Interview mit Juha Raivio von Trees Of Eternity

Ein Interview von Opa Steve vom 20.11.2016 (8248 mal gelesen)
SWALLOW THE SUN-Gründer Juha Raivio überraschte mit einem beeindruckenden Dark Metal-Projekt mit der zwischenzeitlich verstorbenen Sängerin Aleah Starbridge. Durch den tragischen Hintergrund dieses Albums und Juhas Herzensangelegenheit in dieser Sache entstand eines der ganz besonders persönlichen Interviews.

Hallo Juha, "Hour Of The Nightingale" ist nun veröffentlicht worden. Das Album hat einen tragischen Hintergrund, denn eure Sängerin Aleah Starbridge verstarb nach den Aufnahmen. Was fühlst du, wenn du nun das fertige Werk in den Händen hältst?

Juha Raivio: Ich könnte nicht stolzer auf dieses Album und Aleah sein. Die Welt wird nun merken, was für eine Künstlerin wir verloren haben. Sie wäre ein großer Star in der Zukunft geworden. Aber dieses Album herauszubringen ist für alle Fans draußen sehr wichtig, und am allerwichtigsten ist es für mich persönlich, da wir Jahre daran gearbeitet haben und unser Traum war, dass diese Scheibe irgendwann veröffentlicht wird.

Gab es in den letzten Monaten Momente, wo du dir die Songs nicht anhören konntest?

Juha Raivio: Nein. Selbst wenn die Arbeit an diesem Release lang und schmerzhaft war und für mich vermutlich emotional das Härteste, was ich je getan habe. Aber der Stolz in Aleahs Musik und die Bedeutung dieses Albums überstrahlt diese Gefühle und gibt einem die Kraft, daran zu arbeiten. Es ist mein Versprechen an sie und auch an mich selbst, so viel von ihr und unserer Musik wie möglich herauszubringen und das ist noch meine Aufgabe für die nächsten eineinhalb Jahre. Ich arbeite aktuell an zwei Alben, die mit Aleah zu tun haben. Ihr Solo-Album und ein Album, für welches ich ihre Texte und Gedichte verwende. Sie war einer der hellsten Sterne und die Leute müssen eine Chance bekommen, sie kennenzulernen. Zumal sie sich selbst nie in die erste Reihe gedrängelt hat und meistens die Songs für sich selbst hier in den Wäldern von Schweden schrieb. Das ist jetzt meine Mission und da ihre Stimme eine starke Heilkraft hat, ist es wichtig, auf so vielen Ebenen damit zu arbeiten.

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Ich kann mir vorstellen, dass es hart war, dieses Album fertigzustellen und ständig mit der Erinnerung an deinen künstlerischen Gegenpart und auch Freundin erinnert zu werden ...

Juha Raivio: ... Aleah war meine Lebenspartnerin für sieben Jahre und ich liebte sie über alles. Meine Seele und mein Herz sind in Stücke gerissen worden. Aber ich habe keine Wahl, außer mit ihrer Musik weiterzumachen. Diese Welt braucht ihre Musik. Ich brauche ihre Stimme und ihre Worte. Gerade in diesen unglaublich dunklen Zeiten in der Welt brauchen wir eine Stimme, die etwas Hoffnung und Trost spendet, selbst wenn diese Musik sehr dunkel ist und vielleicht hoffnungslos für diejenigen erscheint, die Angst vor ihrer eigenen Dunkelheit haben. Aber in der Dunkelheit dieser Musik scheint im Kern das hellste Licht, was alles überstrahlt.

Du hast also niemals in Erwägung gezogen, diese Songs nicht zu veröffentlichen?

Juha Raivio: Es war total klar, dass wir dieses Album veröffentlichen müssen, da die Fans seit Jahren darauf gewartet haben. Und es wäre ein Verlust, wenn dies nicht geschehen wäre. Musik war immer das Wichtigste für Aleah, also muss sie gehört werden. Sie konnte die Scheibe noch hören, als sie zu 99% fertig war, bevor sie starb. Wir sind sehr stolz darauf, was Jens Bogren in der Produktion, dem Mix und dem Mastering geleistet hat.

Die Songs sind sehr düster und melancholisch, aber wie du sagtest dennoch sehr schön. Man könnte auf die Idee kommen, dass die Titel sogar autobiografisch sein könnten. Das Album beginnt mit 'My Requiem'. Ist dies einfach nur Fügung, oder war für Aleah schon vorhersehbar, dass ihr Leben enden würde?

Juha Raivio: Es tut mir leid, das kann ich nicht beantworten. Jeder muss seine eigene Wahrheit in diesen Songs durch eigene Lebenserfahrung finden. Wir als Musiker mögen unsere eigenen Hintergründe haben, aber jeder von uns hört die Musik durch eigene Ohren und in unseren eigenen Leben und schlussendlich macht jeder seine persönliche Reise. Das ist die Schönheit und Wichtigkeit von wirklich ehrlicher Musik.

