und WYTCH HAZEL schaffen es nicht nur, das eh schon hohe Niveau der Vorgänger zu halten, sie setzen sogar schon wieder noch einen drauf. Die Briten gelingt es sogar dieses mal mit dem neuen Material, jede oder jeden qualitätsbewußte/n Hörerin und Hörer von AOR über Hard Rock, Melodic Metal bis hin zum Heavy Metal hinter sich zu versammeln.

Bereits nach dem ersten Durchlauf fragt man sich, welche Muse Colin Hendra wohl geküsst hat, dass er aus jedem der zehn Songs auf dem Album (jawoll, selbst das kurze Instrumental 'Elixir' ist nicht von dieser Welt) hell funkelnde Perlen macht. Dabei soll keineswegs Produzent Ed Turner unter den Tisch fallen, den Hendra gar nicht genug loben kann für seinen Input und seine Ideen, die laut Hendra erst dafür sorgen, dass das Endergebnis so unvergleichlich klingt. 'I Lament' eröffnet den bunten Reigen auf "V: Lamentations" und einen besseren Opener hätten WYTCH HAZEL gar nicht wählen können. Der Song geht gut nach vorne, hat eine gewisse poppige Note (betrifft die Eingängigkeit), kommt rein musikalisch sogar positiv um die Ecke, behandelt textlich aber das genaue Gegenteil, wie Hendra sagt. Und wer schon immer mal wissen wollten, wie GHOST mit mehr Trueness im Sound klingen würden: Voilá, hier ist das Ergebnis. Maidenesque wird es dann beim direkt nachfolgenden 'Run The Race'. Ihr wisst schon, diese typisch maidenmäßigen galoppierenden Riffs. Gesagt werden muss, dass die von mir gewählten Referenzbands nur ein Beispiel sind, damit euer Kopfkino einen Anhaltspunkt hat. Denn am Ende des Tages sind sämtlichen Tracks des Albums nur eines: WYTCH HAZEL! Als weiteres Beispiel für das songschreiberische Können von Colin Hendra darf der epische Grower 'The Citadel' angeführt werden. Überhaupt, diese Vocal-Arrangements, die sich auf dem Album finden! Ich fühle mich da gerne wohlig an die Hochzeit der Progressiv-Götter KANSAS erinnert. Genau die hätten einen ghostig klingenden Song wie 'Elements' auf eines ihrer Über-Alben packen können und hätten damit einen weiteren Kandidaten für massiges Airplay im Radio in der Hinterhand gehabt. Es ist müßig, hier eine Track-By-Track-Abhandlung zu schreiben, denn "V: Lamentations" ist nichts weiter als ein Gesamtkunstwerk ohne jegliche Schwachstelle. Trotzdem sei mit 'Healing Power' noch ein weiterer Song erwähnt, ganz einfach weil er speziell vom Text her Colin Hendra ganz besonders am Herzen liegt. Er selbst sagt dazu "Music isn't just a self-indulgent, entertainment thing, for me it's a huge part of my life, very special, very magical and very meaningful. I want Wytch Hazel to be a force for good, a healing power." Und wenn ein Album diese "heilende Kraft" hat, dann "V: Lamentations". Es mag pathetisch klingen, aber wenn es im Louvre in Paris eine Abteilung für Sounds geben würde, die neue Scheibe von WYTCH HAZEL wäre - neben anderen Meisterwerken des Heavy Metals - dort das, was die Mona Lisa unter den zur Schau gestellten Bildern ist. "V: Lamentations" ist endlich mal wieder so ein Album, auf das ich mich schon seit Monaten gefreut habe wie ein Kind auf Weihnachten und das meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern sie gnadenlos übertrifft. So sehr, dass ich mir gleich mal die CD bestellt habe und auch gleich das erst am 18.07. erscheinende Vinyl. Tolle Alben darf ich ja in schöner Regelmäßigkeit hier besprechen, aber keines davon hat mich so abgeholt wie dieses, auch oder vor allem emotional. Hier stimmt von der ersten bis zur letzten Sekunde wirklich alles perfekt. Die Musik eh, das tolle Cover-Artwork, aber auch Ed Turner hat der Scheibe eine organische und lebendige Produktion verpasst. Und quasi als Sahnehäubchen obendrauf darf man dann noch erwähnen, daß mit Aaron Hay der Original-Drummer in den Schoß der Band zurückgekehrt ist, der leztmals auf der Debut-Single zu hören war.

Man kann nur rätseln, wie Colin Hendra es schafft, in beinahe schöner Regelmäßigkeit Alben zu schreiben, die beim Erscheinen als kleine Meisterwerke durchgehen, nur um sich ein paar Jahre später mit dem Nachfolger selbst zu übertreffen. Dabei machen WYTCH HAZEL musikalisch nun wirklich nichts Neues, aber genau das ist doch die Kunst: trotzdem relevant zu klingen, zeitgemäß, aber auch frisch und damit tief in die Seele der Hörerinnen und Hörer zu tauchen. Wer schon immer gut mit WYTCH HAZEL konnte, der darf hier blind zuschlagen. All jene, an denen die Briten bisher vorbeigegangen sind, kann man nur wärmstens empfehlen, das sofort zu beheben. Ihr werdet absolut nicht enttäuscht werden. Was anderes als die Höchstnote kann es hier nicht geben. Und den Antrag, dass der 04. Juli ab sofort zum Colin Hendra- oder WYTCH HAZEL-Day erklärt wird.




Gesamtwertung: 10.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. I Lament
02. Run The Race
03. The Citadel
04. Elements
05. The Demon Within
06. Racing Forwards
07. Elixir
08. Woven
09. Heavy Load
10. Healing Power
Band Website: www.facebook.com/wytchhazel
Medium: CD, LP
Spieldauer: 46:59 Minuten
VÖ: 04.07.2025

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