Livebericht Dark Tranquillity (mit Moonspell und Hiraes)
Ein Livebericht von Opa Steve aus Andernach (Juz-Liveclub) - 03.05.2025 (15431 mal gelesen)
Zweiter Tag des Jubiläumswochenendes! Heute nicht mit einem individuellem Booking, sondern die große Tour mit DARK TRANQUILLITY, MOONSPELL und HIRAES macht in Andernach Halt. Die drei Bands befinden sich bereits im zweiten Tourblock und hatten (angereichert durch WOLFHEART) schon vergangenen Herbst diverse Hallen Deutschlands bespielt und Kollege Des berichtete damals aus Wien. Wir hingegen waren in Köln vor Ort und können daher schon mit bestehenden Eindrücken in Andernach zum Wiederholungstäter werden und sind total gespannt, wie sich das Paket im Vergleich schlagen wird. Überhaupt finde ich es total klasse, dass Bands wie DARK TRANQUILLITY, die normalerweise viel größere Hallen bespielen, jetzt schon zum dritten Mal im vergleichsweise kleineren Liveclub Station machen. So wirkt auf der Bühne auch alles ein wenig eng, denn in der Live Music Hall in Köln konnten wir die komplette Produktion auf großer Bühne bewundern. Aber Größe ist ja nicht alles, zu einem fantastischen Live-Erlebnis gehören auch viele andere Dinge.
HIRAES machen heute den Start. Wieder ist die Halle gut gefüllt und man geht schon mit mehr Leuten ins Rennen, als es gestern zum Höhepunkt waren. Die geringe Bühnentiefe, bedingt durch zwei Drumkits, schränkt natürlich die Bewegungsfreiheit etwas ein. Aber die Band legt energetisch los und Britta Görtz hat mächtig Power in ihren Growls. Ein perfekter Opener für den Abend, der ja auch mit modernem Melodic Death Metal enden wird. Unter unseren Freunden vor Ort macht die Definition "wie ARCH ENEMY, nur weniger Technik" die Runde. Das tut der Freude keinen Abbruch, wenn man so authentisch und sympathisch agiert wie die Niedersachsen. In Köln hatte ich mich auf die Band seinerzeit sehr gefreut, aber ein Genuss wurde durch den grauenvollen Sound unmöglich. Ich sprach mit Britta damals nach dem Auftritt darüber und versprach ihr, mich bei nächster Gelegenheit noch mal von ihren Livequalitäten überzeugen zu wollen. Und als wollten sie heute alles richtig machen: Der Sound ist mega! Selbst Hochgeschwindigkeitsblasts wie in 'Through The Storm' kommen transparent und druckvoll rüber. Britta ist so gut gelaunt, dass sie sogar ins Publikum springt und crowdsurft. In Höhe des Mischpults, als das Publikum langsam dünner wird, mahnt sie noch "Lasst mich bloß nicht fallen, Leute.", bevor sie heil den Rückweg auf die Bühne antritt. Überhaupt ist ihre Kommunikation richtig super. Zu ihrem Gitarristen, der aufgrund der Enge am linken Bühnenrand festgenagelt ist, meint sie irgendwann scherzhaft "Stehst du da eigentlich nur rum?" Selbst als die Technik ein paar Probleme macht und die In-Ears kurzerhand getauscht werden müssen und der Drummer mit ihrem Vocal-Mix weiterspielen muss, während sie selbst auf das Monitoring verzichtet, unterhält sie das Publikum kurzweilig. Starke Band, deren Frontfrau wie Arsch auf Eimer passt. Die Songs stellen das 2024er Album "Dormant" mit einem Best-Of-Querschnitt vor und die Band erobert an diesem Abend sicherlich ein paar Dutzend Fans mehr. Später am Abend hatte ich noch kurz Gelegenheit, Britta zu grüßen und von meinem eingelösten Versprechen aus Köln zu berichten. "Und, wie war heute der Sound?" fragt sie da schon ganz gespannt und bestätigt mir, dass sie in Andernach den gleichen Mixer, aber auch als Opener einen Soundcheck (!) hatten. Und sie ist hocherfreut, als ich ihr bestätige, dass heute alles mega war.
