Interview mit Jocke Berg von Hardcore Superstar

Ein Interview von Elvis vom 16.06.2015 (11586 mal gelesen)
Nach dem starken neuen Album "HCSS" stand uns Sänger Jocke Berg von HARDCORE SUPERSTAR Rede und Antwort. Lest selbst mehr über die Entstehung des neuen Albums, was ihn von seinen Bandkollegen auf Tour unterscheidet, ob er selbst sich auch gelegentlich noch Gigs anschaut. Zudem drücken wir einfach mal die Daumen, dass HARDCORE SUPERSTAR wirklich irgendwann mal in der Essigfabrik in Köln eine Live-DVD filmen. Viel Spaß!

Vielen Dank, Jocke, dass Du Dir die Zeit für ein Interview nimmst! Ich habe die erste Show Eurer letzten Tour in London gesehen, das war wirklich wieder mal super. Das tolle neue Album "HCSS" ist auch ein Schritt in die richtige Richtung. Ich finde, es ist aber doch recht anders als das letzte Album, oder?

Jocke Berg: Danke! Ja, das stimmt. Ich glaube, es hat deutlich mehr Grunge-Einflüsse als die vorherigen Alben. Unser letztes Album "C'mon Take On Me" hatte zwar auch schon ein bisschen was davon, aber hier ist es deutlich mehr. Das fällt vor allem bei den Gitarren-Riffs auf, die gehen deutlich mehr in Richtung Grunge.

Wenn ich das richtig mitbekommen habe, wurdet Ihr ja von einem alten Demo, was ein Fan Euch bei einem Konzert gab, auf die Idee gebracht, ein paar alte Songs aufzunehmen. Habt Ihr die einfach neu aufgenommen oder wurde auch nochmals daran geschrieben?

Jocke Berg: Wir haben die schon nochmals überarbeitet. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die Songs 'Fly', 'Glue' und 'Growing Old'. Wir hatten wirklich das Gefühl, dass es eine echte Verschwendung wäre, wenn die in der Versenkung verschwinden würden. Also haben wir uns nochmals damit hingesetzt, an den Arrangements gefeilt und grundsätzlich dafür gesorgt, dass sie zu HARDCORE SUPERSTAR 2015 passen. Ansonsten haben wir diverse neue Songs geschrieben und die sieben besten davon rausgepickt, die sich mit den drei genannten Songs am besten ergänzen.

Also ist "HCSS" eine Mischung von altem und neuem Material.

Jocke Berg: Genau, drei "alte" Songs und sieben ganz neue Titel.

Würdest Du sagen, genau SO möchten HARDCORE SUPERSTAR 2015 klingen? Die letzten paar Alben waren ja doch in einem eher einheitlichen Stil, finde ich.

Jocke Berg: HARDCORE SUPERSTAR war noch nie eine Band, die immer wieder das gleiche Album veröffentlichen will. Das kann man insbesondere bei diesem Album auch hören. Ob das nun die Richtung ist, die wir einschlagen wollen, kann ich Dir nicht sagen. Selbst wenn die Riffs mehr Grunge-Charakter haben, es ist ja immer noch meine Stimme und damit auch HARDCORE SUPERSTAR. Wir sind eine der wenigen Bands, die sich das quasi auch erlauben kann. Letztlich haben die Leute ja immer noch meine nervige Stimme dabei! (lacht) Wir kommen damit also durch, es so zu machen. Ob das nächste Album dann ähnlich klingen wird, kann ich ganz ehrlich nicht abschätzen. Das ist noch viel zu früh dafür.

Ihr seid ja jetzt bei einem neuen Promoter und nicht mehr bei Nuclear Blast, richtig?

Jocke Berg: Ja, wir waren nicht unzufrieden mit Nuclear Blast, aber sie haben einfach unheimlich viele Bands an Bord. Da wir nicht unbedingt die größte Band bei ihnen waren, ist es da nicht allzu einfach, wirklich bemerkt zu werden. Deswegen sind wir jetzt wieder bei Gain und Sony. In Skandinavien waren wir da schon immer, das war also kein wirklich großer Schritt.

Hat Nuclear Blast eigentlich in irgendeiner Weise Euch versucht zu beeinflussen? Zum Beispiel, dass Ihr auf eine bestimmte Weise klingen sollt?

Jocke Berg: Ehrlich gesagt, die haben uns eigentlich gar nichts gesagt. Wir sind auch keine Band, die auf so was wirklich hören würde. Music For Nations hat das damals mal versucht und meinte, ob es nicht toll wäre, wenn wir z.B. mehr wie THE HIVES klingen würden. Nichts gegen THE HIVES, ich liebe sie, aber ich bin nicht Howlin’ Pelle Almqvist. Wir sind zwei komplett unterschiedliche Sänger, weswegen das auch gar nicht funktioniert hätte. Keine Ahnung, ob das eine dumme Frage von ihnen war, aber das hätte daher auch gar nicht funktioniert.

Du hast ja wirklich eine sehr besondere Stimme, so, wie Du bei HARDCORE SUPERSTAR singst, hat das ja einen enormen Wiedererkennungswert. Wie anstrengend ist das für Deine Stimme, so zu singen? Das habe ich mich schon immer gefragt, wenn ich manche Songs gehört habe.

Jocke Berg: Da mache ich mir nicht viele Gedanken drüber, das ist nun mal meine Stimme. Es ist natürlich nicht gut, wenn ich mir eine Erkältung fange, grade weil ich einen relativ großen Stimmumfang habe. Ich mache jeden Abend mein fünfzehnminütiges Warm-Up für die Stimme vor der Show. Insbesondere trinke ich wenig auf Tour, das ist nämlich wirklich Gift für die Stimme. Es ist schon lustig, da sind wir wochenlang auf Tour und zum ersten Mal wirklich betrunken bin ich dann vielleicht mal bei einem Tag ohne Gig. Leichtes Bier geht, wie bei den meisten Kerlen. Da trinke ich dann vielleicht 5-7 Bier am Tag, aber wirklich betrunken macht das ja über die Distanz dann nicht. Die anderen Jungs können sich anderes auf Tour erlauben, aber harte Sachen gehen für mich als Sänger auf Tour fast gar nicht. Ich muss dann schlafen oder zumindest ruhig sein (lacht).

Das klingt logisch. Wie kamt Ihr eigentlich auf die Idee, auf der Tour zum Release das ganze neue Album zu spielen? Das ist ja schon mutig.

Jocke Berg: Letztlich haben wir das nur bei den ersten paar Shows gemacht. Es war eine Idee, die vorher aufkam, aber als wir probten, stellten wir selbst fest, dass es keine allzu gute Idee war. Wir haben zumindest fünf neue Songs in der Set List, gemischt mit den alten Songs. Die Fans wollen die Klassiker ja auch hören und da sind zehn neue Titel einfach zu viel. Keine Ahnung, wem das überhaupt eingefallen ist, aber das haben wir nicht beibehalten.

Die Idee fand ich zumindest interessant, und Martin fragte mich nach der Show sogar, ob ich die Set List so ok fand mit den ganzen eingestreuten neuen Titeln. Er schien mir da nämlich selbst auch unsicher.

Jocke Berg: Ich bin ja selbst auch Fan mancher anderen Band. Aber auch da wäre ich eher nicht begeistert, wenn weitestgehend nur Songs gespielt werden, die ich nicht kenne. Auf die Weise, dass wir ein paar neue Songs einstreuen und ich ansonsten ein paar Takte dazu sage, gefällt es mir selbst besser. In London warst Du dann einer der Glücklichen, die das ursprüngliche Konzept gesehen haben. Da haben wir dann insgesamt sieben neue Titel performt, glaube ich.

Ich fand es auf jeden Fall gut, dass ich dadurch fast alle Songs des Albums schon mal live gesehen und gehört habe. IRON MAIDEN haben es z.B. vor Jahren ja mal beim "A Matter Of Life And Death" Album getan und erst die komplette Platte auf der Tour gespielt und danach noch eine Hand voll Klassiker drangepackt. Das war für mich persönlich schön, weil ich das Album klasse fand, aber viele Fans waren doch ziemlich vor den Kopf gestoßen.

Jocke Berg: Die Fans wollen eben die Hits. Na ja, wir sind ja auch schon alte Herren mittlerweile.

Hey, sooo alt seid Ihr ja nun auch nicht!

Jocke Berg: Ach was, ich bin mittlerweile verdammt 40! Aber hier drin (klopft sich auf die Brust und lacht) bin ich immer noch 15.

Was sind denn Eure nächsten Pläne nach dem Album-Release und der Tour? Im Sommer die Festivals, nehme ich an, und dann?

Jocke Berg: Ein bisschen Zeit mit unseren Familien bleibt vor den Festivals zum Glück noch. Das "Bang your Head" mag ich hier von den Festivals zum Beispiel sehr. Es ist schön familiär, ein bisschen so wie das "Sweden Rock".

Gehst Du eigentlich selbst noch gelegentlich zu Gigs anderer Bands oder zu Festivals? Oder hast Du das quasi langsam hinter Dir als Zuschauer?

Jocke Berg: Manchmal kommt es noch vor, meistens aber eher auf Tour. Da kann es vorkommen, dass ich mal an einem freien Tag ein Konzert anschaue, wenn es grade passt. Das war z.B. CANNIBAL CORPSE vor einiger Zeit. Wenn ich zwischen Touren zuhause bin, würden meine Frau und meine drei Töchter mir auch was erzählen, wenn ich dann dauernd zu irgendwelchen Gigs fahren würde (lacht). Privat höre ich auch eher andere Sachen als HARDCORE SUPERSTAR. HATEBREED und Konsorten mag ich etwa sehr gern. So was könnte ich aber stimmlich nicht machen, obwohl ich solche Musik wirklich mag.

