Interview mit Kadavrik von Kadavrik

Ein Interview von Opa Steve vom 07.02.2012 (9159 mal gelesen)
Auf der Tour mit NAPALM DEATH trafen wir die junge Truppe vom Niederrhein in Koblenz, wo sie sich ausdauernd (und vollzählig) unseren Fragen stellten.

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Herzlich willkommen in Koblenz - das ist jetzt eine kleine Wochenend-Tour, die ihr macht, oder?

Kadavrik: Nein, es kommen noch ein paar Konzerte dazu. Wir spielen nochmal bis April mit NAPALM DEATH.

Seid ihr jetzt am Stück mit NAPALM DEATH zusammen?

Kadavrik: Ne, die machen auch nur kleine Wochenend-Touren. Und wenn möglich stoßen wir halt dazu.

Ist das jetzt eins der ersten Konzerte, und wie läuft's bisher?

Kadavrik: Es ist das dritte, und es läuft sehr gut! Vor allem gestern in Cham. Das war auf jeden Fall ein ganz tolles Konzert. Es war sehr voll, und wir konnten gut überzeugen. Wir wussten halt nicht, wie wir mit dem Grindcore-Publikum harmonieren, aber das hat dann doch ganz gut funktioniert. Man muss sich nur dranhalten.

Und NAPALM DEATH als Gastgeber funktioniert auch prima?

Kadavrik: Absolut. Völlig unkompliziert.

Ihr habt ja jetzt vor der neuen Scheibe ein paar Re-Releases rausgebracht. Was war die Idee dahinter, denn die Scheiben sind ja noch nicht so alt...

Kadavrik: Es ist halt so, dass wir diese Scheiben selbst rausgebracht hatten - ohne Label. Wir haben sie auf Konzerten verkauft, aber sie hatten eben nicht die große Plattform. Wir haben sie halt jetzt anlässlich unseres Label-Deals nochmal rausgebracht, um uns ins Gedächtnis zu bringen, bevor die "Noah" rauskommt. Und das war eine gute Idee.

Sind die Re-Releases eigentlich identisch mit den ersten Veröffentlichungen, oder habt ihr noch was beigelegt - Bonustracks oder so?

Kadavrik: Die Musik ist identisch. Wir haben nur ein neues Artwork gemacht; wir haben uns für das Artwork sogar nass gemacht - sind in einen See gesprungen, ins Schwimmbad...

... was man auf Youtube ja schön sehen kann. Jetzt ist ja "Noah" rausgekommen - wie sind die Reaktionen bisher?

Kadavrik: Äh - unterschiedlich! Also die einen feiern's, die anderen finden es zu abwechslungsreich. Denen fehlt dann der rote Faden. Viele finden das eben toll, dass wir viele Stile verwenden, und anderen Leuten ist das vielleicht ein bisschen zu viel. Manche kritisieren dann eben das, was wiederum andere gerade gut finden. Ein Review nannte uns z.B. "schrecklich unentschlossen".

Das heißt, "Noah" spaltet ein bisschen?

Kadavrik: Das ist vielleicht auch gerade gut. Aber grundlegend sind die Kritiken schon sehr positiv. Es war uns aber auch schon bewusst, z.B. haben wir am Anfang von 'High Rollin' einen Techno-Beat. Da war uns schon klar, dass uns der eine oder andere aus Prinzip verreißen würde.

Ihr habt ja auch zum ersten Mal deutsche Texte verwendet. War das eine schwierige Entscheidung?

Kadavrik: Wir haben ganz am Anfang schon darüber geredet, aber eigentlich stand die Entscheidung nicht wirklich zur Debatte. Wir wollten einfach mal was anderes ausprobieren, und es bot sich einfach an, weil wir ja ein Konzeptalbum machen wollten, welches eine Menge erzählt, und auch sehr kritisch ist. Und sowas kann man auf Deutsch einfach am besten ausdrücken. Wenn man sich bisschen Mühe gibt klingt das auch nicht billig.