Die nächste Spannung kommt in Form der portugiesischen Schwergewichte MOONSPELL. Zuerst der Rückblick nach Köln: So ein Dauerfan der Band war ich ja nie, allerdings steht die Durchbruchscheibe "Irreligious" bei mir ganz hoch im Kurs. MOONSPELL habe ich nun schon bestimmt ein halbes Dutzend Mal gesehen. Oft war es durchwachsen, aber in Köln vergangenen Herbst fand ich sie tatsächlich richtig schwach aufgrund ihrer lethargischen und eher kraftlosen Darbietung. Also stelle ich mich - Skeptiker, der ich nun mal bin - auf ein eher ruhiges Programm ein. Ausgerechnet mit einem der besten Titel, 'Opium', geht es schon los. Jaaaa, damit machen sie alles richtig. Doch was ist mit Fernando los? Der Kerl hat ja heute eine hallenfüllende Stimme und nicht dieses Schlafzimmer-Brummeln, was ich noch aus Köln in Erinnerung habe! Mit 'Awake' geht es direkt weiter mit meinem Lieblingsalbum. Und der Sound ist kräftig, der Funke springt sofort über. Bämm! Sollten MOONSPELL heute tatsächlich mal wieder einen geilen Gig abliefern? Sie werden! Pedro kann man hinter seiner Höllenorgel im Nebel zwar nur erahnen, aber der Rest der Band nutzt die Bühne aus und hat schon deutlich mehr Platz als HIRAES. Die neueren Songs wie 'Common Prayers' holen mich zwar nach wie vor nicht so wirklich vollständig ab, sind aber mit dieser überraschenden Live-Energie durchaus alles andere als Filler. Auf der anderen Seite wertet die heftige Darbietung quasi unbeachtete Werke wie 'In And Above Men', 'Breathe (Until We Are No More)' oder 'Extinct' richtig auf und sie erscheinen plötzlich so spannend, dass ich mich mit der Bandperiode vor zehn Jahren doch noch mal auseinandersetzen werde.
Positiv ist ebenfalls zu erwähnen, dass sie offenbar ein Gespür dafür haben, was heute nicht mehr ins Set reinpassen würde. Material von "Sin / Pecado" oder "Butterfly Effect" wird komplett übersprungen. Dafür gibt es mit 'Mephisto' und 'Alma Mater' am Ende noch mal ein Klassiker-Doppel. 'Alma Mater' ist als eher langsamer Evergreen ein guter Indikator, wie gut die Band drauf ist. Und selbst dieser Song klingt heute nicht wie auf Valium, sondern entfesselt eine epische Wucht mit kräftigen Vocals, die von den paarhundert Kehlen laut unterstützt werden. Ein Mädchen sitzt mit der portugiesischen Flagge auf den Schultern ihres Freundes und wird diesen Platz bis zum letzten Ton auch nicht mehr verlassen. Die Band lässt sich gebührend feiern und legt noch ein 'Fullmoon Madness' obendrauf. Die Jungs, die heute zum ersten Mal im JUZ Liveclub aufspielen, haben sich zu Beginn noch vorgestellt als "Wir kommen aus dem südwestlichsten Zipfel Europas - Portugal. Kennt das jemand?" Nach dem frenetischen Schlussjubel strahlen die Finstermänner um die Wette und Fernando bedankt sich mehrmals und betont, was es für ein toller Abend war. Finde ich auch! Und schon steht es im Tourvergleich 2:0 für Andernach zum Nachteil von Köln. Das werden DARK TRANQUILLITY jetzt kaum noch verkacken können.
Für die Durchstarter-Schweden wird die Bühne noch mal komplettiert und der gesamte Hintergrund besteht nun aus den LED-Wänden, die während der gesamten Show die Lightshow fabelhaft ergänzen. Zwar ist die Band weitestgehend im Gegenlicht, aber auch das ist ein interessanter visueller Aspekt. Bei Temperaturen, die mittlerweile in der Halle die 30°C locker überschritten haben, startet die Band mit 'Shivers And Voids' vom aktuellen Album. Jubel bricht los, vor allem als Mikael Stanne auf die Bühne springt und mit seinen charakteristischen Growls loslegt. Der Sprung erfolgt dann sogleich ein Vierteljahrhundert zurück in Form von 'Cathode Ray Sunshine'. Nach den beiden Titeln gönnt sich Mikael zum ersten Mal etwas Zeit, um das jubelnde Publikum zu begrüßen. Seine sympathische Art und seine Frontmann-Qualitäten sind mittlerweile legendär, genauso wie seine Verrenkungen beim Singen. Aber man merkt ihm seine Freude auf der Bühne immer an und auch sein Kontakt mit dem Publikum ist immer sehr eng. Um die Battle "Köln vs. Andernach" wieder aufzugreifen: Natürlich haben DARK TRANQUILLITY in Köln als professioneller Headliner geliefert und müssen in Andernach nur noch um den Punkterhalt spielen. Die aktuelle Scheibe "Endtime Signals" stellt - wenig verwunderlich - einen Großteil des Sets dar. Neben dem Opener haben es noch 'Unforgivable', 'Wayward Eyes' und 'Not Nothing' in die Setlist geschafft. Auch heftige Titel mit ordentlichen Blasts wie 'Terminus' oder 'Nothing To No One' werden dargeboten und im Lauf des Gigs geht es vorne vor der Bühne trotz der Hitze immer besser ab.
