Der Alltag eines Metal-Labels - das Beispiel von 7hard

Ein Artikel von Opa Steve vom 09.02.2015 (12119 mal gelesen)
Wie sieht eigentlich die Arbeit eines Labels aus? Wie fasst man im Business Fuß, und wie bekommt man mit sieben Leuten Interpreten von Voice-Of-Germany-Gewinner Andreas Kümmert über Ur-Punks von NORMAHL bis zu einer kompletten modernen Metal-Sparte unter einen Hut? Spannende Fragen, die uns Matthias Niemyt von der 7us Media Group bereitwillig beantwortete.
imgright

Ein Label gründet sich


Matthias kennt das Haus, unter dessen Dach 7 Labels seit 7 Jahren von 7 Personen geführt werden, schon von Anbeginn an. Er war Praktikant, als 7us von Gründer Hans Derer ins Leben gerufen wurde. Hans ist kein Unbekannter der Szene und schon 35 Jahre im Business. Er führte schon früher mit dem NORMAHL-Sänger, mit dem ihn eine lange Geschäftszeit verbindet, ein eigenes Label. Eigentlich wollte er nie wieder ein Plattenlabel ins Leben rufen und plante eigentlich nur ein Dienstleistungsunternehmen für Medienwerbung. Matthias erinnert sich noch:

Matthias: "Das Musikbusiness hat sich ja stark gedreht in den 90ern, und deswegen hat er gesagt: 'Ich mach nie wieder ne Plattenfirma!'".


Es sollte dann aber doch anders kommen, und so wurde das Label 7hard gegründet, welches sich unter dem Dach der 7us Media Group sogar als eins der erfolgreichsten entpuppte. Gute Kontakte sind dafür natürlich hilfreich, und da Hans schon lange genug im Business ist, haben Namen wie Ken Hensley (URIAH HEEP) oder Kee Marcello (EUROPE) natürlich eine Magnetwirkung auf andere Künstler:

Matthias: "Durch solche Namen wie Kee oder Ken Hensley denken dann auch junge Bands: da müssen Professionals am Start sein, wenn die schon solche Namen haben."


Gerade die Promotion-Arbeit sorgte für viele Connections auch zu weltweiten Vertrieben. Hierzulande arbeitete man schon mit H'Art, NMD und mittlerweile Membran zusammen. Prämisse ist dabei immer, dass Künstler auch vor allem in ihrem Heimatland ordentlich vertrieben werden, sodass die Zusammenarbeit grundsätzlich international ist. Nicht auch zuletzt die Affinität zur harten Musik vom CEO bis zum Team sorgen bei den 7hard-Bands für Nähe zum Künstler und tragen somit auch zum Erfolg dieses Labels bei. Und so kam es, dass ausgerechnet die härteste Sparte der mittlerweile sieben Labels zum Flaggschiff der Gruppe wurde.

Aber wie schafft man das, mit so wenigen Leuten heute eine Metalcore-Bands zu signen und morgen mit Gotthilf Fischer zu arbeiten? Und wie stellt man sich auf die unterschiedlichen Belange ein?

Matthias: "Wir haben das gar nicht als Spartending angefangen und mit unseren sieben Labels für Diversifikation gesorgt. So werden wir im Handel auch ganz anders wahrgenommen. Wir haben auch Major-Produkte wie Voice Of Germany-Gewinner Andreas Kümmert, natürlich jetzt nicht auf 7hard. Aber es ist schon richtig, dass man mit dem einen anders arbeiten muss als mit dem anderen."


imgcenter

Der Musikmarkt im Wandel


Bei 7hard, welches sich vor allem auf interessante Newcomer konzentriert, weht selbst für die Merch-wütigen und Tonträger-anbetenden Metalheads der Wind der Moderne in den Geschäftszahlen. Wie man es von der Chartmusik schon längst kennt gewinnt gerade bei den Newcomern der Bequemlichkeits-Gedanke der Käufer durch MP3-Konsum immer mehr die Oberhand:

Matthias: "Sagen wir so, die Majors verkaufen 70% im physischen Bereich, 30% Online. Bei uns ist es genau umgedreht."


meint Matthias dazu. Natürlich werden die physikalischen Tonträger nicht vernachlässigt, so dass sie zumindest in den Heimatländern der Bands im Regal stehen. Gerade für Newcomer ist das auch eine Herzensangelegenheit, das Debüt-Album in den großen Märkten zu sehen:

Matthias: "Seien wir doch ganz ehrlich: im physischen Geschäft ist es auch eine Image-Sache. Wenn ein Newcomer in 2015 sein Debüt-Album verkauft, dann ist es eine Image-Sache, dass es sein Album im Markt zu kaufen gibt. Aber dass dann wirklich jemand da reinläuft und eins kauft, das wird halt immer seltener."