Also keine Angst, mit der Neuen Deutschen Härte in einen Topf geworfen zu werden?

Kadavrik: Nein. Also wir werden jetzt schon mal bisschen in die Gothic-Richtung abgeschoben, was ich aber nicht wirklich nachvollziehen kann. Aber ich finde es auch nicht schlimm. Die Vergleiche sind immer lustig. Wir sind immer schon gespannt, wenn wir ein Review lesen, was es diesmal für ein Vergleich ist. Abgesehen davon haben wir auch früher auf einem Demo schon mal einen Song auf Deutsch gehabt. Daher war es nicht komplett fremd.

Wird es jetzt weitergehen mit deutschen Texten, oder war das eine einmalige Sache wegen der Story?

Kadavrik: Wir würden es nicht ausschließen, haben es aber bis jetzt nicht besprochen. Wenn es sich anbietet, auf dem nächsten Album wieder einen Track in Deutsch zu machen, warum nicht? Was aber keinen Sinn macht, ist, einfach Deutsch und Englisch zu mischen.

Wir sprachen ja eben über die Vermischung von verschiedenen Stilen. Ist das euer Ziel, oder passiert das einfach beim Songwriting?

Kadavrik: Wir nehmen uns das eigentlich nicht vor. In unseren Ohren macht es dann einfach Sinn, nach dem melodiösen Refrain einen Black-Metal-Part anzuschließen. Das klingt für uns natürlich und organisch, deswegen setzen wir das dann auch so um.

Und was hört ihr so privat?

Kadavrik: Sehr breit gefächert. Das geht von Deathcore über Melo-Death, Black Metal, Rock, Post Rock.

Keine Leichen im Keller, was keiner wissen darf, aber wir trotzdem schreiben werden?

Kadavrik: Der Christoph hört Dubstep! Das ist wirklich 'ne Leiche im Keller, hahahaha! Immer wenn wir zusammen saufen, dann ist der Abend so lange schön, bis der Herr Bosmann seinen Dubstep hört.

Christoph: Das soll jetzt nicht falsch verstanden werden, denn ich höre auch weiterhin Metal, aber zwischendurch auch mal ein bisschen Dub.

Ihr seid ja eine recht humorvolle Truppe - was man auch auf eurem Youtube-Kanal sieht. Und ihr spielt im Gegensatz dazu brutale Musik. Hat das schon mal jemand missverstanden, habt ihr schon den grimmigen Metal-Fan kennengelernt, der Death Metal und Lachen für nicht vereinbar hält?

Kadavrik: Ja! Ich weiß nicht, ob du unser Shirt "Mehr Hass" kennst. 2011 war das "Jahr des Hasses". Da gab es eine lustige Situation, als wir in Hannover mit GRAILKNIGHTS gespielt haben. Da kam ein Typ nach dem Konzert zu mir zum Merch-Stand und meinte: ja, seine Freunde fanden uns alle gut, er aber nicht. Er hat nicht begriffen, dass das mit dem Hass eine Art Persiflage ist. Und er kauft uns das nicht ab - wir seien ihm zu lieb. Ich sollte ihm demonstrieren, dass ich auch hassen kann. Und er meinte dann: "Ja, schau mich böse an, gib mir Hass, leg deine Hand um meine Kehle! Du willst mich töten!". Naja, ich hab ihm dann Hass gegeben, ich hab ihn angeschrien, hab ihn gewürgt - ürgslröchel - ja, und dann hat er auch eine CD gekauft. (allgemeines Gelächter). Seitdem haben wir uns überlegt, das als neues Marketing einzubauen, also Leute zu würgen. Ursprünglich entstanden ist die ganze Hass-Geschichte auf der GORGOROTH-Tour. GORGOROTH waren so was von hasserfüllt. Und wir hatten da einen Tourmanager, der Mann war derart voller Hass, das hat uns - äh - imponiert. Also vor dem hatte einfach jeder Respekt. Nun, wir blödeln auf der Bühne ja nicht rum, sondern machen eine ernsthafte Show. Aber es ist halt eine Show, die man macht. Niemand lebt diese ganze Aggression ja wirklich. Das macht ja keine Band - zumindest fast keine.