Es gibt auffällig viele ruhige Passagen und sanfte akustische Parts. Hast du die Songs für eine Rockband geschrieben, oder war die frühere Intention einfach eine kleine Besetzung, oder gar ein Singer-Songwriter-Projekt?

Juha Raivio: Aleah war der totale Singer-Songwriter-Typ und sie hat hunderte Songs nur mit ihrem Gesang und einer Akustikgitarre geschrieben. Zur Hälfte nahm ich ihre Songs und formte daraus Metal-Songs, zur anderen Hälfte schrieb ich die Musik und gab sie Aleah, damit sie den Gesang dazu ausarbeitete. Ich hätte auch den Anfang eines Songs schreiben können und sie hätte ihn fertiggestellt, andersrum genauso. Wir beide sind nicht gerade pflegeleicht im Umgang mit anderen Musikern, da wir genau wissen, was wir von Musik erwarten - da ist kein Platz für eine zweite Meinung. Aber komischerweise war es plötzlich ganz leicht, als wir uns zusammentaten ... da war Magie drin. Wir haben viel gearbeitet, um die Songs perfekt zu machen. Sie konnte auch für Wochen und Monate mit Gesangsaufnahmen warten, bis sie in der absolut richtigen Stimmung dafür war. Daran erkennt man wahre Künstler. Und alles, was sie schrieb, kam 110% aus ihrem Herzen; weniger hätte ihr nicht gereicht. Manchmal hat sie mich damit in den Wahnsinn getrieben, aber wie du auf dem Album hören kannst, war dies der einzig gangbare Weg. Ich fühle mich so privilegiert, dass ich mit ihr arbeiten durfte und ich lernte eine Menge.

Wie kamst du mit ihr eigentlich in Kontakt? Ich habe gehört, Aleah war Südafrikanerin ...

Juha Raivio: ... ja, sie war Südafrikanerin, lebte aber in Schweden. Deswegen war ihr Englisch auch so perfekt, falls du dich darüber wunderst. Damals 2008 oder 2009 suchte ich für SWALLOW THE SUN eine samtige Stimme für den Song 'Lights On The Lake' und per Zufall fand ich Aleahs Akustiksongs im Internet. Ich habe mich total in ihre Stimme verliebt und ich hatte noch nie so eine kraftvolle und emotionale Stimme gehört, selbst wenn sie meist flüsternd sang. Es fühlte sich an, wie nach Hause zu kommen. Also habe ich sie flugs kontaktiert und gefragt, ob sie an ein paar Gastvocals interessiert wäre. Dabei kam dann heraus, dass sie ein großer SWALLOW THE SUN-Fan war. Es war glückliche Fügung. Nach ihrer ersten Teilnahme wurde sie so etwas wie das "siebte Bandmitglied" und die Fans hofften, mehr von ihr zu hören.

Wie hat sich alles dann zur vollen Besetzung entwickelt?

Juha Raivio: Aleah und ich haben viel Zeit damit verbracht, die absolut besten Leute für die Band zu finden. Wir suchten Leute, die vor allem tolle Persönlichkeiten sind und mit purer Emotion spielen können. Mit Kai, Mattias und Fredrik wurde wirklich ein Traum wahr. Sie alle sind wunderbare Menschen und wir waren schon vorher befreundet, daher waren wir mit dem Line-up richtig glücklich. Ich bin sicher, dass man das auf dem Album hören kann.

Kai Hahto ist uns noch für sein Sperrfeuer bei extremeren Bands im Gedächtnis. Ist er wirklich einer dieser vielseitigen Jungs, die einfach alles spielen können?

Juha Raivio: Nun, Kai spielte auch viele Jahre bei SWALLOW THE SUN. Aber sicher, Kai ist einer der besten Drummer der Welt und kann wirklich alles spielen. Aber allein mit Technik erreichst du nichts, wenn du keine Emotionen im Spiel hast. Du kannst aber der schlechteste Drummer der Welt sein, aber mit Emotionen erreichst du alles.

Das Album ist euer Debütalbum und gleichzeitig das Vermächtnis von Aleah. Könntest du dir vorstellen, TREES OF ETERNITY mit einer anderen Sängerin fortzuführen?

Juha Raivio: Nie im Leben. Aleah war die Seele und das Herz der Band. Es wird nie eine Stimme wie ihre geben. Wir haben aber noch einige neue Demos aufgenommen und noch bisschen Material übrig. Ich hoffe, dass wir daraus später noch eine EP machen können.

Ich danke dir für die Gelegenheit, dass wir uns über "Hour Of The Nightingale" unterhalten konnten. Jetzt hast du noch die Gelegenheit, ein paar eigene Worte an unsere Leser zu richten.

Juha Raivio: Ich danke euch, und großen Dank an alle Menschen, die auf dieses Album lange gewartet haben und uns supporteten. Ich danke aber auch allen, die jetzt erst zu TREES OF ETERNITY und Aleahs Musik gefunden haben. Verbreitet ihre Stimme weiter in der Welt, denn diese Welt braucht sie.

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