Dies schlägt sich auch in den Auflagenzahlen nieder. Eine 1000er Pressung eines neuen Albums ist erst mal Standard, nachpressen kann man im Fall eines gut laufenden Albums auch schnell mal. Aber so minimiert das Label das Risiko einer zu großen Lagerhaltung, denn auch 1000 CDs müssen erst einmal an den Mann gebracht werden. Die Bands sind hierbei auch gefordert, denn gerade bei Bands mit guter Live-Präsenz ist der Vor-Ort-Verkauf von der Bühne oder vom Merchstand manchmal lohnenswerter als der im Laden. Gerade Künstler, die noch die goldenen 80er mit 6-stelligen Verkaufszahlen erlebt haben, müssen sich teilweise mit Wehmut an diese Wandlung des Marktes erst gewöhnen:

Matthias: "Wir haben auch ältere Bands, die das neue Business gar nicht so kennen oder nicht verstehen, warum man jetzt keine 5000 Dinger herstellt ..."


Was macht eigentlich so ein Label, wenn es nicht gerade Scheiben verkauft?


Eine klassische Unterschätzung des Aufwands schildert Matthias folgendermaßen:

Matthias: "Manche kommen mit einem selbstrecordeten Demo, denken, die geben das ab, unterschreiben den Vertrag, lehnen sich zurück und warten einfach, bis das Geld fließt. So Leute gibt es selten, aber sie gibt's."


Da sich CDs oder Online-Lizenzen nicht von selbst verkaufen, ist der Schwerpunkt die Promotion. Man muss die Bands über den Vertrieb an die Einkäufer des Handels bringen, aber auch an die Booker für Gigs. Die logische Kette ist dabei eine gute Promotion, diese führt zum Booking, und mit guten Gigs verkauft man auch gut die Tonträger. Darin besteht die Hauptaufgabe des Teams hinter 7us, und der Vorteil ist auch, dass diese Arbeiten genreübergreifend fast identisch sind, so dass man mit der großen Stilvielfalt problemlos arbeiten kann:

Matthias: "Arbeiten wie Künstlerbiografie aufarbeiten, Unterlagen vorbereiten, Promotionplan sind überall gleich. Wir setzen uns dann im Team zusammen und sprechen das durch, wie wir vorgehen wollen. Online-Promotion, Print-Promotion, reicht es vielleicht für TV, falls sie nicht arg Death sind ..."


Auch moderne Social Media Plattformen werden hierfür genutzt, aber natürlich auch die klassische Bemusterung.

Matthias: "Wir tragen Argumente aus Bemusterung der Medien, Features oder Reviews von Bleeding4Metal & Co. an unseren Vertrieb heran. Mit diesen Produktmappen tritt der Vertrieb dann an die Disponenten heran."


Dies kann ziemlich zeitaufwändig sein, gerade weil große Ketten wie Media Markt & Co. keinen zentralen Einkauf haben. Da kann es durchaus passieren, das in Köln ein Hip-Hop-lastiger Einkäufer sitzt, während in Berlin auch Metal gut die Regale füllt.

Was erwartet die Band?

imgright
Dass die meisten Bands von sich und ihrem Tun überzeugt sind, daran besteht kein Zweifel. Man muss sich aber realistisch vor Augen halten, dass man heutzutage schon mit vergleichsweise geringem Budget im Proberaum ordentliche Aufnahmen hinbekommen kann. Dementsprechend groß ist die Anzahl Bands, die sich ein Demo leisten können und dieses natürlich auch zwecks Bewerbung an die Plattenfirmen verschicken. Bei 7hard gehen pro Woche 3-5 Bewerbungen von Bands ein, die auch alle gehört werden und man erhält als Band ein qualifiziertes Feedback - auch bei einer Ablehnung. Da man als Label natürlich nur die vielversprechendsten Acts signen möchte, muss man neben den musikalischen Qualitäten auch noch andere Vorteile mitbringen, nämlich eine professionelle Einstellung: eine Mappe mit Tonträger, Presse-Fotos, Live-Historie und Discografie sowie allen nötigen Infos kommt da natürlich besser an als eine Mail mit einem lieblosen MP3-Link. Und diese Dinge sind nicht von ungefähr wichtig, wie die Erfahrung zeigt:

Matthias: "Wenn es dann zu einem Vertrag kommt, dann merkt man das später auch im Verlauf, dass diese Bands auch professioneller arbeiten können."