Die Promotion für "Noah" fand ich ganz interessant, mit den Nachrichtenspots und Interviews. Wo habt ihr denn die Leute dafür aufgetrieben?

Kadavrik: Also der Penner sitzt hier mit am Tisch, der alte Mann war Christophs Opa, der Bänker war mein Vater, die Familie waren meine Nachbarn - die haben sich noch ewig darüber schrott gelacht! Das war ein lustiger Tag.

Was ich auch geil fand war dieser Wohnzimmer-Gig. Wie kam es denn dazu?

Kadavrik: Das war eine super Sache! Ein guter Kollege von uns, der 500 Meter von unserem Proberaum wohnt, ist ausgezogen und sagte: "Leute, ich will noch eine schöne Abrissparty.". Jo, wieso machen wir dann kein Konzert in deinem Wohnzimmer? Dann haben wir halt mit dem Van alles dort hingefahren, alles aufgebaut, und eine richtig gute Party erlebt. Natürlich mit Polizei und allem, was dazugehört (Gelächter)! Ich glaube, die waren schon nach 10 Minuten da. Da wohnen locker 30 Parteien in diesem Gebäude, die wir allesamt jetzt gegen uns haben. Aber für ein gutes Video muss man halt ein paar wütende Nachbarn in Kauf nehmen.

Was macht ihr sonst so den ganzen Tag? Wie kommt ihr über die Runden, was läuft beruflich?

Kadavrik: Wir sind alle noch Studenten. Wir feiern schon viel, aber es sind auch viele Band-Sachen zu erledigen. Trotz Label. Interviews, Artworks, Videoschnitt, Promotion... man könnte eigentlich eine Vollzeitstelle mit der Band füllen. Wir brauchen einen Praktikanten, hehe!

Und wie wurden die Demos und Equipment finanziert?

Kadavrik: Wir haben alles reingeworfen, was wir hatten. Da spart man halt mal am nächsten Urlaub, den man gern machen würde, und steckt das Geld lieber ins nächste Album. Wenn's hart auf hart kommt, spart man es sich halt vom Mund ab. Da gab es schon Monate, wo man eben kürzer treten musste. Das klingt jetzt bisschen dramatisch, aber es ist halt so - manche Leute fliegen lieber nach Malle, und wir haben halt ein geiles Album im Schrank stehen.

Wir hatten eben ja von dem ernsten Death Metal auf der einen, aber dem lustigen Leben auf der anderen Seite gesprochen. "Noah" hat ja doch ein ernstes Konzept. Wie ist das aus der Perspektive der jungen Jahre: ist die Welt am Abgrund?

Kadavrik: Ich glaube, keiner von uns glaubt daran, dass 2012 die Welt untergeht. Ich denke aber, dass wir in einem heuchlerischen Zeitalter leben und viele Probleme unterdrücken, die bald vielleicht aufkochen werden. Wir werden noch erleben, dass sich einiges zum Schlechten wenden wird. Wobei "Noah" selbst eine Anti-Utopie ist. Es geht darum, dass die Superreichen eine Arche bauen, um der kaputten Welt zu entkommen. Und sie überlassen die Welt ihrem Schicksal. Und es sind nur die Überprivilegierten, die eigentlich für das Übel auf der Welt verantwortlich sind, die sich einen Platz auf der Arche leisten können. Das passt aber einigen nicht. Es gibt eine Untergrund-Bewegung; Rebellen, die die Arche vom Himmel schießen. Damit sind dann die Bänker alle tot. Es gibt ein Bild im Booklet, wo die Arche in der kaputten Städtelandschaft liegt, und 5 kleine Beobachter gucken sich das so an. Das sind wir. Das Ende des Konzepts ist offen - der Drops ist gelutscht, die Verantwortlichen tot, es ist alles kaputt. Aber es gibt auch Raum für einen Neubeginn. Es ist auch offen, ob die Welt nun die Führung von Eliten braucht. Es ist auch schwierig, weil alle in der Band teilweise andere Sichtweisen darauf haben. Und auch die Texte sind von dreien von uns geschrieben, so dass da jeder eine bestimmte Vorstellung hat.

Würdet ihr ein Konzeptalbum nochmal wiederholen?

Kadavrik: Da gibt es keinen festen Plan. Ausschließen würden wir es nicht, die Musik ist auch schon geschrieben, aber die Texte eben noch nicht. Da ist noch alles offen. Wir haben auch bis vor einem Monat nicht daran gedacht - der nächste Geistesblitz steht noch aus. Das schöne an Konzeptalben ist aber, dass man es auch gut bildlich darstellen kann. Wir haben ja mit unserem Zeichner etwas geschaffen, wo man sehen kann, was wir uns vorgestellt haben. Das gibt dem Text noch ein bisschen mehr Tiefe.

Wollt ihr mit der Story unterhalten, oder auch ein politisches Statement abgeben?

Kadavrik: Ich glaube, es ist mehr Unterhaltung. KADAVRIK ist keine politische Band. Es ist eine Band, die sich auf einer Art Meta-Ebene mit menschlichen Werten beschäftigt. Wir mögen das Wort "Gesellschaft" nicht so, wir sind halt näher am Menschen. Abseits vom System. Nennen wir's "Beobachter", wir besingen das Ganze. Wir stellen ja auch beide Blickwinkel dar. Der eine Track, der quasi die Elite beschreibt, die jetzt abhebt und sich selbst feiert. Und der andere Track handelt von den Rebellen, die das nicht auf sich sitzen lassen wollen. Der letzte Track ist aus Sicht des Beobachters, der den Feuersturm sieht.

Habt ihr sonst noch Pläne für die nächste Zeit, oder wollt ihr erst alles sacken lassen?

Kadavrik: Sacken lassen geht bei uns zwischendurch. Vor allem wenn wir jetzt sehr viel live spielen. Nachdem nun das letzte halbe Jahr nur noch das Album im Kopf war, wird's jetzt auch live wieder richtig rundgehen. Es sieht mit Booking-Anfragen richtig gut aus. Bisschen die Musik an den Mann bringen, und auf keinen Fall vom Gaspedal gehen. Das ist der Fehler, den viele Bands machen. Die wollen sich Ruhe gönnen. Das nützt nix, da muss man dranbleiben. Aber ich hab gehört, ich bin in den letzten 2-3 Tagen irgendwie älter geworden. Das ist immer so auf Tour. Nach paar Tagen kriegt man Falten oder so. Ich krieg Falten, Chris kriegt Augenringe, und Han kriegt die Suffhaare (Gelächter). Man kann bei unserem Keyboarder tatsächlich anhand der Haare erkennen, wie betrunken er ist! Je mehr Alkohl er hatte, umso mehr stehen sie...

Han: Jetzt hab ich meinen Ruf weg....

Wir lassen das letzte Wort immer der Band - wenn ihr also noch ein schönes Statement an unsere Leser habt, könnt ihr es nun loswerden!

Kadavrik: Wir haben ja am Anfang darüber gesprochen, dass das Album sehr vielseitig ist. Wir hoffen einfach, dass das Album von den Leuten komplett durchgehört wird, sich alle eine eigene Meinung dazu bilden, und wir hoffen, dass unser Stilmix ankommt. Es ist auf jeden Fall ein Album, was man sich am Stück anhören muss. Die Leute sollen uns googlen, es gibt viel Zeug von uns kostenlos im Internet. Und wem das gefällt, der sollte uns unterstützen und es sich komplett reinziehen. Ich denke, es ist es wert, sich mit uns zu beschäftigen. Es gibt viel zu finden.

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