Zwischenzeitlich kann man sich auf dem Weg zum Bierstand immer mal wieder ein Bild machen, wie voll die Halle heute wirklich geworden ist. Tatsächlich stehen die Besucher bei DARK TRANQUILLITY teilweise bis auf den vorderen Gangbereich, um durch den Eingang einen seitlichen Blick auf die Bühne zu erhaschen. Es ist richtig voll und dass der JUZ Liveclub schon Tage vorher "Tickets running low" gemeldet hatte, kam nicht von ungefähr. Der Club ist bis auf den letzten Zentimeter ausgereizt, die Wege zum Flüssigkeitsnachschub entsprechend schwierig und langwierig. Doch mit dem Warnruf "Kalt und flüssig!" tut sich immer wieder hier und da ein Schlupfloch auf, denn niemand möchte das schlabbernde Bier im Kragen haben. Mir ist es allerdings ein Rätsel, wie Mikael bei diesen Temperaturen bis zuletzt mit der Lederjacke bekleidet seine Action auf der Bühne abfeuert, während die Bandkollegen ganz klar das T-Shirt bevorzugen. Als Überraschung kündigt er im letzten Drittel einen Song an, den die Band angeblich noch nie live gespielt hat: 'Empty Me' vom 2007er "Fiction" wird in der fetten Soundwand dargeboten, bevor der Gig langsam in die letzten Songs einmündet. 'Therein' ist als letzter Titel vermutlich auch der älteste Titel des Abends und beendet das reguläre Set. Nach einer langen und beeindruckenden Leistung gönnen sich die Schweden natürlich eine angemessene Pause, nachdem sie sich erstmalig beim Publikum bedankt haben. Aber das Publikum lässt sie nicht gehen und so beenden drei weitere Zugaben ein fulminantes Konzert, welches mit 'Misery's Crown' endet.
Fazit: Auch wenn ich mich anfangs über einen Abend mit anderen Bands als denen, die ich vor wenigen Monaten erst auf Tour gesehen habe, noch mehr gefreut hätte, hat sich dieses Paket im eigentlich schon unterdimensionierten JUZ-Liveclub als richtiger Kracher entpuppt. Selbst DARK TRANQUILLITY, die sich in Köln keine Blöße gegeben haben, profitierten bei gleicher spielerischer Leistung vom engen Kontakt mit dem Publikum und dem fabelhaften Sound. Was mal wieder zeigt, dass "größer" nicht unbedingt "besser" bedeutet. Und das ist auch ein Grund, warum es viele Gründe gibt, eine Tour in Andernach zu besuchen als sonst irgendwo in den nächsten Metropolen. Der direkte Vergleich zu Köln mit der mehr als doppelten Besucherzahl spricht ganz klar dafür, dass Clubhallen in dieser Größenordnung viele Vorteile in Bezug auf Publikumsnähe und Sound bieten, was sich unmittelbar auf die Performance und das Erlebnis auswirkt. In diesem Sinne: Auf die nächsten 50 Jahre! Man sieht sich in Andernach!
Einfach den Schildern zum Sportzentrum folgen. Der JUZ-Liveclub liegt hinter dem Kandi-Kletterturm gegenüber dem Trampolino. Parkplätze gibt es in der ganzen Straße in ausreichender Menge. Für Mahlzeiten empfehlen wir die Pizzeria an den Tennishallen schräg gegenüber, an gut besuchten Tagen steht auch ein Imbisswagen mit vortrefflichen Frikadellenbrötchen und Würstchen/Pommes vor der Tür.