Aber auch die Produktion der Scheibe muss den heutigen Ansprüchen genügen. Einfach nur ein gutes Demo aus dem Proberaum mag zwar ordentlich klingen, aber für 3000-5000 Euro empfiehlt sich dennoch ein Studio-Aufenthalt für den letzten Schliff, ohne dass man sich zwangsläufig ins Segment der Hifi-Onanisten begeben muss. Mit einer solchen Antwort muss man als Band rechnen, auch wenn man noch so stolz auf den Sound der eigenen Aufnahme ist.

Wenn dann aber Musik, Sound und Einstellung der Band stimmen, dann stehen die Chancen gut, dass sich 7hard für einen Vertrag mit der Band entscheidet. Dessen Gestaltung hängt davon ab, ob die Band schon ein fertiges Produkt in der Hand hält, welches nur noch vertrieben werden muss, oder ob in Zusammenarbeit mit 7hard eine CD-Produktion erst angegangen wird. Im ersten Fall erhält die Band einen Vertriebsvertrag, da sie ja schon die Kosten für die Tonträgererstellung selbst getragen hat. Bei einem Vertriebsvertrag erhält sie logischerweise auch einen größeren Anteil der Einnahmen. Wenn das Produkt aber erst noch gemacht werden muss, gibt es in der Regel einen sog. Lizenz- bzw. Bandübernahmevertrag, d.h. das Label erhält von der Band einen fertigen Master der Aufnahmen und erstellt davon die CD-Auflage. Hier gibt es 16% Lizenzbeteiligung für die Band. Allerdings muss man betonen, dass auch keinerlei finanzielle Risiken auf die Band abgewälzt werden. Sie muss sich nicht erst in den Vertrieb über Online-Musikportale "einkaufen" oder sonst wie beteiligen, und sie kann auch erwarten, dass von 7hard auch nochmal paartausend Euro in die Promotion gesteckt werden. Zusätzlich gibt es noch die Hälfte der Einkünfte aus dem Online-Income.

Es ist klar, dass ein vergleichsweise kleines Label neben den Promotionkosten keine zusätzlichen finanziellen Risiken übernehmen kann. Man sollte nicht erwarten, dass man nach der zweiten CD ins Vorprogramm von NIGHTWISH gebucht wird oder eine Clubtour durch Deutschland erhält, denn solche Slots und Tourfinanzierungen sind mit enormen Kosten verbunden, die sich gerade in der Newcomerförderung gerade am Anfang nicht tragen. Nichtsdestotrotz stehen Booking-Partner wie z.B. Redlion zur Seite, zu denen ein guter Kontakt besteht, und die Band kann hier in Eigeninitiative tätig werden und mit der Agentur abschätzen, was machbar ist.

Gerade für Neulinge auf dem Markt ist das Thema GEMA ein heftig diskutiertes. Auch hierzu unterhielten wir uns mit Matthias, der dazu eine sehr ambivalente Meinung hat. Aus seiner Erfahrung kann sich die GEMA lohnen, wenn sich eine Scheibe halbwegs gut verkauft. Aufgrund der spürbaren Anmelde- und Jahresgebühren rät er aber, dass sich nur ein oder zwei Bandmitglieder als Autoren dort anmelden und die Tantiemen wie Kosten privat geteilt werden. Auch können GEMA-registrierte Bands bei 7us den labeleigenen Verlag nutzen, was sich finanziell sogar mehr lohnen kann als die puren Einnahmen über die mechanische Vervielfältigun. Auf der anderen Seite verteuert eine GEMA-Mitgliedschaft natürlich auch die Live-Auftritte wegen der fälligen Gebühren, und wenn ein Booker oder ein Club das Geld nicht selbst tragen möchte, dann hat man als GEMA-freie Band natürlich eine wesentlich bessere Verhandlungsbasis. Auch hier gilt wie immer im Musikgeschäft: je besser man ist, umso besser ist die Verhandlungsposition!

Wer möchte, kann sich dem spannenden Thema der Label-Arbeit auch gerne "von innen" nähern! Bei 7us gibt es regelmäßig Praktikantenplätze, wo ihr auch für euer fachbezogenes Studium die entsprechenden Praxissemester machen könnt. Das Feedback von den bisherigen Praktikanten war stets gut, und wenn ihr mit eurer Band dann durchstarten wollt, ist euch die Arbeitsweise schon bestens bekannt und ihr wisst, worauf es ankommt. Und wer weiß: Vielleicht ist es demnächst eure Band, die bei uns zur Rezension vorliegt?

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

1
(10.04.2015 von sample@email.tst)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten