Mandragora Titania - In Fabulis

Review von Zephir vom 17.06.2025 (8252 mal gelesen)
Mandragora Titania - In Fabulis Zu Beginn des Jahres hat sich das Weimarer Siebengestirn umbenannt: MANDRAGORA THURINGIA heißen nun MANDRAGORA TITANIA. Über die Gründe und Hintergründe der Namensänderung ist mir nichts bekannt, rein assoziativ mutmaße ich zunächst eine Abkehr vom Folk, aber das ist erst einmal auch nicht mehr als Mutmaßung. Das neue Album hört auf den Namen "In Fabulis" und widmet sich, ganz genau, allerhand Mythen und Erzählungen. Dreizehn neue Tracks sollten es sein, eine schicksalsträchtige Zahl; aufgenommen wurde das Ganze bei Dom R. Cray (EQUILIBRIUM) und erscheint gar nicht lang nach dem thematisch möglicherweise ähnlich gelagerten Release der Schwarzwälder GEFRIERBRAND (mein Kollege ReviewRalle berichtete). Jetzt bin ich also gespannt, ob und was MANDRAGORA TITANIA mit "In Fabulis" Neues zu bieten haben in Sachen folkigem Epik Metal.

Bereits in der Vergangenheit waren MANDRAGORA TITANIA weniger "pagan" unterwegs als manche Thüringer Zeitgenossen. Die Musik war stets melodisch, tanzbar, mit eingängigen Hooks und unüberhörbarem Partyfaktor. Von diesem Kurs ist man auch nicht abgewichen, sondern verstärkt ihn weiter. Was beim Hören sofort auffällt: Die Arrangements sind mittlerweile viel mehr orchestral denn folkig. Der ehemals dominantere Dudelsack, der immer für ein gewisses Mittelalter-Feeling gesorgt hatte, ist deutlich in den Hintergrund getreten, dafür strotzt "In Fabulis" nur so vor synthetischer Orchestrierung. Der instrumentale Opener 'Incipit Fabula', der das Sagenbuch aufschlägt, macht sich keinerlei Mühe, langsam Spannung aufzubauen - er geht direkt mit ganz großem Instrumentengeschütz nebst Chorattacken in die Vollen. Das funktioniert, weil es direkt in den ersten Track 'Zinnsoldat' übergeht, der das sich langsam herauskristallisierende Leitmotiv aufgreift und das traurige Märchen eines traurigen Erzählers verarbeitet, welcher sonst von Bands ähnlicher Prägung eher übersehen wird. Gitarrenunwetter, Blastbeat und harsche Vocals dreschen dem Hörer ohne Umschweife die ganze Dramatik des standhaften Zinnsoldaten um die Ohren. Auch wenn die Reime hier und da etwas gezwungen klingen - so wird die Betonung des Begriffes "Schicksal" auf die letzte Silbe gepresst - ist dies ein Song, der mir gefällt und der auch sofort hängenbleibt.

Danach allerdings geht es zumindest in meinen Ohren leider stetig abwärts. Nichts für ungut: Rein quantitativ passiert eine Menge, bei fast durchgehend hohem Tempo hören wir pausenlos eine Vielzahl von Instrumenten. Nur würde ich bei 13 Tracks episch-folkloristischen Inhalts einen gewissen dramaturgischen Aufbau erwarten, und den kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Mit heillos überladener Orchestrierung folgt Gassenhauer auf Gassenhauer, als hätten sich die größten Genre-Hits der vergangenen 20 Jahre hier zum Schema Weil-ich's-kann! zusammengeschmolzen. Aller Epik zum Trotze wirkt die Musik generisch und epigonal, wie beispielsweise anhand des durchaus schmissig komponierten Songs 'Meisterdieb' offenbar wird. Alles ist da, nichts fehlt, als hätte man ältere EQUILIBRIUM mit SCHANDMAUL gekreuzt: Hooks, Blast, harsche und cleane Vocals, ein Arsenal an metallischen, klassizistischen und folkloristischen Instrumenten, sogar eine Bridge mit lyrischem weiblichen "Aaah"-Gesang. Das ist eine Hymne, keine Frage, das kann an und für sich durchaus begeistern. Da aber in jedem einzelnen Track des Albums genau das alles genau so präsent ist und nichts fehlt, da jede noch so kleine Lücke mit digitalen Klängen aller Couleur gefüllt wird, die mal mehr, mal weniger überzeugen, habe ich mich an dieser Stelle bereits längst satt gehört. 'Adaba' und 'Tamburan' immerhin unterbrechen den pausenlosen Drive und schunkeln etwas mehr und hier dürfen auch Akkordeon und Sackpfeife mal wieder in vorderer Reihe spielen. Und einen richtigen kompositorischen Ausreißer hören wir mit 'Trollwettessen', das klingt wie eine Parodie auf FINNTROLL. Die Nummer ist ganz lustig und wird live sicher der Kracher, aber im Gesamtkontext des Albums ist sie ein seltsamer musikalischer Fremdkörper und wirkt ein bisschen so, als hätte man diese Idee eben auch noch zur Hand gehabt und wollte sie nicht unverwendet lassen.

