Mechanic Tyrants - St. Diemen Riots

Review von baarikärpänen vom 23.09.2024 (9973 mal gelesen)
Mechanic Tyrants - St. Diemen Riots Wenn man als Vertreter der metallisch oder hardrockenden Zunft ernstgenommen werden will, gehört neben der Musik natürlich auch das passende Outfit dazu. Und was das betrifft, gibt es einige No-Nos. Zum Beispiel Bermudashorts. Sowas geht (ging) nur, wenn man ANTHRAX heißt. Wie man sich mit dieser Kleiderwahl in Nullkommanix aus einer Band befördert, da frage man mal während einer Seance bei Lemmy nach, dessen Ex-Gitarrist Brian Robertson seinem Chef schon in den 80ern mit besagtem Beinkleid ein Herzkaschperl verpasst hat. Was auch nicht geht, sind Pluderhosen. Vorausgesetzt man hieß nicht Eddie Van Halen, weil der durfte das. Nun ja, unsere fränkischen Helden von MECHANIC TYRANTS, um deren Erstling "St. Diemen Riots" wir uns hier kümmern wollen, sind was oben Genanntes betrifft, absolut auf der sicheren Seite. Deren Promo-Pic hätte man nämlich auch vor 40 Jahren auf eine LP-Hülle drucken können und die vier Herren wären als zu 100% authentisch und true durchgegangen.

Ganz neu in der Szene sind die Nürnberger nun wirklich nicht. Zwei Viertel der Band, Bassist Danny Keck und Sänger/Gitarrist Florian Fait, waren Teil von TORPËDO, die mit ihrem Demo "Mechanical Tyrants" 2019 aufhorchen ließen. Ich persönlich fand besagtes Demo vorzüglich und hätte mir ein reguläres Album gewünscht, aber es hat nicht sollen sein. 2021 wurden TORPËDO aufgelöst. Die anschließende dunkle Zeit der Pandemie nutzten die Jungs, verstärkt mit Gitarrist Jakob Struve und Drummer Orlando Mack, um etwas Neues zu starten. 2022 erschien die erste EP von MECHANIC TYRANTS "Meanhattan" und machte bereits Lust auf mehr. Es sollten aber weitere zwei Jahre vergehen und jetzt ist es endlich soweit. "St. Diemen Riots" darf man jetzt schon ohne Übertreibung einen Knaller, ein echtes Statement in Sachen ursprünglichen Speed- und Heavy Metals nennen. Zu hoch gegriffen? Keinesfalls! Denn MECHANIC TYRANTS machen nicht den Fehler, den andere neue Bands, die sich auf die Ursuppe des Speed Metals beziehen, machen, und setzen eben nicht auf den präpubertären Fun-Faktor (textlich betrachtet). Man merkt in den 43 Minuten, die "St. Diemen Riots" rotiert, dass die Jungs die zwei Jahre seit dem Erscheinen der EP bestens genutzt haben, um an ihrem Material und den Texten zu feilen.

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MECHANIC TYRANTS machen keine halben Sachen, und so verwundert es auch nicht, dass Teilen von "St. Diemen Riots" ein Konzept zugrunde liegt, welches sich an RUSH und deren "2112" orientiert. Also eine Gesellschaft, die durch die regierende Kaste unterdrückt und kontrolliert wird, wogegen sich Widerstand bildet. Klar, neu ist das Konzept nicht, aber in Zeiten wie diesen passt es einfach. Nun mag es Hörerinnen und Hörer geben, die sich die Frage stellen, warum die Story nicht auf Albumlänge ausgebreitet wird. Sicher berechtigt. Ich allerdings finde das nicht weiter tragisch. Am Ende des Tages soll "St. Diemen Riots" ja einfach nur Spaß machen, was voll und ganz gelingt. Die Nürnberger beweisen ein feines Händchen, wenn es darum geht, die 43 Minuten der Scheibe abwechslungsreich und spannend zu halten. Gerade die Songs, die zum textlichen Konzept gehören, schreien ja förmlich danach, dass die "Stimmung" musikalisch eingefangen wird. Durch jene Tracks durchgehend in Hypersonic-Speed durchzupflügen, wäre der Sache nicht gerecht geworden. Irgendwie erinnert mich das an SCANNER und "Hypertrace" (auch wenn deren Konzept eher Science Fiction zuzurechnen war). Mit 'Tower 42' haben MECHANIC TYRANTS den perfekten Einstieg in "St. Diemen Riots" gefunden. Eine echte Speed-Granate und ein erster Beleg dafür, dass mit Florian Fait der Mann am Mikro steht, dessen Stimme dem Material einen ganz eigenen Stempel aufdrückt. Das Info-Schreiben verortet MECHANIC TYRANTS unter anderem bei MEGADETH oder METALLICA, was zu kurz gegriffen ist. Ich für meinen Teil höre, gerade bei den Soli, auch eine Prise SAVAGE GRACE und auch eine Menge Metal teutonischer Prägung, wie zum Beispiel ATLAIN. 'Murder At The Barricades' kommt etwas geschwindigkeitsreduzierter (aber auf keinen Fall lahm) um die Ecke, was zunächst auch für den Titeltrack gilt. Aber wenn MECHANIC TYRANTS im Verlauf des Songs das Gaspedal bis zum Bodenblech durchtreten, dann bleibt kein Auge trocken. Was für eine Abfahrt, herrlich! Mit dem Instrumental 'Madrugada' gönnen die Jungs uns eine Verschnaufpause, bevor sich beim direkt anschließenden 'Ruins Of The Past' - vor allem was das Riff angeht - ein wenig good old SAXON ins Songwriting eingeschlichen haben. Ob bewusst oder unbewusst sei mal dahingestellt, vielleicht klingt's auch nur für mich so. Tolle mehrstimmige Parts beim Gesang auch. Tja, was dann bei 'Speed Metal Guerilla' folgt, das macht der Titel ja schon mehr als deutlich. Wer das Demo von TORPËDO im Schrank stehen hat, dem dürfte 'Sons Of Evil' sehr bekannt vorkommen. Ein Banger/Fistraiser vor dem Herrn, der durch die bessere Produktion und der scheinbaren Nachbearbeitung der Band nochmals gewinnt. Selbiges gilt auch für 'Mechanic Tyrants', dessen Ur-Version ebenfalls auf dem Demo zu finden war. Vor allem die Gitarrenarbeit in diesem Song rechtfertigt den Vergleich mit (frühen) MEGADETH. Das Allerbeste an "St. Diemen Riots" ist und bleibt aber, dass MECHANIC TYRANTS, obwohl sie ihre Einflüsse unüberhörbar aus den Großtaten der 80er beziehen, auf Albumlänge frisch und neu klingen. Einen nicht ganz unwichtigen Beitrag dazu leistet natürlich auch Patrick W. Engel, der das Album mehr als perfekt gemastert hat. Solange immer wieder Bands wie die Nürnberger mit solch einem Debüt vorstellig werden, muss einem um die (traditionelle) Metal-Szene wirklich nicht bange sein.

Wer also eine Scheibe sucht, die sich gekonnt zwischen den beiden Polen Heavy Metal und Speed Metal bewegt, der kommt an "St. Diemen Riots" einfach nicht vorbei. Mich erinnert das Unbekümmerte von MECHANIC TYRANTS musikalisch manchmal an die ersten Alben der kanadischen STRIKER oder der Schweden von ENFORCER. Mit dem kleinen aber feinen Unterschied, daß MECHANIC TYRANTS im Vergleich mit den Genannten sogar eine Nasenlänge Vorsprung haben. Was anderes als nur knapp an der Höchstnote vorbei kann es hier ja gar nicht geben.



Gesamtwertung: 9.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Tower 42
02. Murder At The Barricades
03. St. Diemen Riots
04. Madrugada
05. Ruins Of The Past
06. Speed Metal Guerilla
07. Sons Of Evil
08. Above The Law
09. Bad Seed
10. Mechanic Tyrants
Band Website: www.facebook.com/mechanictyrants
Medium: CD, LP
Spieldauer: 43:11 Minuten
VÖ: 27.09.2024

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