Jethro Tull - Curious Ruminant

Review von Metal Guru vom 07.03.2025 (8314 mal gelesen)
Jethro Tull - Curious Ruminant JETHRO TULL waren seit jeher/sind selbst jetzt/werden für immer bleiben: Ian Anderson und erst an-, dann ausgeschlossene oder mittlerweile verstorbene Mitglieder. Wie viele verschiedene TULL-Inkarnationen (= Mk I - ?) es seit 1968 (= Bandgründung) gab, kann ich euch nicht sagen, aber als eine DER authentischten, einflussreichsten, kurzweiligsten, stilvollsten und virtuosesten Prog-Kapellen der 70er und 80er sind sie aus keiner seriösen Rock'n'Roll-History wegzudenken (und ich rede NICHT von f...ing 'Locomotive ...'). Die derzeitige Formation besteht aus Mr. Anderson himself (alte A-Gitarren, Flöten, Mandolinen und - Stimmen), Jack Clark (neue E-Gitarren), James Duncan (die einen Becken und Trommeln), Andrew Giddings (gelegentliche Keyboards), David Goodier (Bässe), Scott Hammond (die anderen Becken und Trommeln) und John O'Hara (Akkordeon und schwarz-weiße Tasten). Machen wir uns nichts vor: Die aktuelle - instrumentell weiß Gott nicht schlechte - Besetzung kann der Frische, der Lebendigkeit, der Musikalität, der Originalität, der "Togetherness" der Urbesetzung nicht das Wasser reichen. Da hilft auch das dem Titelstück vorangestellte, bedenklich an 'Locomotive Breath' erinnernde Piano-Intro nix. Wie denn auch?

"Curious Ruminant" (seltsam-typischer TULL-Titel) nennt sich JETHRO TULLs beziehungsweise nannte Mr. Anderson sein offiziell 24. Studio-Album. DAS besteht aus immerhin neun völlig neuen Stücken in immerhin 50 Minuten und 31 Sekunden und ist somit überdurchschnittlich lang - für TULL-Verhältnisse! Noch länger (um nicht zu sagen am längsten) ist Track No. 8 'Drink From The Same Well': Geschlagene 16:42 wird vorzugsweise instrumental musiziert (= quere Flöten geblasen, akustische Gitarren gepickt/elektrische Klampfen debütiert, widerspenstige Kommoden gequetscht/moderate Mandolinen exekutiert, hammonisierende Orgeln bedient/perlende Pianos zurückgerufen, dumpfe Trommeln gerührt/höhenreduzierte Zimbeln geschlagen) - DA kommt Freude auf, DAS macht Spaß, ABER: Wer glaubt beziehungsweise insgeheim hofft, ein ähnlich facettenreiches/langes/überraschendes/virtuoses/zweites 'Baker Street Muse' (von TULLs '75er "Minstrel In The Gallery") serviert zu bekommen, wird letztlich enttäuscht. Wieso/weshalb/warum? Kurz: Damals ist nicht heute. Lang: Einstige kompositorische Kompetenz, melodische Magie, rhythmische Raffinesse, selbstverständlicher Spielwitz werden zu keinem (ich wiederhole: KEINEM!) Zeitpunkt auch nur annäherungsweise erreicht. Stattdessen: Mittelmaß all over - Medium-Dynamik, Medium-Tempo, Medium-Überraschung - alles immer mittelmäßig und schön unauffällig (oder wie meine Orthopädin zu sagen pflegt - "altersgerecht"). Bis auf die Flöte(n): DIE bläst Herr Anderson trotz seiner Stimmbanderschlaffung nach wie vor wie kein Zweiter! Leider wird seine bemerkenswerte Blaskunst immer wieder/viiieeel zu oft zunichte gemacht durch - seinen Gesang (beziehungsweise was davon übrig geblieben ist). Leute, wenn DIRE STRAITS Mark Knopfler von Anbeginn seiner Karriere eher spricht denn singt (und genau DAMIT berühmt und genau DESWEGEN geliebt wird), ist das eine Sache. Wenn aber JETHRO TULLs Ian Anderson (der einst so beweglich, soo vital, sooo wild über die Bühnen der Welt wirbelte, genau DAMIT berühmt und genau DESWEGEN geliebt wurde) generell nur noch gebrochen brabbelt, ist das kaum zu ertragen. Ian, ich sag's wirklich NICHT gerne: Lass' es! Nicht das Komponieren (= immer noch überdurchschnittlich), auch nicht das Musizieren (= immer noch gut bis sehr gut), zur Not auch nicht das Schreiben (= obwohl schon lange nicht mehr gut bis sehr gut oder überdurchschnittlich), aber das Singen beziehungsweise das Sprechen beziehungsweise dessen peinliche/traurige/verzweifelte Versuche. Bitte, hör' auf!

Als TULL-Fan der zweiten Stunde (für die erste Stunde Ende der 60er war ich zu jung!) verbrachte ich meine musikalischen 70er mit damaligen Art-Rockern und Fusion-Jazzern wie CAMEL, COLLOSSEUM, EMERSON, LAKE & PALMER, FOCUS, GENESIS, GENTLE GIANT, KING CRIMSON, MAHAVISHNU ORCHESTRA, RETURN TO FOREVER, RUSH, UK, WEATHER REPORT, YES und ZAPPA. Ja, ich weiß: interessiert keine Sau, weil is' viiieeel zu lang her! Aber JETHRO TULL (als zweifellos dazugehörende Kapelle) stach immer irgendwie heraus: akustischer, folkiger, organischer, unvorherhörbarer, witziger? Im Ernst: Ich hab' hier diverse geradezu sensationelle TULL-Alben stehen, aber NICHT ein einziges "schlechtes" (whatever THAT means)! Wenn Mensch bedenkt, dass Anderson & Co. seit Anfang des Jahrtausends faktisch non-existent/tot waren und jetzt/in den letzten drei Jahren gleich drei komplett neue Alben zusammengeschustert haben, ist DAS - ungeachtet irgendeiner musikalischen "Qualität" - schon gaaanz erstaunlich! Dennoch: JETHRO TULL im Jahre 2025 zeichnen sich primär dadurch aus, dass Mr. Ian Anderson nicht mehr singen kann. Also spricht er, was er nicht singt. Vielleicht sollte er in Zukunft nur noch Hörbücher einsprechen?

- ohne Wertung -
Trackliste Album-Info
01. Puppet And The Puppet Master
02. Curious Ruminant
03. Dunsinane Hill
04. The Tipu House
05. Savannah Of Paddington Green
06. Stygian Hand
07. Over Jerusalem
08. Drink From The Same Well
09. Interim Sleep
Band Website: www.jethrotull.com
Medium: CD
Spieldauer: 50:31 Minuten
VÖ: 07.03.2025

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