Dass die Synthies ständig den Lead übernehmen, stört mich nicht grundsätzlich, sondern deswegen, weil es zu viel des Guten ist. Auch die Verwendung von Chören ist für meinen Geschmack zu üppig, vor allem dort, wo die künstlichen Stimmen allzu hohe Höhen erreichen - so zu hören im Finale von 'Schnee'. Das vermag auch das spaceige Synthie-Geräusch, das parallel dazu von meinem rechten in meinen linken Kopfhörer wirbelt, nicht zu kaschieren. In der Bridge kommt erschwerend hinzu, dass der Chor mit leichtem Delay hinterher zu schleppen scheint. Nicht mal bei 'Tamburan' können MANDRAGORA TITANIA sich die Backgroundchöre verkneifen, die nicht so recht zum Shanty-Stil passen.

Ein anderes Beispiel, in dem weniger mehr gewesen wäre, ist der weitestgehend instrumental gehaltene siebte Track namens 'Sieben', dessen wenige Grundharmonien mit der aufgefahrenen digitalen Instrumentenvielfalt nicht mithalten können, während die Instrumentenvielfalt ihrerseits ob ihres künstlichen Anstrichs zum Selbstzweck verkommt. Dabei hätte man doch mit der vollen Metal-Besetzung nebst Sackpfeife und Akkordeon eine ganze Menge geiles Zeug machen können. Was mir gefällt, ist das Spiel mit der Zahl Sieben sowie die Tatsache, dass hier das musikalische Leitmotiv aus dem 'Zinnsoldat' wieder aufgegriffen wird. Damit wäre 'Sieben' (nur meine Meinung!) ein besseres Outro als die JIM BRICKMAN-Nummer 'Finis Fabulae', die einfach mal das bereits erwähnte Leitmotiv in den Style Romantic Pop Piano überträgt. Spätestens in Minute 1:23 hätte ich dann wirklich ein paar Fragen an den Songwriter, wobei ich keinerlei Kenntnis habe, ob die Songs aus einer einzigen Feder stammen oder ob es sich um ein Gemeinschaftswerk handelt.

Dass mich "In Fabulis" trotz zahlreicher guter Ideen nicht überzeugen kann, liegt sicher daran, dass ich durch die Brille der vergangenen Jahrzehnte schaue (und so ging es mir schon im vergangenen Sommer mit ROBSEs "Harlekin Und Krieger"): Ich höre die musikalische Entwicklung von EQUILIBRIUM ebenso in meinem inneren Ohr wie die Populärwerdung von IN EXTREMO, den einstigen SCHANDMAUL-Hype und das Aufkommen von durchaus kreativen Epigonen wie beispielsweise ATLAS PAIN. Insofern muss ich ehrlich einräumen, dass ich "In Fabulis" der jüngeren Generation überlassen sollte - keine Frage, dass die Songs des Albums auf Live-Shows absolute Bretter sein werden, bei denen mitgetanzt und mitgesungen oder -gegrölt werden kann. Da wir das von Walter Benjamin dereinst beklagte Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks aber bereits hinter uns gelassen haben, müssen sich die Bands zukünftig wirklich etwas einfallen lassen, um mein Herz zu erreichen.

Meine Anspieltipps: 'Zinnsoldat' für Andersen-Empfindsame und 'Meisterdieb' zum Abfeiern. Letzterer wäre meiner Ansicht nach der geeignete Song für eine Vorab-Auskoppelung gewesen.

Gesamtwertung: 5.5 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Incipit Fabula
02. Zinnsoldat
03. Rotes Tuch
04. Sasuke
05. Meisterdieb
06. Herr Vom Riesenstein
07. Sieben
08. Trollwettessen
09. Adaba
10. Tamburan
11. Sand
12. Schnee
13. Finis Fabulae
Band Website:
Medium: CD
Spieldauer: 55:00 Minuten
VÖ: 19.06.2025

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