Ihr seid ja insgesamt schon ziemlich viel auf Tour. Heutzutage ist das aber wahrscheinlich auch wichtig, weil es ja auch Geld einbringt, oder?

Jocke Berg: Definitv ist es das. Wir sind aber tatsächlich sogar eine der wenigen Bands, die in Schweden zum Beispiel wirklich noch was mit Platten verdienen. Das sind keine Millionen, aber es ist immerhin etwas. Ansonsten muss man natürlich touren, wie du schon sagst. Immerhin sind wir z.B. in Deutschland auch immer ordentlich unterwegs.

Habt Ihr denn noch irgendwelche normalen Jobs nebenher?

Jocke Berg: Letztlich bin ich der einzige von uns, der noch einen hat. Das liegt daran, dass ich früher als Anstreicher im Baubereich gearbeitet habe und das immer noch bei meinem alten Boss tun kann. Ich bin da mittlerweile aber ein Aufseher. Mein Boss ist da sehr nett, weswegen ich dann arbeiten kann, wenn ich möchte, und wenn ich eine Auszeit brauche wegen der Band, dann ist das auch kein Problem. Gestern hat er mir noch eine SMS geschickt, dass er mich vermisst und sich freut, wenn ich wieder da bin (lacht). Guter Boss!

Jeder, der normal arbeitet, weiß, dass es ja vielleicht geht, mal einen Tag oder zwei hier und da freizubekommen, aber nebenbei eine funktionierende Band mit Tour und allem stelle ich mir sehr schwierig mit einem regulären Job vereinbar vor. Da ist das wirklich sehr nett für Dich. Hast Du Dir z.B. schon mal die Tourdaten angeschaut, die z.B. MANOWAR seit Jahren fahren?

Jocke Berg: Nein, wie kommst Du drauf?

Die Tourdaten liegen immer sehr dicht gepackt innerhalb eines kurzen Zeitraums oder sind direkt um Wochenenden herum. Die armen Jungs müssen offenbar jeweils Urlaub einreichen bei ihrem Arbeitgeber. Und wenn man sich mal überlegt, MANOWAR sind nun kein kleiner Name im Metalbereich...

Jocke Berg: Ernsthaft???

So weit ich weiß, hat nur Joey DeMaio keinen regulären Job neben der Band.

Jocke Berg: Ich glaube, vieles wäre echt anders ohne das Internet. Es war wirklich früher was anderes: Man kaufte sich eine Schallplatte, rannte nach Hause und beschäftigte sich erstmal nur mit der neuen Platte, die man da grade gekauft hatte. Ich liebe so was noch immer. Aber diese Zeiten sind wohl vorbei.

Ihr habt ja immerhin eine gute Merchandise-Palette zusätzlich. Das ist bei eurer, sagen wir mal, Größe auch nicht selbstverständlich.

Jocke Berg: Stimmt, und demnächst verkaufen wir sogar Skateboards.

Passt doch gut, Du bist ja auch schon oft genug in Sachen von Vision Street Wear auf der Bühne gewesen. Ist ja auch schön, dass sich das Merchandise gut verkauft.

Jocke Berg: Genau, und irgendwie kann ich mir sogar vorstellen, dass die Idee mit den Skateboards gar nicht so schlecht ist. Zuletzt hatten wir 13 verschiedene Designs dabei. Ich finde auch schön, dass Vinyl scheinbar ein Comeback hinlegt.

Das gefällt mir auch. Sammler gibt es offenbar immer noch. In diesem Zusammenhang, kommt vielleicht noch mal eine neue DVD oder BluRay raus? Die letzte war ja "Live At Sticky Fingers" und die ist doch schon lange her und mittlerweile schwer erhältlich.

Jocke Berg: "Live At Sticky Fingers" mochte ich eh nicht sonderlich, das war mir zu amateurhaft aus heutiger Sicht. Wir reden immer mal wieder über das Thema "Konzertvideo", aber es ist noch nicht konkret. Am liebsten wäre mir dafür auch eine kleinere Location und nicht so was wie ein Festival, da wir dort am besten funktionieren. Die Essigfabrik in Köln, in der wir die letzten Jahre häufiger waren, fände ich selbst z.B. richtig gut dafür. Aber da haben natürlich noch ein paar andere Leute ein Mitspracherecht. Ich würde es da jedenfalls sehr gern filmen.

Das wäre bestimmt auch eine gute Location, ihr kommt ja beim Kölner Publikum eh immer bestens an. Ok, die letzten Worte gehören dann Dir!

Jocke Berg: Danke an unsere deutschen Fans, wir kommen immer sehr gerne nach Deutschland und wir sehen uns hoffentlich auf den Festivals im Sommer oder bei der nächsten Tour. Und hört Euch unser neues Album "HCSS" an!

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